Leitsatz

1. Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder doch zumindest konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

2. Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.

3. Dies gilt auch bei angestellten Geschäftsführern einer GmbH. Auch in einem solchen Fall lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen ist oder der (Allein-)Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachtet.

 

Normenkette

§§ 19 Abs. 1, 8 Abs. 1, 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

K, alleiniger Geschäftsführer der E-GmbH, verfügte über einen Dienstwagen, dessen Nutzung ergänzend zum Arbeitsvertrag in einer "Car Policy" geregelt war. Danach erstreckte sich die Nutzung "nicht auf den privaten Bereich", das Fahrzeug durfte ausschließlich durch K genutzt werden, nur "im Bedarfsfall" durch den Ehegatten. Nach einer LSt-Prüfung erhöhte das FA mangels Fahrtenbuch Ks Lohneinkünfte für die Pkw-Privatnutzung jährlich um 21.336 EUR (35.000 EUR x 1 % x 12; Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte 35.000 EUR x 0,03 % x 136 km x 12). Die Klage war nur hinsichtlich der Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte erfolgreich, die das FG entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG bewertete (FG Münster, Urteil vom 17.1.2012, 5 K 1240/09 E, Haufe-Index 3274860, EFG 2012, 1733).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück. Das FG wird den Sachverhalt entsprechend der neuen Rechtsgrundsätze aufzuklären haben.

 

Hinweis

Mit der neuen Rechtsprechung (vgl. VI R 31/10) war auch hier entscheidend, ob und welches betriebliche Fahrzeug K ausdrücklich oder konkludent zur privaten Nutzung erhalten hatte. Darüber entscheidet grundsätzlich das FG als Tatsacheninstanz unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Insoweit gelten die hergebrachten Grundsätze, dass nämlich diese Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze). Wenn es aber, wie hier, an einer tragfähigen Tatsachengrundlage oder nachvollziehbaren Ableitungen fehlt, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor (dazu: BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 16/09, BFH/NV 2011, 501, BFH/PR 2011, 132 m.w.N.). Denn die "Car Policy" ergab gerade keine private Nutzungsüberlassung, und die Nutzungsmöglichkeit durch den Ehegatten "im Bedarfsfall" bezog sich ersichtlich auf die dienstliche Fahrzeugnutzung. Vermutungen reichen nicht. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass angestellte Alleingeschäftsführer – unabhängig von der Überwachung – arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote missachten (vgl. BFH, Urteil vom 21.3.2013, VI R 46/11, BFH/NV 2013, 1302, BFH/PR 2013).

Beachten Sie: Der Fall zeigt, dass in der Tatsacheninstanz der umfassende und substanziierte Sachvortrag entscheidend ist. Hier wird es im zweiten Rechtsgang auf die konkreten arbeitsvertraglichen Nutzungsvereinbarungen (ausdrücklich oder konkludent) ankommen. Der Anscheinsbeweis hat insoweit ausgedient (VI R 23/12, BFH/NV 2013, 1316; VI R 46/11, BFH/NV 2013, 1308). Lässt sich feststellen, dass K tatsächlich privat nutzen durfte, ist der Vorteil anzusetzen (VI R 31/10, BFH/NV 2013, 1298), zu bewerten mittels der 1 %-Regelung oder Fahrtenbuch. Aber: Erlaubte Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG (dazu: BFH, Urteil vom 6.10.2011, VI R 56/10, BFH/NV 2012, 315, BFH/PR 2012, 83). Außerdem ist – jedenfalls nach der bis einschließlich VZ 2013 noch geltenden Rechtslage – bei intensiven Fahrtätigkeiten immer zu prüfen, ob überhaupt eine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt (qualitativer Schwerpunkt der Arbeitsleistung dazu: BFH, Urteil vom 9.6.2011, VI R 58/09, BFH/NV 2011, 1761, BFH/PR 2011, 409; BFH, Urteil vom 13.6.2012, VI R 47/11, BFH/NV 2012, 1861, BFH/PR 2012, 385).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.3.2013 – VI R 42/12

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