Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Fahrtkosten bei Behinderten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eines Behinderten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 können nach den tatsächlichen Aufwendungen abgesetzt werden. Dies setzt aber voraus, dass es sich nicht um Fahrten handelt, bei denen zeitlich eine längere private Unterbrechung vorliegt oder ein großer Umweg gefahren wird.

2) Fahrten eines geh- und stehbehinderten Steuerpflichtigen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 (oder von mindestens 70 und Merkzeichen G) können neben den Pauschbeträgen dann als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, wenn sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden und angemessen sind. Im Allgemeinen kann ein Aufwand für Fahrten bis zu 3.000 km im Jahr als angemessen angesehen werden. Ein Aufwand für Fahrten von mehr als 15.000 km im Jahr liegt jedoch in aller Regel nicht mehr im Rahmen des Angemessenen.

 

Normenkette

LStR 1999 § 42 Abs. 7 S. 1; EStG 1999 § 33 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.05.2004; Aktenzeichen III B 171/03)

 

Tatbestand

Der Kläger ist geh- und stehbehindert. Auf seinem Schwerbehindertenausweis sind ein Behinderungsgrad von 90 v.H. sowie die Merkzeichen G und RF eingetragen. Er ist als Bürokaufmann nichtselbständig tätig. Seine Ehefrau übt den Beruf der Altenpflegerin aus. Für Fahrten mit dem Auto benutzte der Kläger seinen Pkw. Dies war im Streitjahr 1999 in der Zeit vom 1.01. bis zum 25.03. der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen A, ab 26.03. dann der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B. Für den letztgenannten Pkw betrugen die tatsächlichen Kfz-Kosten im Jahre 1999 nach einer Berechnung des Klägers vom 6.01.2000 1,34 DM/km. Der Kläger benutzte die Fahrzeuge sowohl für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als auch für andere Fahrten. An Arbeitstagen, an denen der Kläger morgens wegen Einnahme von Medikamenten zur Führung seines Fahrzeuges nicht in der Lage war, wurde er von seiner Ehefrau zur Arbeit gefahren und nach Dienstschluß von dort wieder abgeholt, wodurch sich dann zusätzlich zu der „Normalfahrt” (Hin- und Rückfahrt) zwei weitere „Leerfahrten” (Rück- und Hinfahrt) ergaben.

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1999 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Fahrten mit dem eigenen Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte neben den „Normalfahrten” zusätzliche „Leerfahrten” geltend. Nach diesen Angaben ergab sich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte folgende Fahrleistung:

1.) mit A

a) „Normalfahrten”

52 (Tage) × 14 km × 2 =

1.456 km

b) „Leerfahrten”

717 km

2. mit B

a) „Normalfahrten”

131 (Tage) × 14 km × 2 =

3.668 km

b) „Leerfahrten”

1.371 km

Summe 1) und 2)

7.212 km

davon: A

2.173 km

B

5.039 km

„Normalfahrten”

5.124 km

„Leerfahrten”

2.088 km

Für die Fahrten mit A gab er die Kosten pro Entfernungskilometer mit 1,04 DM an, für die Fahrten mit B mit 2,70 DM.

Bei den außergewöhnlichen Belastungen machte der Kläger in der Anlage „Außergewöhnliche Belastungen 1999” folgende Angaben zu Fahrtzweck und Kilometerleistungen:

1.)

mit A

a.)

„Fahrten wegen Behinderung”

1.730,5 km

b.)

Einkaufsfahrten/Fahrten zur Fußreflexzonenbehandlung/ Physikalische Behandlung/Ärzte

1.537,6 km

2.

mit B

a.)

„Kleine Privatfahrten”

5.393,7 km

b.)

Einkaufsfahrten/Fahrten zur Fußreflexzonenbehandlung/Physikalische Behandlung/REHA/Ärzte

13.795,7 km

Summe 1.) und 2.)

22.457,50 km

davon:

A

3.268,1 km

B

19.189,4 km

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Angaben betrug die steuerlich geltend gemachte Gesamtfahrleistung 29.669,5 km, davon 5.441,1 km mit A, 24.228,40 km mit B. Lt. Autokosten-Einzelnachweis des Klägers belief sich die Gesamtfahrleistung für das Fahrzeug B auf 22.164 km, für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 3.176, 2km. Nach der „Jahresübersicht” des Klägers (ohne „Normalfahrten” zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) betrug die Gesamtfahrleistung für beide Fahrzeuge 24.544,7 km, davon 3.984,5 km für A und 20.560,2 km für B. Nach den km-Angaben in den Fahrtenbüchern beträgt die Gesamtfahrleistung für A 4.679,50 km, für B 22.164 km, insgesamt demnach 26.843,5 km.

Bei seiner Einkommensteuerfestsetzung für 1999 mit Bescheid vom 30.03.2000 berücksichtigte der Beklagte die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit insgesamt 9.973 DM. Dabei ging er von folgenden Grundlagen aus:

Fahrzeug

Art d.Fahrt

Tage

einfache Entfernung

Kosten pro Entf.-km

A

Normalfahrt

52

14

104 Pfg.

A

Leerfahrt

48

14

104 Pfg

B

Normalfahrt

131

14

268 Pfg

B

Leerfahrt

96

14

268 Pfg

Ausgehend von diesen Werten ergaben sich für die einzelnen Fahrzeuge folgende bei den Werbungskosten berücksichtigte Fahrleistungen:

A:

Normalfahrten: 52 × 14 × 2 = 1.456 km

Leerfahrten 48 × 14 × 2 = 1.344 km

A insgesamt: 2.800 km

B:

Normalfahrten: 131 × 14 × 2 = 3.668 km

Leerfahrten 96 × 14 × 2 = 2.688 km

B insgesamt: 6.356 km

Summen A und B 9.156 km

Bei den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Fahrtaufwendungen schätzte ...

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