Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkung auf den Todesfall bei Einräumung eines Wohnungsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Räumt der Wohnungseigentümer dem Beschenkten unentgeltlich ein Wohnungsrecht (Mitnutzungsrecht) und für die Zeit nach seinem, des Wohnungseigentümers Ableben ein persönliches Wohnungsrecht ein und werden beide zu seinen Lebzeiten im Grundbuch eingetragen, so handelt es sich hinsichtlich des Wohnungsrechts um eine Schenkung auf den Todesfall.

 

Normenkette

AO § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2; BewG §§ 11, 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2; BGB §§ 2064, 2274, 2301; ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, §§ 7, 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1

 

Tatbestand

Es sind mehrere Verfahren im Zusammenhang mit der Besteuerung von unentgeltlichem Erwerb des Klägers anhängig, wobei es im vorliegenden Verfahren um den am 18. Januar 2022 geänderten Erbschaftsteuerbescheid geht.

1. Die 1948 geborene und am ... 2014 verstorbene Schwester des Klägers (Erblasserin) war alleinige Eigentümerin einer in Hamburg, X-Straße ..., EG rechts, belegenen und von ihr bewohnten Eigentumswohnung (ETW) mit einer Größe von 142 m².

  1. Sie erteilte dem Kläger am ... Mai 2006 eine notariell beurkundete, über den Tod hinaus wirksame Generalvollmacht.
  2. Aufgrund dieser Vollmacht gab der Kläger als Vertreter der Erblasserin am ... 2014 eine notariell beglaubigte Erklärung ab. Gegenstand der Erklärung war zum einen ein Wohnrecht für ihn, den Kläger, die ETW gemeinsam mit der Erblasserin zu bewohnen, und zum anderen ein Wohnungsrecht für ihn, die ETW nach dem Tod der Erblasserin unter Ausschluss des jeweiligen Eigentümers allein zu bewohnen. Die Rechte wurden unentgeltlich eingeräumt. Die Überlassung der Ausübung des Wohnrechts und des Wohnungsrechts wurde dem Kläger ausdrücklich nicht gestattet. Am ... 2014 wurden im Grundbuch der ETW in der zweiten Abteilung unter den Nummern 5 bzw. 6 das Wohnrecht bzw. das aufschiebend bedingte Wohnungsrecht eingetragen.
  3. Nach dem Tod der Erblasserin übertrug der Kläger das - mit dem Wohnungsrecht belastete - Eigentum an der ETW im Namen der Erblasserin als ihr Bevollmächtigter in einem notariellen Schenkungsvertrag vom ... 2014 auf seine Kinder A und B. Dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war, wurde nicht in die Kaufvertragsurkunde aufgenommen. Die Eintragung von A und B als Eigentümer erfolgte am ... 2015.
  4. Ein am ... September 2018 - nach Antrag eines Nachlassgläubigers - ausgestellter Erbschein (Amtsgericht Hamburg, Az.: xxx) wies den Kläger als Erben aus.

Das Amtsgericht Hamburg zog den Erbschein wegen Unrichtigkeit wieder ein, nachdem es am 29. September 2021 ein Testament vom 24. Februar 2014 eröffnet hatte, nach dem die Erblasserin drei Kinder des Klägers als Erben eingesetzt hatte (A, B und ein weiteres Kind). Das Testament enthält zugunsten des Klägers ein Vermächtnis über "ein lebenslanges Wohnrecht/Nießbrauchrecht" an der ETW.

2. Schenkungsteuerbescheid

Die notariell beglaubigte Urkunde vom ... 2014 erhielt der Beklagte, auf seine Anforderung hin, am 14. Februar 2019 von dem Notar.

Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin vergeblich zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf.

Für seinen am 4. Dezember 2019 erlassenen Schenkungsteuerbescheid (Steuernummer xxx-1) für den Erwerb des Wohnrechts zur Nutzung der ETW gemeinsam mit der Erblasserin schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO). Als Jahreswert des Wohnrechts setzte der Beklagte 6.000 € an. Mit einem aus dem Alter des Klägers (geboren am ... 1953) und dem Zeitpunkt der Schenkung abgeleiteten Vervielfältiger von 12,458 errechnete der Beklagte einen Wert des Wohnrechts in Höhe von 74.748 €. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 € (gemäß § 16 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG -) setzte der Beklagte die Schenkungsteuer auf 8.205 € fest.

Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2020 als unbegründet zurück. Klage wurde nicht erhoben.

3. Erbschaftsteuerbescheid

  1. Der Beklagte erhielt im Februar 2015 eine amtliche Mitteilung über den Sterbefall, die den Kläger als Auskunftsperson benannte. Der Beklagte forderte den Kläger erstmals am 17. Februar 2015 erfolglos zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf und erinnerte ihn am 14. Juli 2015, 15. September 2016, 9. Juni 2017, 5. November 2018 und am 11. Februar 2019, jeweils fruchtlos.
  2. Aufgrund des Erbscheins vom ... September 2018 erließ der Beklagte am 9. Dezember 2019 einen Erbschaftsteuerbescheid gegenüber dem Kläger als Erben (Steuernummer xxx-2). Die Besteuerungsgrundlagen schätzte der Beklagte gemäß § 162 AO. Als Besitzposten setzte der Beklagte im Wesentlichen die ETW mit dem Wert von 555.943 € an, der in einem am 28. Februar 2019 zum Zweck der Erbschaftsteuer erlassenen Bescheid festgestellt worden war, ein Bankguthaben von ca. 5.000 € und als Schuldposten das Wohnrecht des Klägers. Unter Berücksichtigung des Vorerwerbs von 74.748 € und ...

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