Rz. 1

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

"Verwirkung" ist ein spezieller Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von > Treu und Glauben (BFH 83, 441 = BStBl 1965 III, 657): Derjenige, der mit der Verfolgung seines Rechts so lange zurückhält, dass die Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt, kann das Recht nicht mehr ausüben. Der Einwand der Verwirkung kann sowohl vom FA als auch vom Stpfl geltend gemacht werden. Er umfasst materielle und formelle Ansprüche.

 

Rz. 2

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

Eine Voraussetzung ist langjährige Untätigkeit des Berechtigten (BFH 88, 562 = BStBl 1967 III, 490). Verwirkung allein durch Zeitablauf kommt – anders als bei der > Verjährungnicht in Betracht (BFH 129, 462 = BStBl 1980 II, 368); auch nicht, wenn ein Einspruch 9 Jahre lang unbearbeitet bleibt (BFH 147, 409 = BStBl 1987 II, 12; EFG 2010, 103 – 11 Jahre). Hinzukommen muss das ‚Umstandsmoment’, also ein bestimmtes Verhalten des (zeichnungs-) Berechtigten, dem der andere Teil bei objektiver Beurteilung entnehmen darf, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird (BFH 123, 299 = BStBl 1978 II, 168; BFH/NV 2011, 1106; EFG 2008, 504). Auf Grund dieses Vertrauenstatbestands muss der Verpflichtete Maßnahmen ergriffen oder unterlassen haben, die er sonst nicht getroffen haben würde (BFH 147, 409 – aaO; BFH/NV 2010, 682 mwN; BFH/NV 2011, 1106).

Allein die unrechtmäßige Weiterzahlung von Kindergeld reicht nicht aus, um einen Rückforderungsanspruch zu verwirken (BFH 196, 274 = BStBl 2002 II, 174; BFH/NV 2005, 499; > Kindergeld Rz 60 ff [66/1]). Die Familienkasse darf zudem mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht zu lange zuwarten. Maßgebend ist letztlich eine Abwägung der Verhältnisse des Einzelfalls (BFH 203, 472 = BStBl 2004 II, 123).

 

Rz. 3

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

Zur Verwirkung von Steueransprüchen vgl BFH 123, 321 = BStBl 1978 II, 33. Eine überlange Dauer des Verfahrens vor dem FG trotz Kenntnis des Alters und schlechten Gesundheitszustands des Stpfl führt nicht zur Verwirkung des Steueranspruchs, verstößt aber gegen Art 19 Abs 4 GG (BFH 185, 267 = BStBl 1998 II, 395; BFH 187, 233 = BStBl 1999 II, 407 mwN). Zur Verwirkung von Haftungsansprüchen vgl BFH 109, 164 = BStBl 1973 II, 573; BFH 129, 201 = BStBl 1980 II, 126; BFH 137, 88 = BStBl 1983 II, 135; von Erstattungsansprüchen BFH 67, 212 = BStBl 1958 III, 354; zur Verwirkung prozessualer Befugnisse des Stpfl BFH 66, 118 = BStBl 1958 III, 46; BFH 67, 208 = BStBl 1958 III, 352 sowie BVerfG 32, 305 = BStBl 1972 II, 306.

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