Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Berücksichtigung einer zivilrechtlich nicht formwirksamen Übertragung eines Aktienpakets als Mitarbeiterbeteiligung. Aktienübertragung als Scheingeschäft. spätere Rückabwicklung der Aktienübertragung kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Bewertung nicht börsengehandelter Aktien nach § 19a Abs. 2 EStG 2002

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn die Übertragung eines Aktienpakets der Arbeitgeberin, einer AG, an einen leitenden Angestellten als Mitarbeiterbeteiligung infolge Verstoßes gegen § 112 AktG nicht zivilrechtlich formwirksam erfolgt sein sollte, ist sie nach § 41 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis der Anteilsübertragung auf den Angestellten eintreten und jahrelang bestehen lassen haben (im Streitfall: Mitteilung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer per E-Mail, er sei nunmehr Inhaber der Aktien; Eintragung ins Aktienregister).

2. Wird ein Teil des Aktienpakets einem – von einem Angehörigen des leitenden Angestellten gehaltenen – ausländischen Unternehmen übertragen und insoweit eine Treuhandschaft des leitenden Angestellten behauptet, ist insoweit von einem Scheingeschäft auszugehen, wenn u.a. im Aktienregister nur der leitende Angestellte als Inhaber der Aktien ausgewiesen wird und er bei späteren Verkaufsverhandlungen der Aktien keinen Unterschied zwischen vermeintlich treuhänderisch und selbst gehaltenen Aktien macht.

3. Wird die Aktienübertragung, die bei dem leitenden Angestellten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn geführt hat, einige Jahre später rückabgewickelt, liegt insoweit kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO vor. Bei Einkunftsarten, deren steuerliches Ergebnis laufend zu ermitteln ist – wozu auch die Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehören – scheidet ein rückwirkendes Ereignis von vornherein aus.

4. Als Mitarbeiterbeteiligung überlassene, nicht börsengehandelte Aktien, die nur im freien Markt gehandelt wurden, sind nicht nach § 19a Abs. 2 S. 2 bis 4 EStG 2002 bzw. § 11 Abs. 1 BewG, sondern gem. § 19a Abs. 2 S. 1 EStG mit dem gemeinen Wert im Zuflusszeitpunkt (§ 11 Abs. 2 S. 1 und 2, § 9 Abs. 2 S. 1 BewG) zu bewerten.

 

Normenkette

EStG 2002 § 19a Abs. 1, 2 Sätze 1-3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 2 S. 1, § 11 Abs. 1; AO § 41 Abs. 1-2, §§ 39, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BewG § 9 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 2 Sätze 1-2; AktG § 112

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.08.2020; Aktenzeichen VI R 6/18)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten dem Grunde wie der Höhe nach darum, ob der Kläger Aktien als Beteiligungsrechte an seinem Arbeitgeber in den Jahren 2006 und 2007 als Sachbezüge im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19a Abs. 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz –EStG– zu versteuern hat.

1. Der Kläger war seit 1998 leitender Angestellter (u.a. Prokurist) zunächst der X… GmbH, später – nach deren Umwandlung – der X… AG (nachfolgend X…). Das von dem späteren Vorstandsvorsitzenden der X…, Herrn C…, gegründete Unternehmen, verfolgte die Idee, medizinische Einweginstrumente nach amerikanischem Vorbild wieder aufzubereiten und einer erneuten Verwendung zugänglich zu machen. Im Lauf der Zeit entwickelte sich X… zu einem medizintechnischen Dienstleistungsunternehmen.

Die unternehmensprägende Mitarbeit des Klägers bereits während der Gründungs- und Aufbauphase sollte – neben einer Gehaltszahlung – auch durch Übertragung von X…-Aktien erfolgen.

2. Nachdem der Kläger in 2005 auf die Einhaltung dieser Zusage drängte, kam er mit seiner Arbeitgeberin überein, dass diese statt der versprochenen Mitarbeiterbeteiligung 28.000 eigene Aktien auf das iranische Unternehmen Y… überträgt, das einem Verwandten des Klägers gehörte. Hierzu wurde unter dem 01.12.2006 ein „Kooperationsvertrag” mit der Y… geschlossen, wonach diese als Gegenleistung für die Zuwendung der Aktien den iranischen Markt erschließen sollte. Die Y… erklärte sodann mit Schreiben vom 31.07.2007 gegenüber der X…, dass sie den Kläger bevollmächtigt habe, die Aktionärsrechte treuhänderisch für sie wahrzunehmen. Im Aktienregister der Arbeitgeberin wurde Anfang 2007 vermerkt: „56 B…, 28.000 Aktien, 0,15 %, Abtretung gemäß Kooperation Y…”.

3. In einer dem Gericht vorliegenden E-Mail vom 17.08.2007 (09:30 Uhr) bestätigte der damalige Syndikus der X…, Herr D…, dem Kläger im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden C…, dass er, der Kläger, derzeit einen Bestand von 28.000 Aktien halte. Wegen der verbleibenden 22.000 Stückaktien werde um Rücksprache gebeten.

Mit weiterer e-mail vom 17.08.2007 (19:49 Uhr) teilte die Assistentin der Rechtsabteilung, E…, dem Kläger im Auftrag des Syndikus D… mit, dass er nunmehr 50.000 Stückaktien an der X… halte. Eine korrigierte Stimmkarte werde ihm am Tag der Hauptversammlung übergeben werden.

In einem Aufsichtsratsprotokoll vom 27.08.2007 ist festgehalten: „…Herr F… berichtet dann über ...

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