I. Überblick über die Erlasstatbestände
Rz. 1
[Autor/Stand] Mit § 32 GrStG beginnt der vierte Abschnitt des GrStG, der verschiedene Erlasstatbestände regelt, die als Spezialregelungen Vorrang vor den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO haben, deren Anwendung jedoch nicht ausschließen.[2] Der Gesetzgeber versteht die reformierte Grundsteuer weiterhin als eine Sollertragsteuer, die an den Grundbesitz mit der Möglichkeit einer ertragbringenden Nutzung und damit an eine Leistungsfähigkeit anknüpft.[3] Als Objektsteuer stellt die Grundsteuer nicht auf die tätsächliche wirtschaftliche Ertragslage des Grundbesitzes ab.[4] Bewertungsverfahren dienen vielmehr der typisierten Ermittlung eines Sollertrags. Ist die Ertragsfähigkeit im Einzelfall nicht gegeben, zieht dies nicht automatisch eine niedrigere Festsetzung nach sich.[5] Es bedarf daher bestimmter Sondertatbestände, mit denen die erwünschte Reduzierung der Belastung gezielt gesteuert werden kann. § 32 GrStG durchbricht die das Grundsteuergesetz beherrschende, dem Charakter der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Objektsteuer Rechnung tragende Regel, dass für jeden Grundbesitz, rentabel oder nicht, Grundsteuer zu entrichten ist.[6] Die Vorschrift ist ohne Bedeutung, soweit der Steuergegenstand nach §§ 3 ff. GrStG von der Steuer befreit ist, sodass die praktische Relevanz vor allem dort besteht, wo die Steuergegenstände nicht den nach § 3 GrStG begünstigten Personen zuzurechnen sind oder nicht die engen Nutzungsvoraussetzungen des § 4 GrStG erfüllt werden.[7]
§ 32 GrStG sieht in Abs. 1 Nr. 1 u. 2 und Abs. 2 in abschließender Regelung drei Tatbestandsgruppen vor, die jeweils einen Rechtsanspruch auf Voll- oder Teilerlass der Grundsteuer begründen. Es bedarf eines Antrags des Steuerpflichtigen. Eine Ermessensentscheidung liegt nicht vor. Der Antragsteller ist kein Bittsteller, sondern macht einen gesetzlich verankerten Anspruch geltend.[8] Die Gemeinde entscheidet in eigener Zuständigkeit ohne Bindung an Bestätigungen der Landesbehörden über die Objekteigenschaft.[9] An die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen sind aufgrund der aus der Begünstigung resultierenden Steuerausfälle strenge Anforderungen zu stellen.[10]
II. Regelungsgegenstand und -zweck
Rz. 2
[Autor/Stand] Die Vorschrift führt bei bestehender materieller Steuerpflicht drei Erlasstatbestände mit differenzierten Voraussetzungen abschließend auf, bei deren Erfüllung ein Rechtsanspruch besteht.[2] Den drei Tatbeständen in Abs. 1 Nr. 1 u. 2 sowie Abs. 2 ist ein übergeordnetes öffentliches Interesse gemeinsam. Mit dem Erlass oder Teilerlass der Grundsteuer wird der nicht ertragsfähige Steuergegenstand, dessen Erhalt für die Allgemeinheit von Bedeutung ist, insoweit gezielt entlastet. § 32 Abs. 1 Nr. 1 soll eine Kompensation für die mit dem Denkmalschutz, Naturschutz etc. verbundenen Beschränkungen und finanziellen Belastungen schaffen.[3] Mit § 32 Abs. 1 Nr. 2 spricht der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an der Bereitstellung von Erholungsraum an, während § 32 Abs. 2 den Grundsteuererlass für Grundbesitz regelt, in dessen Gebäuden Gegenstände von wissenschaftlicher, künstlerischer oder geschichtlicher Bedeutung dem Zweck der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht sind.
III. Anwendungsbereich
1. Zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 3
[Autor/Stand] Bis zum 31.12.2024 gilt noch die Fassung des GrStG v. 7.8.1973[2] mit den späteren Änderungen, die sich aus dem Einigungsvertrag und dem Eisenbahnneuordnungsgesetz ergeben haben.
Die Neufassung des GrStG gilt erstmals für die Grundsteuer des Kalenderjahres 2025 (§ 37 Abs. 1 GrStG). § 32 hat durch das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) keine Änderung erfahren.[3] Das gilt auch für die späteren Änderungsgesetze.[4]
2. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 4
[Aut...
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