Leitsatz (amtlich)

Einem Schuldner, der Restschuldbefreiung beantragt hat, ist Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Versäumung des Prüfungstermins (§ 186 InsO) zu gewähren, wenn er nicht ordnungsgemäß nach § 175 Abs. 2 InsO belehrt worden ist und deshalb im Termin oder im schriftlichen Verfahren der Feststellung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nicht rechtzeitig widersprochen hat.

Die Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO gilt in einem solchen Fall nicht, wenn und solange ihre Versäumung darauf beruht, dass das Gericht im Zusammenhang mit der ursprünglich versäumten Verfahrenshandlung eine Hinweispflicht zum Schutz der säumigen Partei verletzt hat.

Die Wiedereinsetzung kann auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens beantragt und gewährt werden.

Die Wiedereinsetzung begründet eine Einwendung gegen die Zulässigkeit einer zuvor erteilten Vollstreckungsklausel zur ursprünglichen Tabelleneintragung (§ 732 ZPO). Die Zwangsvollstreckung aus dem unrichtig gewordenen vollstreckbaren Tabellenauszug kann zusammen mit der Wiedereinsetzung für unzulässig erklärt werden.

 

Normenkette

InsO §§ 186, 175 Abs. 2, § 178 Abs. 2, § 302 Nr. 1; ZPO §§ 233, 234 Abs. 3, § 732

 

Tenor

1. Zur Verfolgung der Anträge aus dem Schriftsatz vom 18. 6. 2008 wird dem Schuldner Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwältin M. aus D. beigeordnet.

2. Dem Schuldner wird wegen der Versäumung der Frist für die Erhebung des Widerspruchs gegen die Insolvenzforderung der I-Krankenkasse Nordrhein (Insolvenztabelle Rang 0 Nr. 40) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, soweit sich der Widerspruch gegen die Erklärung richtet, die Forderung beruhe auf dem Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.

3. Die Zwangsvollstreckung aus der am 28. 4. 2008 erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelleneintragung des Amtsgerichts Duisburg im Insolvenzverfahren 62 IN 36/02 zur Forderung Rang 0 Nr. 40 wird für unzulässig erklärt.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Schuldner als Antragsteller zur Last (§ 238 Abs. 4 ZPO, § 4 InsO). Abtrennbare außergerichtliche Kosten der Klauselerinnerung (§ 2 Abs. 2 RVG, VV Nr. 3309) hat die Gläubigerin zu tragen.

5. Gegenstandswert: 1 397,85 EUR.

 

Tatbestand

I. Über das Vermögen des Schuldners, eines Bauunternehmers, wurde beim Amtsgericht Duisburg von Februar 2002 bis Juli 2006 das Insolvenzverfahren 62 IN 36/02 durchgeführt. In diesem Rahmen wurde im Januar 2006 im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) auch eine Insolvenzforderung der I-Krankenkasse (im Folgenden: Gläubigerin) aus rückständigen Arbeitnehmer-anteilen der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 13 978,53 EUR geprüft und unter Rang 0 Nr. 40 in voller Höhe mit dem Vermerk, laut Anmeldung beruhe sie auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, zur Insolvenztabelle festgestellt; ein Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung war zuvor nicht eingegangen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 31. 3. 2008 wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt. Nunmehr betreibt die Gläubigerin auf der Grundlage eines am 28. 4. 2008 erteilten vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle (§ 201 Abs. 2 InsO) wegen der genannten Forderung die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner.

Mit dem am 18. 6. 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag beantragt der Schuldner,

  • • das Insolvenzverfahren „wieder zu eröffnen” und ihm wegen der Versäumung der Frist für die Einlegung des Widerspruchs gegen die Forderung Rang 0 Nr. 40 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
  • • die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Insolvenztabelle zu Rang 0 Nr. 40 notfalls gegen Sicherheitsleistung einzustellen,
  • • ihm zur Verfolgung dieser Anträge Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwältin M beizuordnen.

Gleichzeitig erhebt er in der Antragsschrift Widerspruch gegen die angemeldete Forderung Rang 0 Nr. 40.

Der Schuldner trägt vor, er sei im Zusammenhang mit der schriftlichen Prüfung der Forderungsanmeldung Rang 0 Nr. 40 nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Infolge dessen habe er es unterlassen, gegen die Forderung rechtzeitig vor dem Prüfungsstichtag vom 23. 1. 2006 Widerspruch zu erheben. Er bestreitet, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe, und behauptet, er habe die Sozialversicherungsbeiträge seinerzeit nicht vorsätzlich vorenthalten.

Der Schriftsatz des Schuldners vom 18. 6. 2008 ist der Gläubigerin am 27. 6. 2008 zugestellt worden. Die Gläubigerin hat den Antrag zur Kenntnis genommen. Sie kündigt an, falls ihr durch die Wiedereinsetzung ein finanzieller Schaden entstehe, werde sie Schadensersatzansprüche gegen die Verantwortlichen geltend machen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Anträge des Schuldners haben Erfolg.

A. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beruht auf den §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO, § 4 InsO. Diese Bestimmungen sind trotz der ...

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