LfSt Bayern, 15.2.2023, S 7107.2.1 - 52/14 St33

 

I. Allgemeines

Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit bedienen sich Kommunen bei der Abwasserbeseitigung regelmäßig anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPöR). Insbesondere wird die Abwasserreinigung (Kläranlage) und/oder die Klärschlammentsorgung häufig durch Nachbarkommunen oder Zweckverbände durchgeführt. Die Erledigung der Aufgabe durch die andere jPöR erfolgt entgeltlich im Rahmen eines Leistungsaustausches. Fraglich ist, ob dieser Leistungsaustausch im Geltungsbereich von § 2b UStG der Umsatzsteuer unterliegt.

 

II. Kommunalrechtlicher Rahmen

Abwasser ist von den jPöR zu beseitigen, die nach Landesrecht hierzu verpflichtet sind (Abwasserbeseitigungspflichtige). Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Abwasserbeseitigung anderen als den in Satz 1 genannten Abwasserbeseitigungspflichtigen obliegt. Die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten können sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen (§ 56 WasserhaushaltsgesetzWHG).

In Bayern wurde diese bundesgesetzliche Vorgabe im Bayerischen Wassergesetz (BayWG) näher definiert. Gemäß Art. 34 Abs. 1 BayWG sind in Bayern die Gemeinden zur Abwasserbeseitigung verpflichtet. Nach Art. 34 Abs. 7 BayWG ist Abwasser von demjenigen, bei dem es anfällt, der zur Beseitigung verpflichteten Person zu überlassen (Anschluss- und Benutzungszwang).

 

III. Umsatzsteuerrechtlicher Rahmen

Da die Abwasserreinigung bzw. Klärschlammentsorgung durch andere jPöR selbständig und nachhaltig gegen Entgelt erfolgen, sind die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches nach § 1 Abs. 1 Nummer 1 UStG und der Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG grundsätzlich erfüllt.

Die Unternehmereigenschaft ist durch § 2b Abs. 1 UStG eingeschränkt, wenn die Abwasserreinigung bzw. Klärschlammentsorgung

  • in öffentlich-rechtlicher Handlungsform erfolgt und
  • eine Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.

Eine öffentlich-rechtliche Handlungsform liegt vor, sofern die Abwasserreinigung bzw. Klärschlammentsorgung auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder einer Zweckvereinbarung durchgeführt wird.

Verzerrungen des Wettbewerbs im Sinne des § 2b UStG entstehen, wenn öffentliche und private Anbieter marktrelevant aufeinandertreffen können und aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung die Wettbewerbssituation zugunsten oder zulasten eines Marktteilnehmers verfälscht wird. Allerdings muss die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, real und nicht nur rein hypothetisch sein (potentieller Wettbewerb). Die rein theoretische, durch keine Tatsache, kein objektives Indiz und keine Marktanalyse untermauerte Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, kann damit nicht mit dem Vorliegen eines potenziellen Wettbewerbs gleichgesetzt werden (vgl. EuGH-Urteil vom 16. September 2008, C-288/07).

 

IV. Sachverhalte

 

1. Eine Gemeinde übt die Abwasserbeseitigung auf Basis einer Gebührensatzung aus

Im Verhältnis der Gemeinde zum Bürger ist aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwangs, und der damit einhergehenden fehlenden Marktrelevanz, von einem nicht steuerbaren Umsatz auszugehen.

 

2. Eine Gemeinde überträgt die Abwasserbeseitigung mit befreiender Wirkung inkl. aller Rechte, Pflichten und Befugnisse auf einen Abwasserzweckverband (delegierende Aufgabenübertragung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 KommZG)

Die Abwasserbeseitigung wird über öffentliche Gebühren finanziert. Die Gebühren stehen nach der Übertragung dem Abwasserzweckverband zu. Im Verhältnis des Abwasserzweckverbands zum Bürger ist aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwangs, und der damit einhergehenden fehlenden Marktrelevanz, von einem nicht steuerbaren Umsatz auszugehen.

Da zwischen der Gemeinde und dem Abwasserzweckverband i.d.R. keine Gelder fließen, liegt mangels Entgelt kein Leistungsaustausch vor. Sollten im Einzelfall doch Gelder (z.B. Investitionskostenumlagen) von der Gemeinde an den Abwasserzweckverband fließen, liegt aufgrund der Aufgabenübertragung mit befreiender Wirkung kein steuerbarer Leistungsaustausch vor[1].

 

3. Eine Gemeinde überträgt die Durchführung der Reinigung der Abwässer auf eine andere jPöR (mandatierende Aufgabenübertragung)

Kleinere Gemeinden besitzen häufig keine eigene Kläranlage. Die Abwässer werden zur Reinigung in die Kläranlage der Nachbargemeinde (oder eines Kläranlagenzweckverbands) eingeleitet. Für die Reinigung der Abwässer erhebt die Nachbargemeinde auf Basis einer Zweckvereinbarung (Art. 7 Abs. 3 KommZG) oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags eine Benutzungsgebühr (ggf. auch einen Beitrag zur Beteiligung an Herstellungskosten der Entwässerungseinrichtung) von der einleitenden Gemeinde. Die in Rechnung gestellten Kosten gehen in den Abwassergebührenbescheid der Gemeinde an den Bürger ein. Hieraus ergeben sich folgende Leistungsbeziehungen:

Die Gemeinde ist (bzw. bleibt) Träger der (hoheitlichen) Aufgabe der Ab...

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