Entscheidungsstichwort (Thema)

Zolltarifbegünstigung für Zuchtrinder

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Voraussetzungen der Zolltarif begünstigung für Einfuhren von Zuchtrindern nach Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Zolltarifrecht.

2. Ein Vorläufigkeitsvermerk kann nicht stillschweigend aufgehoben werden.

3. Zur zulassungsfreien Revision in Zoll tarifsachen.

 

Normenkette

KN Unterpos. 0102 1000; ZTVO § 1-Anlage; AO 1977 § 165 Abs. 1-2; FGO § 116 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ im Oktober und November 1990 bei einer Dienststelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt -- HZA --) je 30 lebende Rinder, "reinrassige Zuchttiere, nach näherer Anordnung des Bundesministers der Finanzen, mit einem Gewicht von mehr als 220 kg (Fleckvieh)," der Code nummer 0102 1000 4000 des Deutschen Gebrauchszolltarifs -- DGebrZT -- (Unterposition 0102 1000 der Kombinierten Nomenklatur -- KN --) zum freien Verkehr abfertigen. Die Zollfreistellungen erfolgten vorläufig; die Klägerin wurde aufgefordert, die Warenrechnung und den Abstammungsnachweis vorzulegen und Namen und Anschrift des Züchters anzugeben (zum ersten Zollbescheid) bzw. eine Bescheinigung der zuständigen amtlich anerkannten Züchtervereinigung oder des zuständigen amtlich anerkannten Zuchtunternehmens vorzulegen (zum zweiten Zollbescheid). Da dies nicht erfolgte, wurde die Klägerin unter dem 25. Juli 1991 um Einreichung der vorbezeichneten Bescheinigungen der Züchtervereinigung ... gebeten. Die Klägerin reichte hierauf Abstammungs- und Leistungsnachweise sowie die dazugehörigen Gesundheitsbescheinigungen ein (Schreiben vom 23. August 1991). Nachdem bei einer Einfuhrhandelsprüfung im Jahre 1991 das Fehlen der erforderlichen Bescheinigungen festgestellt worden war, verlangte die Abfertigungszollstelle von der Klägerin Bescheinigungen der zuständigen landwirtschaftlichen Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Dienststelle und der Züchtervereinigung bzw. des Zuchtunternehmens, daß die Einfuhr der Zuchttiere der Förderung der tierischen Erzeugung gedient habe und daß die Tiere im Zuchtbuch ein getragen worden seien oder eingetragen würden (10. April 1992). Da dieser Aufforderung nicht entsprochen wurde, reihte das HZA die Tiere durch Steueränderungsbescheid vom ... Mai 1993 als zoll- und abschöpfungspflichtige Nutztiere -- Kühe -- der Unterposition 0102 9033 KN ein und erhob die entsprechenden Abgaben.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, nach der Zolltarifverordnung (ZTVO) sei Zollfreiheit nur bei Vorlage der dort vorgesehenen Bescheinigung der zuständigen obersten landwirtschaftlichen Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Dienststelle gegeben. Entsprechende Bescheinigungen fehlten; die Klägerin habe noch nicht einmal die für die Ausstellung dieser Papiere erforderlichen Voraussetzungen geschaffen. Ein Vertrauenstatbestand, auf den die Klägerin sich berufen könnte, liege nicht vor. Die Abfertigungszollstelle habe nicht zu erkennen gegeben, daß die von der Klägerin -- erst nachträglich -- vorgelegten Unterlagen ausreichten; sie habe vielmehr, ohne die vorläufig ergangenen Bescheide für endgültig zu erklären, eine Überprüfung eingeleitet und die fehlenden Bescheinigungen angefordert. Die Klägerin habe auch nicht darlegen können, daß sie aufgrund des Verhaltens der Zollbehörde die für die Zollbefreiung erforderlichen Bescheinigungen nicht mehr hätte nachreichen können. Es sei unerklärlich, weshalb Nachweise über die Eintragung in das Zuchtbuch nicht hätten vorgelegt werden können (falls es sich, was dem FG aufgrund der Sach kunde seiner ehrenamtlichen Beisitzer nach Alter und Wiederverkaufspreis der Tiere unglaubhaft erscheine, überhaupt um Zuchtrinder gehandelt habe).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie trägt vor, allein das Fehlen der Bescheinigungen rechtfertige es nicht, die Zollfreiheit zu versagen, entscheidend sei, daß die materiellen Voraussetzungen dafür vorlägen (hier: Abstammungsnachweise). Soweit das FG die Zuchttiereigenschaft bezweifelt habe, habe es die Sachkunde seiner Beisitzer nicht begründet, die Abstammungsnachweise nicht beachtet und eine weitere Aufklärung unterlassen. Für die Ausstellung der Bescheinigungen müßten die Tiere in Augenschein genommen werden, was infolge Weiterveräußerung nachträglich nicht möglich gewesen sei. Im übrigen habe das FG zu Unrecht Vertrauensschutz verneint. Die Abfertigungszollstelle habe die mit Schreiben vom 23. August 1991 eingereichten Unterlagen -- zunächst -- selbst als aus reichend angesehen. Sie -- die Klägerin -- sei seinerzeit in der Abwicklung einschlägiger Geschäfte unerfahren gewesen und habe den zollamtlichen Irrtum nicht erkennen können. Nach den vorliegenden Umständen müsse davon ausgegangen werden, daß die Vorläufigkeit nach Einreichung der Unterlagen mit Schreiben vom 23. August 1991 stillschweigend aufgehoben worden sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft. Da die Vorinstanz auch über die zolltarifliche Einordnung der eingeführten Tiere entschieden hat, liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache vor (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Daß die zolltarifliche Einreihung sich letztlich nach Vorschriften des innerstaatlichen Zolltarifrechts bestimmt -- nachstehend Nr. 2. a --, spielt hierbei keine Rolle (hierzu Senat, Beschluß vom 14. Mai 1986 VII B 25/86, BFHE 146, 312).

2. Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die der Abgabenerhebung zugrundeliegende Tarifaufassung zutrifft und daß Rechtsgründe der Erhebung nicht entgegenstehen.

a) Die Voraussetzungen für eine Einreihung der eingeführten Tiere in die Unterposition 0102 1000 KN (damalige Codenummer 0102 1000 4000 DGebrZT) sind nicht erfüllt.

Nach der Fußnote zu Unterposition 0102 1000 KN, die als Bestandteil der Zolltarifnorm anzusehen ist (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Juni 1973 Rs 80/72, EuGHE 1973, 635, 651), erfolgt die Zulassung zu dieser Unterposition -- lebende reinrassige Zuchtrinder (Zollsatz: frei) -- nach den in den einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen festgesetzten Voraussetzungen. Erforderlich ist eine im Ausfuhrstaat ausgestellte besondere Bescheinigung; ohne ihre Vorlage wird die -- nicht verwendungsgebundene -- Abgabenbegünstigung nicht gewährt (Lux in Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F II 1 Rz. 114, 116). Nähere Bestimmungen sind, jedenfalls für Zuchtrinder-Einfuhren zum zollrechtlich unbeschränkten freien Verkehr im Jahre 1990, durch Gemeinschaftsrechtsnorm nicht getroffen worden (vgl. den zweiten und den vorletzten Erwägungsgrund der erst später erlassenen Verordnung (EWG) Nr. 2342/92 der Kommission vom 7. August 1992 über die Einfuhr von reinrassigen Zuchtrindern aus Drittländern ... , Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- L 320/31). Indessen besagen die zolltarif lichen Erläuterungen (zu Position 0102 -- Harmonisiertes System -- Rz. 10.0), daß als reinrassige Zuchttiere nur Zuchttiere gelten, die von den zuständigen nationalen Behörden als reinrassig anerkannt werden. Damit wird auf das innerstaatliche Zoll tarifrecht verwiesen (vgl. Lux, a. a. O., B/21 Rz. 32; Begründung zur ZTVO, Bundeszollblatt 1968, 1329; zu den notwen digen nationalen Ergänzungen des zolltariflichen Gemeinschaftsrechts Senat, Urteil vom 24. September 1991 VII R 49/89, BFHE 167, 244, 249). Die einschlägigen Vorschriften sind in der Anlage zu § 1 ZTVO (hier in der Fassung der Verordnung vom 8. Februar 1988, BGBl II 1988, 173) enthalten. Nach der in ihnen getroffenen näheren "Anordnung des Bundesministers der Finanzen" -- Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsvorschrift -- ist das Zuchttier zollfrei, wenn der Zollbeteiligte eine Bescheinigung der zuständigen obersten landwirtschaftlichen Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Dienststelle vorlegt, wonach die Einfuhr des Zuchttiers der Förderung der tierischen Erzeugung dient und der Behörde bestimmte Unterlagen vorgelegen haben (Abstammungs- und Leistungsnachweis des Lieferlandes; Bescheinigung hinsichtlich der Eintragung in das Zuchtbuch). Entsprechende Bescheinigungen hat die Klägerin weder bei den Zollabfer tigungen noch später eingereicht. Die Abstammungsnachweise allein genügen nicht; ihr Vorliegen ist nur eines der Er fordernisse für die Ausstellung der maß gebenden Bescheinigungen, deren Vorlage materiell-rechtliche Voraussetzung der Abgabenfreiheit ist. Gleiches gilt für die Nachweise der Zuchtbucheintragung. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobene Rüge, das FG habe seine diesbezügliche Sachkunde nicht ausreichend begründet, geht fehl, weil die Vorentscheidung nicht auf den in ihr aufgrund der Sachkunde der Beisitzer geäußerten Zweifeln an der Zuchttiereigenschaft der Rinder beruht. Wie ausgeführt, beruht sie vielmehr darauf, daß die erforderlichen landwirtschaftsbehördlichen Bescheinigungen nicht vorgelegt wurden.

b) Mangels Erfüllung der für die Anwendung der Unterposition 0102 1000 erforderlichen Voraussetzungen waren die Tiere entsprechend ihrer Beschaffenheit der Unterposition 0102 9033 zuzuweisen, mit der Folge, daß die entsprechenden Abgaben zu erheben waren. Die Nichtvorlage der notwendigen Bescheinigungen geht zu Lasten der Klägerin; sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr die Vorlage, die normalerweise schon bei den Abfertigungen hätte erfolgen sollen, nachträglich nicht mehr möglich sei. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 -- Nacherhebung -- (ABlEG L 197/1) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der angefochtene "Steueränderungsbescheid" die erstmalige Festsetzung von Abgaben zum Gegenstand hat (BFHE 167, 244, 246). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine stillschweigende Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks -- § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) --, der sich in beiden Einfuhrfällen auf die für die Anerkennung der Zuchttiereigenschaft erforderlichen Nachweise bezog, ausgeschlossen (Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. September 1988 III R 191/84, BFHE 154, 430, 432, BStBl II 1989, 9). Bereits im Hinblick auf die hiernach bis zur Abgabenfestsetzung (§ 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) dauernde Vorläufigkeit der Zoll- und Abschöpfungsfreistellungen steht der Klägerin Vertrauensschutz nicht zu. Auch sonstige Gesichtspunkte vermögen einen Anspruch auf Vertrauensschutz nicht zu rechtfertigen. Dies hat das FG aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, die den Senat mangels durchgreifender Verfahrens rügen binden (§ 118 Abs. 2 FGO), mit zutreffenden Erwägungen entschieden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 1108

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