Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerabzug bei Vorteilsgewährung durch Dritte. Erkennbarkeit der Vorteilsgewährung für den Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zuwendungen Dritter gehören nur dann zum Arbeitslohn, wenn der Veranlassungszusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers eindeutig ist. Dies gilt umso mehr, wenn eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige Rechtsbeziehung (hier: Versicherungsvertrag) zwischen dem Dritten und dem Arbeitnehmer besteht.

2. Bei Gewährung verbilligten Versicherungsschutzes durch einen Dritten liegt Arbeitslohn vor, wenn die Möglichkeit, die günstigen Tarife in Anspruch zu nehmen, Gegenstand der Arbeitsverträge war. Das gilt auch dann, wenn die verbilligten Tarife den Arbeitnehmern zahlreicher Arbeitgeber oder sogar sämtlichen Beschäftigten der Versicherungsbranche eingeräumt wurden.

3. Ebenso wie die positive Kenntnis des Arbeitgebers von der Vorteilszuwendung durch Dritte muss sich grundsätzlich auch das „Erkennen können” auf eine konkrete Drittleistung innerhalb eines bestimmten Lohnzahlungszeitraumes beziehen.

4. Das Merkmal „Erkennen können” ist z. B. dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber – etwa durch den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder auf sonstige Weise – selbst an der Verschaffung der Vergünstigung mitgewirkt hat. Ebenso lassen sich Leistungen von Dritten für den Arbeitgeber in der Regel erkennen, wenn sie auf wechselseitigen Vorteilsgewährungen beruhen.

5. Ein Arbeitgeber kann sich auf eine fehlende Kenntnis konkreter Daten dann nicht berufen, wenn er sich bewusst in Unkenntnis lässt, obwohl sich ihm entsprechende Vorteilsgewährungen infolge seiner eigenen Einbindung aufdrängen.

 

Normenkette

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.04.2014; Aktenzeichen VI R 62/11)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin für Lohnsteuer (LSt), Solidaritätszuschlag (SolZ) zur LSt sowie für evangelische und römisch-katholische Kirchensteuer (KiSt) auf Tarifvorteile, die ihren Mitarbeitern von Dritten eingeräumt wurden, haftet.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG). Sie war im Streitjahr 2004 zu rund 9 % an der X AG (im Folgenden: X) und zu über 90 % an der Y AG (im Folgenden: Y) beteiligt. Die Y wiederum war im Streitjahr zu 25,5344 % an der Z AG (im Folgenden: Z) beteiligt.

Die Arbeitnehmer der Klägerin erhielten Produkte von Versicherungsunternehmen der X-Gruppe sowie Produkte der Z zu verbilligten Tarifen. Auf dieses Angebot wurden die Arbeitnehmer unter Punkt 9 „Soziale Leistungen” im Personalhandbuch der Klägerin (Bl. 157 f FG-Akte), auf das in den verwendeten Arbeitsverträgen unter Tz. 7 „Betriebliche Zusatzleistungen” Bezug genommen war, ausdrücklich hingewiesen. Die Klägerin unterwarf die gewährten Tarifvorteile nicht dem LSt-Abzug. Sie hat ihre Arbeitnehmer auch nicht darauf hingewiesen, dass die von einem Dritten gewährten Bezüge dem Arbeitgeber anzugeben sind.

Von Juli bis November 2005 fand bei der Klägerin eine LSt-Außenprüfung für den Zeitraum 01/2001 bis 12/2004 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Tarifvorteilen um echte Lohnzahlungen durch Dritte handele, die dem LSt-Abzug unterlägen. Weil die konkreten Tarifvorteile im Nachhinein nicht mehr zu ermitteln waren, schätzte der Prüfer die Bemessungsgrundlagen. Die LSt errechnet er anhand eines in Anlehnung an § 40 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelten pauschalen Bruttosteuersatzes. Auf das Streitjahr 2004 entfallen folgende Beträge:

X

Z

Zu versteuernder Betrag

388.412,00 EUR

1.460,00 EUR

Bruttosteuersatz

40,90 %

40,50 %

LSt

158.860,50 EUR

591,30 EUR

KiSt ev

2.058,83 EUR

7,66 EUR

KiSt rk

4.803,93 EUR

17,87 EUR

SolZ

8.737,32 EUR

32,52 EUR

Gesamt

174.460,58 EUR

649,35 EUR

Der Beklagte (das Finanzamt – FA) folgte der Auffassung des LSt-Außenprüfers und nahm die Klägerin mit Bescheid vom 23. 11. 2005 für LSt, SolZ zur LSt und für KiSt 2001 bis 2004 in Haftung. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 21. 12. 2005 Einspruch ein. Das FA gab dem Einspruch für die Jahre 2001 bis 2003 statt und änderte den Haftungsbescheid entsprechend (Bescheid vom 17. 12. 2007). Für das Jahr 2004 wies es den Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 19. 8. 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage von 18. 9. 2008, die die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die streitgegenständlichen Preisvorteile stellten schon keinen Arbeitslohn dar. Es fehle an einem hinreichenden Veranlassungszusammenhang zwischen der Arbeitsleistung der Mitarbeiter und den verbilligten Tarifen. Die Mitarbeiter hätten die Haustarife nicht als Frucht ihrer Arbeit für den Arbeitgeber, sondern als generellen Preisnachlass für Mitarbeiter der Versicherungsbranche angesehen. Der Preisnachlass sei kein rein...

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