Ein Steuerbescheid ist gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.[1] Ein solches Ereignis muss nachträglich eintreten, und zwar in 2-facher Hinsicht: zum einen, nachdem der Steueranspruch entstanden ist, und zum anderen, nachdem der diesbezügliche Steuerbescheid (ggf. der letzte diesbezügliche Änderungsbescheid) ergangen ist. Steuerliche Rückwirkung liegt zwar auch vor, wenn der Steuerbescheid, in dem der Vorgang zu berücksichtigen ist, noch nicht ergangen ist. In diesem Fall ist das rückwirkende Ereignis aber bereits beim erstmaligen Erlass des Steuerbescheids zu berücksichtigen[2]; Entsprechendes gilt, wenn der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig und deshalb aufgrund eines Einspruchs zu ändern ist.[3] Ist dies nicht erfolgt, ist eine spätere Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht mehr zulässig.[4] Es besteht insoweit keine Notwendigkeit mehr, die Bestandskraft zu durchbrechen.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist von § 173 AO zu unterscheiden. Während bei Ersterem der steuerlich relevante Sachverhalt nachträglich und rückwirkend eine andere Gestaltung erfährt, wird bei § 173 AO nur die Kenntnis des Finanzamts bezüglich des bereits gegebenen Sachverhalts nachträglich erweitert.[5] Deshalb schließen diese beiden Vorschriften einander aus. Dies bedeutet: Im Fall des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wird ein zunächst fehlerfreier Bescheid durch den Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses nachträglich fehlerhaft und muss daher korrigiert werden. Hingegen ist im Fall des § 173 AO der Bescheid von Anfang an fehlerhaft und deswegen zu korrigieren.

Durch eine nach § 165 Abs. 1 AO vorläufige Steuerfestsetzung und der damit verbundenen Korrekturmöglichkeit nach § 165 Abs. 2 AO wird die Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen, falls das die Ungewissheit beseitigende Ereignis zugleich steuerrechtlich zurückwirkt.[6] Von praktischer Bedeutung ist dies dann, wenn dem Finanzamt wegen Ablaufs der Frist des § 171 Abs. 8 AO[7] die Berichtigungsmöglichkeit des § 165 Abs. 2 AO nicht mehr zur Verfügung steht, dafür aber die für die Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geltende eigene Anlaufhemmung (s. u.).

Die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erfasst auch die bei der ursprünglichen Entscheidung unterlaufenen Rechtsfehler.[8]

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