Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeberbegriff bei Anwendung der sog. „183-Tage-Regelung” des DBA-Irland bei Arbeitnehmerverleih

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überlässt ein Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung in Irland (und ohne Betriebsstätte in Deutschland) gewerbsmäßig irische Arbeitnehmer für jeweils maximal 16 Wochen an deutsche Firmen, so hat die Bundesrepublik Deutschland nur dann das Besteuerungsrecht für die Arbeitslöhne, wenn die deutschen Firmen als „wirtschaftliche Arbeitgeber” im Sinne des DBA-Irland einzustufen sind.

2. Dass die Gehaltszahlungen des Arbeitnehmerverleihers an die Arbeitnehmer eigenständige Gehaltszahlungen und nicht nur Weitergabe von Gehaltszahlungen der inländischen Entleiher in Form von durchlaufenden Posten sind, wird vor allem dadurch deutlich, dass der Verleiher das Risiko eines Ausfalls seiner Forderungen gegen die Entleiher trägt und auch bei einem Ausfall den überlassenen Arbeitnehmern die geschuldeten Gehalter auszahlen muss.

3. Wirtschaftlicher Arbeitgeber ist derjenige Unternehmer, der die Vergütungen für die von ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, dass er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer auszahlt, sei es, dass ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorleistung tritt.

4. Der Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers im Sinne des Doppelbesteuerungsrechts ist nach dem Sinnzusammenhang des jeweiligen DBA und nicht durch Rückgriff auf das OECD-Musterabkommen bzw. den hierzu ergangenen Musterkommentar zu bestimmen.

 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; DBA IRL Art. XII Abs. 2 Buchst. A; DBA IRL Art. XII Abs. 2 Buchst. B; DBA IRL Art. II Abs. 3; DBA IRL Art. XII Abs. 2 Buchst. C; OECD-Musterabkommen Art. 15

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.12.2002; Aktenzeichen I R 96/01)

 

Tenor

1. Die angefochtenen Lohnsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2000 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde.

3. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Klägerin zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung von Lohnsteuer im Inland verpflichtet ist.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft irischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in …/Irland. Sie betreibt gewerbsmäßig die Überlassung von Arbeitnehmern (Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung an Dritte (Entleiher) und verleiht auch Arbeitnehmer an inländische Unternehmen. Die Klägerin besitzt die erforderliche Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Sie führt ihre Geschäfte ausschließlich in Irland und unterhält in der Bundesrepublik Deutschland keine Betriebsstätte.

Bei den an die deutschen Firmen überlassenen Arbeitnehmern handelt es sich um irische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Irland. Der Einsatz der Arbeitnehmer ist auf jeweils höchstens 16 Wochen begrenzt. Grundlage ist ein zwischen der Klägerin und den inländischen Entleihern geschlossener formularmäßiger Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag. Die Verträge unterhalten u. a. eine Regelung über die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung, den Austausch von Arbeitnehmern, das Direktionsrecht des inländischen Entleihers sowie die Haftung des Verleihers. Zur Vergütung ist bestimmt, dass sich diese aus den geleisteten Arbeitsstunden und dem jeweils maßgeblichen (im Einzelnen festgelegten) Stundensatz bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird beispielhaft auf den der Einspruchsentscheidung bzw. der Klageschrift beigefügten Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag verwiesen.

Die Klägerin beantragte beim zuständigen Finanzamt (FA) … für den streitigen Zeitraum die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung. Dies lehnte das FA ab. Dazu wies es darauf hin, dass die Klägerin gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als ausländischer Verleiher verpflichtet sei, den Steuerabzug vom Arbeitslohn der im Inland tätigen irischen Arbeitnehmer vorzunehmen. Das Besteuerungsrecht für die Arbeitslöhne stehe nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland (DBA-Irland) der Bundesrepublik zu.

Mit Ablehnung der Freistellungsbescheinigung forderte das FA … die Klägerin unter Fristsetzung auf, Lohnsteueranmeldungen einzureichen.

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, schätzte das FA … … die Besteuerungsgrundlagen. Dabei veranschlagte es die gezahlten Löhne mit 2/3 der von der Klägerin den inländischen Entleihern in Rechnung gestellten Vergütung.

Auf dieser Grundlage erließ das FA … gegen die Klägerin Lohnsteuerbescheide, denen der Vorbehalt der Nachprüfung beigefügt war. In der Anlage dazu legte das FA unter Bezugnahme auf Art. 8 des Musterkommentars (MK) zu Art. 15 des OECD-Musterabkommens (MA) dar, nach den dort aufgestellten Kriterien zur Bestimmung des Arbeitgeberbegriff...

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