Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall des Anrechnungsüberhangs aus § 35a EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer in Höhe des verfallenen Anrechnungsüberhangs aus § 35a EStG ist gesetzlich nicht vorgesehen und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 35a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2009; Aktenzeichen VI R 44/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten einerseits über die Zulässigkeit einer Klage für eine auf 0,– Euro lautende Steuerfestsetzung und der Sache nach über die Möglichkeit eines Vor- bzw. Rücktrags oder einer negativen Einkommensteuer aus der Vorschrift des § 35 a EStG.

Die Kläger sind Ehegatten und werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Rentner und bezieht Alterseinkünfte. Darüber hinaus ist er – in geringem Umfang – selbstständig tätig. Die Klägerin ist Hausfrau.

Im Streitjahr nahmen die Kläger für Renovierungsarbeiten umfängliche Handwerkerleistungen in Anspruch, aus denen sich letztlich Aufwand i.H.v. 3.046,– Euro errechnete. Für diesen Betrag wollten die Kläger die Ermäßigung nach § 35 a EStG in Höhe von 600 Euro in Anspruch nehmen. Eine steuerliche Auswirkung ergab sich jedoch deswegen nicht, weil aufgrund des zu versteuernden Einkommens der Kläger keine Einkommensteuer festzusetzen war.

Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20.06.2007 legten die Kläger Einspruch ein, der jedoch mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dagegen erhoben die Kläger die vorliegende Klage, mit der sie Folgendes geltend machen:

Sie seien entgegen der Auffassung des Beklagten beschwert, da ihnen nur weil sie Rentner bzw. Hausfrau mit geringem Einkommen seien, die Begünstigung des § 35 a EStG für bei in ihrem Haushalt durchgeführte Handwerkerleistungen versagt werde. Dies stelle eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG dar.

Es handele sich um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung, da es bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik gegeben habe. Die Kläger seien jedoch tatsächlich in ihren Rechten verletzt, da sich die ihnen tatsächlich entstandenen Aufwendungen für Handwerkerleistungen weder im Streitjahr steuermindernd auswirkten, noch sie diese vor- oder rücktragen könnten oder eine Erstattung möglich sei. Insoweit gehe ihnen diese Ermäßigung endgültig verloren. Diese Tatsache, dass ein nicht ausgeschöpfter Anrechnungsbetrag endgültig verloren gehe, ergebe sich aus der Ausgestaltung der Norm als Tarifermäßigung und stelle einen gesetzgeberischen konstruktiven Mangel dar, der der gesetzgeberischen Konstruktion zuwiderlaufe. Zudem sei dies in gleichheitsrechtlicher Hinsicht zweifelhaft. Es hänge letztlich von bloßen Zufälligkeiten der jeweiligen Abschnittsbesteuerung ab, ob sich dieser Betrag auswirke, ohne dass es dafür sachliche Rechtfertigungsgründe gebe. Dies führe überdies dazu, dass diejenigen, für die es keine Anrechnung gebe, sich letztlich für Schwarzarbeit entschieden, um zumindest über den Preis eine gewisse Kompensation zu erreichen.

Um diesen verfassungsrechtlichen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beseitigen, sei es geboten hinsichtlich des Anrechnungsüberhangs zu einer Steuererstattung zu kommen. Anderenfalls werde das Gesetzgebungsziel aufgrund der speziellen Einkommensermittlungsvorschriften nicht erreicht. Mindestens sei jedoch ein Rück- und Vortrag des Anrechnungsüberhangs, wie in der Norm des § 34 f EStG (§ 34 f Abs. 3 Satz 3 ff EStG) ehemals vorgesehen, verfassungsrechtlich geboten.

Die Kläger beantragen,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Ausgestaltung des § 35 a EStG in Fällen einer auf Null Euro lautenden Steuerfestsetzung verfassungskonform ist,

hilfsweise eine negative Einkommensteuer von 600 Euro festzusetzen,

hilfsweise einen vor- bzw. rücktragsfähigen Anrechnungsüberhang festzustellen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist dazu auf die fehlende Beschwer und die Tatsache, dass die Behandlung der Kläger durch das Finanzamt der geltenden Rechtslage des § 35 a EStG entspricht.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

Die Kläger sind gemäß § 40 Abs. 2 FGO beschwert. Grundsätzlich fehlt zwar bei auf Null Euro lautenden Steuerbescheiden regelmäßig die Beschwer (zuletzt: BFH-Beschluss vom 23. Februar 2007 VIII B 106/06, juris; vom 31. Januar 2007 X B 175/06, juris; beide jeweils m.w.N. sowie Nachweise in Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, § 40 Rz. 88).

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch dann geboten, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (vgl. Gräber/ von Groll, a.a.O.). So liegt es im Streitfall. Die Kläger sind für das Streitjahr 2006 durch die Einkommensteuerfestsetzung beschwert, da sie statt einer Einkommensteuerfestsetzung von „Null” die Festsetzung e...

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