rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliches Arbeitszimmer einer Oberamtsanwältin mit einem für die meisten anfallenden Tätigkeiten, nicht aber für nächtliche bzw. an den Wochenenden geleistete Bereitschaftsdienste in der Behörde zur Verfügung stehenden „anderen Arbeitsplatz”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verfügt eine Oberamtsanwältin in den Büroräumen der Amtsanwaltschaft untertags über einen Arbeitsplatz, der ihr jedoch abends, nachts und an den Wochenenden nicht zur Verfügung steht, muss sie unter anderem nachts sowie an Wochenenden telefonische Bereitschaftsdienste leisten und und führt sie diese Bereitschaftsdienste in einem häuslichen Arbeitszimmer durch, so steht ihr infolge dieser Bereitschaftsdienste in Höhe von 1.250,00 EUR ein Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zu. Das gilt ungeachtet dessen, dass ohne die Bereitschaftsdienste infolge des in der Behörde untertags zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes die Aufwendungen nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG abzugsfähig wären, dass die Nacht- bzw. Wochenendbereitschaftsdienste nur einen geringen Teil der Arbeitsleistung der Oberamtsanwältin ausmachen (im Streitjahr: bei 239 Arbeitstagen unter 2 %) und dass sie nicht zwingend in einem häuslichen Arbeitszimmer vorgenommen werden müssten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 5 S. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1, Sätze 2-3

 

Tenor

Abweichend von dem Bescheid über Einkommensteuer 2017 vom 03.04.2018 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.06.2018 wird die Einkommensteuer 2017 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 1.250,00 EUR bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit festgesetzt. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung –FGO– dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Streitjahr ein Werbungskostenabzug in Höhe von 1.250,00 EUR für Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zusteht.

Die Kläger sind seit Mitte des Jahres 2017 verheiratet und werden im Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Klägerin war zuvor und im Streitjahr als Oberamtsanwältin bei der Amtsanwaltschaft C… tätig. Daraus erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Für das Jahr 2016 und zuvor wurde die Klägerin beim Finanzamt D… zur Steuernummer … veranlagt. In einem Fragebogen betreffend die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers erklärte die Klägerin zur Frage 1, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt ihrer gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bilde. Unter Frage 2 erklärte sie, dass für die berufliche oder betriebliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz als das häusliche Arbeitszimmer zur Verfügung stehe. Sie gab die Wohnungsgröße mit 90 m², die Größe des Arbeitszimmers mit 10 m² sowie die Miete einschließlich Nebenkosten mit 990,00 EUR/Monat und 11.880,00 EUR/Jahr an. Daraus errechnete sich ein Anteil des Arbeitszimmers von 11 % und 1.320,00 EUR Gesamtaufwendungen pro Jahr. Dem Fragebogen war eine Grundrisszeichnung eines teilunterkellerten Reihenmittelhauses mit einer Gesamtwohnfläche nach DIN 283 von 89,54 m² beigefügt, auf dem das Arbeitszimmer nicht eingezeichnet ist. Im Obergeschoss liegen zwei Kinderzimmer mit 9,67 m² und 8,22 m² Fläche. Als Adresse ist angegeben C…, E…-straße. Einen solchen Fragebogen reichte die Klägerin auch für das Streitjahr ein. Die Angaben unterschieden sich nur in der Personenanzahl (nunmehr 2) und in der Steuernummer. Wegen der Einzelheiten der Fragebögen wird auf Blatt 20 bis 24 der Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte verwiesen.

Die Kläger reichten ihre Einkommensteuererklärung 2017 am 05.03.2018 elektronisch beim Beklagten ein. Sie erklärten unter anderem Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als Oberamtsanwältin. Sie begehrten den Abzug von Aufwendungen in Höhe von 1.250,00 EUR für ein häusliches Arbeitszimmer. Darüber hinaus erklärten sie, dass die Klägerin die Amtsanwaltschaft C… in der F…-straße, C… an 239 Tagen aufgesucht habe (einfache Entfernung 23 km, 5-Tage-Woche, 30 Urlaubs- und Krankheitstage).

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2017 mit Bescheid vom 03.04.2018 abweichend von der Steuererklärung ohne Berücksichtigung von Werbungskosten für Aufwendungen für ein Arbeitszimmer bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit fest, weil dieses nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bilde und für die Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger eine handgefertigte Gru...

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