I. Erlass für Kulturgüter (Abs. 1 Nr. 1)

1. Besonderes öffentliches Erhaltungsinteresse

 

Rz. 19

[Autor/Stand] Für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, ist die Grundsteuer unter bestimmten Voraussetzungen zu erlassen. Der Befreiungstatbestand macht an vier Voraussetzungen fest: Neben dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Grundbesitzes und der Unrentabilität des Grundstücks ist auf die Kausalität des Erhaltungsinteresses und der Unrentabilität abzustellen.[2] Des Weiteren darf der Grundbesitz nicht bereits von der Grundsteuer befreit sein.[3] Grundbesitz ist nach § 19 Abs. 1 BewG ein Sammelbegriff, der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Grundstücke und Betriebsgrundstücke umfasst.

 

Rz. 20

[Autor/Stand] Die Kulturguteigenschaft ergibt sich aus rechtlichen Vorgaben für den Grundbesitz, beispielsweise dem förmlichen Denkmalschutz oder dem Naturschutz, die die Nutzung des Grundbesitzes in besonderem Maße einschränken. Sie ergibt sich aber nicht zwingend aus den landesrechtlichen Regelungen, sodass auch ein nicht förmlich festgestelltes Denkmal, das in die Denkmalliste eingetragen ist, Kulturgut sein kann.[5] Es gibt verschiedene landesrechtliche Konzepte der denkmalschutzrechtlichen Unterschutzstellung. Die Kulturguteigenschaft muss vom Antragsteller nachgewiesen werden. Die Erfüllung üblicher baurechtlicher Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Umgebung, die z.B. die Grundstücks- und Gebäudegestaltung im Allgemeinen betreffen, reichen regelmäßig nicht zur Annahme öffentlichen Interesses aus.[6] Bestehen Zweifel, ob die Erhaltung des Grundbesitzes im öffentlichen Interesse liegt, ist eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorzulegen, der aber keine Bindungswirkung zukommt, da die hebeberechtigte Gemeinde in eigener Zuständigkeit über den Erlass entscheidet.[7]

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Die Merkmale des öffentlichen Erhaltungsinteresses sind von der Rechtsprechung konkretisiert worden.[9] Es sind hohe Anforderungen zu stellen.[10] Die Begriffe Kunst, Geschichte und Wissenschaft gehen mitunter ineinander über.[11] Das Merkmal "Bedeutung für die Kunst" liegt danach vor, wenn die auf dem Grundstück befindlichen Anlagen das ästhetische Empfinden in besonderem Maße ansprechen oder zumindest den Eindruck vermitteln, dass etwas nicht Alltägliches oder eine Anlage mit Symbolkraft geschaffen wurde.[12] Eine Bedeutung für die Geschichte kann angenommen werden, wenn die Gebäudebeschaffenheit, für die historische oder kunsthistorische Forschung von Bedeutung ist. Eine Bedeutung für die Wissenschaft kann geschlossen werden, wenn auf dem Grundstück Funde gemacht oder erwartet werden, die für die naturwissenschaftliche, prähistorische, archäologische oder historische Forschung relevant sind oder durch die Beschaffenheit der Gebäude diese für die historische oder kunsthistorische Forschung von Bedeutung ist. Das Grundstück ist für den Naturschutz bedeutsam, wenn es Besonderheiten des geologischen Aufbaues, der Flora und Fauna des umliegenden Gebietes hervortreten lässt oder in besonderer Weise mit der umgebenden Natur oder der bodenständigen Kultur des Gebietes, in dem es belegen ist, verbunden ist. Das besondere öffentliche Interesse am Naturschutz zeigt sich in rechtlichen Bindungen, die über das hinausgehen, was Grundstückseigentümer von der Rechtsordnung allgemein auferlegt wird.[13]

 

Rz. 22

[Autor/Stand] Es ist nicht erforderlich, dass die Öffentlichkeit Zugang zum Grundbesitz hat, jedoch wird bei Garten- und Parkanlagen von geschichtlichem Wert i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GrStG eine Öffnung gegenüber interessierten Kreisen in dem billigerweise zu fordernden Umfang gefordert.[15] Nach Auffassung der Finanzverwaltung genügt es, dass die Anlagen mindestens den interessierten Kreisen ohne weiteres zugänglich sind und dies auch allgemein erkennbar ist. Das Erheben von Eintrittsgeldern ist für sich genommen nicht schädlich.[16]

Erhaltung des Grundbesitzes ist als Erhaltung der historisch schützenswerten Gebäudesubstanz sowie der Schutz vor unnatürlichen Eingriffen und Veränderungen im Sinne des Naturschutzes zu verstehen.[17] Öffentliches Erhaltungsinteresse besteht auch bei Grundbesitz, der nach dem Bundesnatur- oder Landschaftsschutzgesetz unter Naturschutz gestellt wurde oder ein Naturdenkmal vorliegt. Demgegenüber reicht allein die Lage in einem Landschaftsschutzgebiet (§ 26 BNatSchG), einem Naturpark (§ 27 BNatSchG), einem Gebiet mit geschützten Landschaftsbestandteilen (§ 29 BNatSchG) oder einem Nationalpark oder Nationalem Naturdenkmal (§ 24 BNatG) nicht aus.[18] Ggf. sind weitere Regelungen der Landesnaturschutzgesetze zu beachten. Wird das in einem Naturschutzgebiet belegene Grundstück land- und forstwirtschaftlich genutzt, schränkt dies die Erlassmöglichkeit nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht ein.[19] Liegt der Steuergegenstand nur zum Teil in einem Naturschutzgebiet, kommt nur ein anteiliger Erlass in Betracht.[20]

 

Rz. 23

[Autor/Stand] Voraussetzung des § 32 Abs. 1 ...

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