Rz. 41

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Ob sich der Stpfl den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, ist nach inländischen Maßstäben zu beurteilen (EFG 1991, 325; 1995, 529); das gilt auch, wenn der Stpfl oder der von ihm Begünstigte im Ausland lebt (> Rz 33). § 33a Abs 1 Satz 6 HS 2 EStG, der dies für die gesetzliche Unterhaltspflicht normiert, enthält uE einen allgemeinen Grundsatz, der auch für § 33 EStG maßgebend ist. Ob eine rechtliche Verpflichtung besteht, ist deshalb grundsätzlich nur nach inländischem Recht zu beurteilen, selbst wenn ausländisches Recht über das sich aus dem EGBGB ergebende deutsche internationale Privatrecht einen inländischen Stpfl rechtlich zu einer Leistung verpflichtet (zu einer weitergehenden Auslegung vgl Schmidt/Loschelder, zu § 33 EStG Rz 17). Diese Einengung der Zwangsläufigkeit auf das für die Mehrzahl der Steuerinländer Geltende verstößt weder gegen Art 3 Abs 1 GG noch gegen Europarecht (BFH 199, 407 = BStBl 2002 II, 760; BFH/NV 2005, 1067). Eine sittliche Verpflichtung ist zu berücksichtigen, wenn sie nicht nur theoretisch gegeben, sondern auch tatsächlich gegenüber dem Stpfl durchsetzbar ist (> Rz 55 ff). Damit werden auch abweichende Verhältnisse im Wohnsitzland von Personen, die im Ausland ansässig sind und gleichwohl in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (> Rz 2), angemessen berücksichtigt.

 

Rz. 42

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Die unmittelbare rechtliche, tatsächliche oder sittliche Verpflichtung (> Rz 50 ff) allein begründet noch keine Zwangsläufigkeit. Entscheidend ist, ob sich der Stpfl der Eingehung der Verpflichtung nicht entziehen konnte (BFH 147, 171 = BStBl 1986 II, 745; BFH 160, 516 = BStBl 1990 II, 738). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die obigen Gründe von außen auf die Entschließung des Stpfl in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann (BFH 161, 73 = BStBl 1990 II, 895; BFH 168, 39 = BStBl 1992 II, 795; BFH 172, 85 = BStBl 1994 II, 31; BFH 213, 351 = BStBl 2007 II, 41 mwN). Die maßgebenden Umstände müssen idR vom Willen des Stpfl unabhängig sein; er darf in seiner Entschließung tatsächlich nicht frei sein (BFH 182, 333 = BStBl 1997 II, 491 mwN). Ob er sich subjektiv für sittlich verpflichtet hielt, ist also nicht entscheidend.

 

Rz. 43

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Es kommt deshalb darauf an, ob das Ereignis, auf Grund dessen die Aufwendungen zu erbringen sind, für den Stpfl unausweichlich eintritt. Zu Ausnahmen im höchstpersönlichen Lebensbereich > Rz 47. Zweifelhaft kann uU sein, auf welches Ereignis in einer Kausalkette bei der Prüfung der Zwangsläufigkeit zurückzugreifen ist. Was ‚wesentlich’ ist, kann nur auf Grund einer wertenden Betrachtung bestimmt werden. Bei dieser Wertung ist Kriterium, ob ein außergewöhnlicher, atypischer Sachverhalt die subjektive Leistungsfähigkeit mindert, ohne dass dem Stpfl ein Vorwurf zu machen ist. Liegt die wesentliche Ursache in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, sind die Aufwendungen nicht zwangsläufig (BFH 206, 16 = BStBl 2004 II, 726 mwN).

 

Rz. 44

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Auf die Zwangsläufigkeit des Ereignisses kann sich deshalb nicht berufen, wer sich bewusst – also vorsätzlich oder grobfahrlässig in eine bestimmte Situation begibt und die dadurch ausgelösten Kosten in Kauf nimmt (BFH 77, 487 = BStBl 1963 II, 499). Das gilt besonders bei Aufwendungen infolge rechtlicher Verpflichtung wie zB bei > Prozesskosten; sie sind übrigens seit 2013 nur noch bei ‚Existenzgefährdung’ abziehbar (vgl § 33 Abs 2 Satz 4 EStG). Zwangsläufigkeit kann hier nur bejaht werden, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergebende rechtliche oder sittliche Verpflichtung oder eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen besteht; ebenso, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlichen oder sittlichen Verpflichtungen oder einer tatsächlichen Zwangslage beruht (BFH 147, 171 = BStBl 1986 II, 745; BFH 168, 39 = BStBl 1992 II, 795; BFH/NV 1993, 356). Zu Einzelfällen > Rz 75 Rechtliche Verpflichtung.

Die Zwangsläufigkeit soll auch zu verneinen sein, wenn jemand durch schuldhaftes sozial inadäquates (sozialwidriges) Verhalten Aufwendungen verursacht, die bei sozial adäquatem Verhalten vermeidbar gewesen wären (Schmidt/Loschelder, § 33 EStG Rz 18); das geht zurück auf Offerhaus, der eine sozialethische Wertung fordert (NJW 1978, 1138). Das Kriterium des ‚Verschuldens’ eines Ereignisses ist uE zu verschwommen, um eine zuverlässige Abgrenzung zu schaffen. Die eigene Mitwirkung an der Entstehung der Belastung darf wohl nicht überbetont werden. Andere stellen auf eine missbräuchliche Anwendung von § 33 EStG ab (vgl zB HHR zu § 33 EStG Rz 186, 300).

 

Rz. 45

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Ist ein Schaden versicherbar, so führt der Nichtabschluss einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung dazu, die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen zu verneinen (BFH 175, 332 = B...

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