Rz. 1

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (Art 3 Abs 1 GG). Deshalb muss der Gesetzgeber sie gleichmäßig und nicht über ihre individuelle Leistungsfähigkeit hinaus besteuern (im Einzelnen vgl BVerfG 107, 27 = BStBl 2003 II, 534). Nur das Nettoeinkommen – die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen wird besteuert (BFH/GrS 227, 1 = BStBl 2010 II, 672 Tz 94); zu Besonderheiten > Werbungskosten Rz 18/3. Dieses objektive Nettoprinzip (> Rz 2) wird ergänzt durch das subjektive Nettoprinzip; es gebietet, die dem Stpfl individuell entstehenden (privaten) existenzsichernden Aufwendungen unbesteuert zu lassen (> Rz 4).

 

Rz. 2

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

In der Ertragsbesteuerung konkretisiert sich das objektive Nettoprinzip in § 2 Abs 2 EStG: Einkünfte sind nur der Gewinn oder die Einnahmen nach Abzug von WK (vgl zB Seiler, DStJG 2011, 61). Aufwendungen für die Lebensführung mindern hingegen außerhalb von SA und AgB die BMG grundsätzlich nicht (§ 12 Nr 1 EStG; BVerfG 99, 280 = BStBl 1999 II, 502). Ob dieses Prinzip selbst Verfassungsrang hat, wurde vom BVerfG allerdings bisher stets offen gelassen (vgl Lehner, DStR 2009, 185); uE sollte dies bejaht werden. Beachtet der Gesetzgeber die vom Nettoprinzip gezogenen Grenze der Besteuerung nicht, wird sie verfassungswidrig (vgl BVerfG 123, 1 = BStBl 2009 II, 1035). Zu neueren Tendenzen vgl Breinersdorfer, DStR 2010, 2492.

 

Rz. 3

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

Einzig aus gewichtigen Gründen kann der Gesetzgeber das Nettoprinzip durchbrechen. Dann müssen sich aber die Fälle, in denen er betrieblich/beruflich veranlasste Aufwendungen nicht als absetzbare BA/WK anerkennt, so weitgehend von allen übrigen Fällen unterscheiden, dass diese Verschiedenbehandlung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz sachlich ausreichend gerechtfertigt ist. Dabei hat er eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit, die generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen einschließt. Jedoch muss er zur gleichmäßigen Belastung aller Stpfl bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig iSd Belastungsgleichheit umsetzen (vgl die in BVerfG 126, 268 = BStBl 2011 II, 318 mwN zusammengefassten Grundsätze). Zu den der Gesetzgebung gezogenen Grenzen vgl Drenseck, FR 2006, 1; Bergkemper, StuW 2006, 311; Tipke, BB 2007, 1525 und DB 2008, 263; ferner Schneider und Wernsmann, Beihefter zu DStR 34, 2009, 87 und 101.

 

Rz. 4

Stand: EL 112 – ET: 05/2017

Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des > Existenzminimum des Stpfl und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten. Ihre konkrete Ausgestaltung findet das Prinzip im > Grundfreibetrag (§ 32a Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG; ausführlich dazu zB Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, 2011, Diss Frankfurt 2010), bei der Berücksichtigung von SA (§ 10 EStG) und AgB (§§ 3333b EStG) und dem Familienleistungsausgleich (§§ 31, 32 und 62 ff EStG). Über das Existenzminimum hinaus ist eine Steuerfreistellung von Vorsorgeaufwendungen zur Absicherung existenzieller Risiken von Verfassungs wegen nicht zwingend (vgl BFH 201, 437 = BStBl 2003 II, 650).

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