Leitsatz

Art. 43 EGV n.F. ist dahin auszulegen, dass er einer Maßnahme wie der in § 8a Abs. 1 Nr. 2 des deutschen KStG enthaltenen entgegensteht.

 

Normenkette

§ 8a KStG , Art. 43 EG

 

Sachverhalt

Zusammengefasst ging es um die verschuldete und verlustbringende Lankhorst-Hohorst GmbH, welcher von ihrer Großmuttergesellschaft ein Darlehen gewährt wurde. Sie verwendete dieses Darlehen fast ausschließlich dazu, eine bestehende Bankschuld zu tilgen. Die Konditionen des Kredits waren so ausgestaltet, dass die an die Großmuttergesellschaft zu zahlenden Zinsen deutlich geringer waren, als die von der Bank verrechneten. Außerdem garantierte der Kreditgeber, im Fall von Ansprüchen Dritter gegenüber Lankhorst-Hohorst auf die Rückzahlung zu verzichten.

Das FA sah § 8a KStG (Unterkapitalisierung) als anwendbar und die Zinszahlungen als Dividendeausschüttung an, mit der Konsequenz, dass diese bei Lankhorst-Hohorst nicht abzugsfähig waren.

Das FG Münster hatte die Sache dem EuGH als Vorabentscheidungsersuchen zur Prüfung der Frage vorgelegt, ob § 8a KStG mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) vereinbar sei.

 

Entscheidung

Der EuGH hat § 8a Abs. 1 KStG a.F., wie im Leitsatz und in den Praxis-Hinweisen erkenntlich, als im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit diskriminierend und damit gemeinschaftsrechtswidrig verworfen.

 

Hinweis

1. § 8a Abs. 1 KStG 1991 belegt Vergütungen für Darlehen des nicht zur KSt anrechnungsberechtigten Gesellschafters an "seine" Kapitalgesellschaft unter dort näher bestimmten Voraussetzungen mit der Rechtsfolge einer vGA. Einzelheiten können Sie den Praxis-Hinweisen zum Urteil des BFH vom 15.5.2002, I R 53/00, BFH-PR 2003, 61 (in diesem Heft) entnehmen. Das Abstellen auf die Nichtanrechnungsberechtigung weckte bereits früh schwere gemeinschaftsrechtliche Bedenken. Denn "getroffen" wurden letztlich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zuvorderst und fast ausschließlich nur nicht KSt-anrechnungsberechtigte Steuerausländer als sog. gebietsfremde Anteilseigner.

Wegen dieser Bedenken hatte das FG Münster dem EuGH mit Beschluss vom 21.8.2000 (EFG 2000, 1273) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es ging von einer Diskriminierung Gebietsfremder aus.

2. Die nun ergangene Entscheidung des EuGH kann kaum verwundern. Bereits nach Vorliegen der Schlussanträge des Generalanwalts vom 26.9.2002 stand letztlich fest, dass der EuGH sich dessen Votum anschließen und die vom Generalanwalt postulierte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit bestätigen werde.

a) Zwar wird anerkannt, dass der nationale Gesetzgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, Steuerumgehungsversuche zu bekämpfen. Und dazu dient § 8a KStG von seiner Motivlage her. Denn unter sonst gleichen Umständen ist es steuerlich vorteilhaft, eine Tochtergesellschaft über Darlehen und nicht über Kapitaleinlagen zu finanzieren. In diesem Fall werden nämlich die Gewinne der Tochtergesellschaft in Form von Zinsen an die Muttergesellschaft übertragen, die bei der Berechnung des zu versteuernden Gewinns der Tochtergesellschaft abgezogen werden könnten, und nicht in Form nicht abziehbarer Dividenden. Wenn Tochter- und Muttergesellschaft in verschiedenen Staaten ansässig sind, lässt sich die Steuerschuld dadurch leichthin von einem Land zum anderen verlagern.

Der EuGH hält aber dagegen: Steuermindereinnahmen oder deren Befürchtung sind kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, mit dem eine Maßnahme zu rechtfertigen sei, die mit einer EG-Grundfreiheit kollidiere.

Außerdem beschränke sich die Wirkungsweise des § 8a KStG nach seinen Voraussetzungen nicht auf Missbrauchsfälle; die Norm wirke vielmehr flächendeckend und erfasse jegliche Gesellschafterdarlehen.

b) Die deutsche Bundesregierung hatte sich sodann auf den berühmten Kohärenzgedanken berufen, wonach es gelte, die Kohärenz der anwendbaren Steuersysteme zu gewährleisten. Und diese Systeme beruhten nun einmal auf dem Gedanken des Fremdvergleichs (Art. 9 OECD-MA).

Auch hier kennt der EuGH aber kein Pardon: Kohärenz bedeute, dass sich dessen Wahrung auf ein und denselben Steuerpflichtigen bezöge und außerdem vom Gesetzgeber als solche "gewollt" sei. In casu des § 8a KStG werde aber die ausländische Tochtergesellschaft benachteiligt, obschon sie sich im Inland in keiner Weise steuerlich mittels eines Steuervorteils schadlos halten könne.

3. Offen bleibt allerdings, was denn nun mit § 8a KStG "passieren" wird. Dazu ist festzuhalten: Er bleibt zunächst anwendbar, weil Vorabentscheidungsurteile des EuGH auch bei hiernach feststehender Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (anders als verfassungswidrige Gesetze kraft BVerfG-Judikat) nicht automatisch die Nichtigkeit der betreffenden Norm nach sich ziehen. An der Europaunrechtsmäßigkeit ändert dies natürlich nichts.

Wie die deshalb in jedem Fall notwendige Reaktion des Gesetzgebers aussehen wird, ist derzeit schwer abzuschätzen.

Dazu ist vorauszuschicken: Nach Abschaffung des KSt-Anrechnungsverfahrens unterscheidet § 8a KStG n.F. nicht länger zwischen Anrechnungs- und Nichtanrechnungsberechtigten,...

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