Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsichtsrecht im Besteuerungsverfahren: Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung – Vorrang der speziellen Negativregelung der AO gegenüber dem IFG NRW – Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber einem im Prüfungszeitraum nicht durchgehend beteiligten GbR-Gesellschafter – Berechtigtes Interesse nach bestandskräftigem Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens steht dem Steuerpflichtigen nur ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde über seinen Antrag auf Akteneinsicht zu.
  2. Die allgemeinen Regelungen der Datenschutzgesetze bzw. der Informationsfreiheitsgesetze treten hinter diese spezielle Negativregelung der AO zurück.
  3. Es ist nicht ermessenswidrig, wenn das FA den Antrag eines GbR-Gesellschafters auf Einsichtnahme in die eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GbR betreffenden Akten im Hinblick auf das Steuergeheimnis und mangels berechtigten Interesses ablehnt, weil die Prüfung überwiegend Zeiträume umfasst, in denen der Antragsteller noch nicht Gesellschafter war, und nach dessen Eintritt sowohl die Prüfungsanordnung als auch der aufgrund der Prüfung ergangene bestandskräftige Nachforderungsbescheid gegenüber dem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben worden sind.
 

Normenkette

AO §§ 30, 91 Abs. 1, § 364; FGO § 102; IFG NRW § 4 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.12.2016; Aktenzeichen VI B 37/16)

 

Tatbestand

Die Klägerin war vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 Mitgesellschafterin der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft A, firmierend mit „B”. Weit hj,bjhere Gesellschafter waren Frau C sowie der am 13.01.2014 verstorbene D. Im Jahr 2014 führte das beklagte Finanzamt bei der Gesellschaft eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2014 durch. Der Prüfungsbericht datiert vom 17.04.2014. Der aufgrund der Prüfung erlassene Nachforderungs bescheid vom 24.04.2014 wurde der empfangsbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft der Gemeinschaft bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 11.03.2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Akteneinsicht in die Akte betreffend die Lohnsteueraußenprüfung. Am 19.03.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Lohnsteueraußenprüfung beträfe auch Zeiträume, in denen die Klägerin keine Gesellschafterin gewesen sei. Akteneinsicht sei im Hinblick auf § 30 AO abzulehnen. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte am 09.08.2015 die Anberaumung eines Erörterungstermins nach § 364 a AO. Nach mehreren telefonischen Nachfragen der Klägerin übersandte der Beklagte ihr per Telefax vom 01.09.2015 die an ihren Bevollmächtigten adressierte Einspruchsentscheidung. Der Beklagte führte aus, der Klägerin stehe ein Recht auf Akteneinsicht in die Prüfungsanordnung, den Prüfungsbericht und das Protokoll der Prüfungsbesprechung nicht zu. Ihrem Antrag auf Erörterung sei nicht stattzugeben. Die Klägerin sei an der GbR vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 beteiligt gewesen. Sie sei damit zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Beteiligte des Verfahrens gewesen. Einwendungen gegen den Erlass der Prüfungsanordnung könne die Klägerin nicht mehr geltend machen. Die mit der Prüfungsanordnung angekündigte Lohnsteueraußenprüfung sei bereits durchgeführt. Die sich aus der Prüfung ergebenden Lohnsteuernachforderungen seien bestandskräftig festgesetzt. Damit bestehe kein berechtigtes Interesse der Klägerin auf Einsicht in die Prüfungsanordnung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsberichtes sei die Klägerin nicht mehr am Verfahren beteiligt gewesen. Der Prüfungsbericht sei an die GbR gerichtet und sei am 28.04.2014 nach dem Austritt der Einspruchsführerin bekannt gegeben worden. Ein Protokoll über die Schlussbesprechung sei nicht gefertigt worden.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin trägt vor:

Sie sei aus der Pathologie…wegen eines Zerwürfnisses mit Frau C ausgeschieden. Hintergrund sei, dass der Steuerberater der Gesellschaft, das Steuerbüro…in ..., die Gesellschafterin C bevorzugt informiert habe und allein in deren Interesse tätig gewesen sei. Missstände in der Buchhaltung seien nicht abgestellt worden, erhebliche Vorgänge seien vor der Klägerin geheim gehalten worden. So habe der Steuerberater…den Jahresabschluss für 2013 zu dem die Klägerin wegen erheblicher steuerlicher Falschinformationen und Falschbuchungen die Unterschrift verweigert habe, ohne und gegen den Willen der Klägerin gleichwohl beim Finanzamt eingereicht. Von der Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2014 habe die Klägerin keinerlei Kenntnis gehabt. Erst während des Überreichens des Entwurfs des Jahresabschlusses 2013 im Mai 2014 sei der Klägerin nebenbei mitgeteilt worden, dass es eine Lohnsteueraußenprüfung gegeben habe. Der Klägerin lägen bis heute weder der Bescheid über die Anordnung der Lohnsteueraußenprüfung vor noch das Protokoll der Schlussbesprechung noch Informationen darüber, was geprüft worden sei, noch Informationen darüber, wer...

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