Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung regelmäßig nicht schenkungsteuerbar
Leitsatz (amtlich)
Unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung sind regelmäßig keine freigebigen Zuwendungen i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1; EinigVtr Art. 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kreishandwerkerschaft im Beitrittsgebiet, erhielt im Jahr 1992 von der für sie als Aufsichtsbehörde zuständigen Handwerkskammer … unentgeltlich Teile eines Grundstücks übertragen, auf dem sie ihren Sitz hatte und das früher von einer Kreisgeschäftsstelle der Handwerkskammer des Bezirkes … genutzt worden war.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte für die Grundstücksübertragung Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1539 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 15 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Diese Vorschrift gelte zwar nach dem Wortlaut nicht für sie, sei aber im Hinblick auf die Neuordnung der Verwaltungsorganisation der Berufskammern im Beitrittsgebiet entsprechend anzuwenden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Schenkungsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat die Schenkungsteuerbarkeit der Grundstücksübertragung zu Unrecht bejaht.
1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung fallen nicht unter diese Vorschrift, sie erfolgen regelmäßig nicht freigebig. Aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ―GG―), darunter auch an die jeweils maßgebenden haushaltsrechtlichen Vorschriften, ist im Regelfall anzunehmen, dass Träger öffentlicher Verwaltung in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und somit nicht freigebig handeln. Vermögensübertragungen steht regelmäßig die Erfüllung der den Trägern öffentlicher Verwaltung obliegenden Aufgaben gegenüber. Nur wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig überschreitet, kommt eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Ein Anspruch des begünstigten Verwaltungsträgers auf eine unentgeltliche Vermögensübertragung ist nicht erforderlich, um die Freigebigkeit der Zuwendung auszuschließen. Entscheidend ist nur die Verknüpfung der Vermögensübertragung mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die auch im Ermessen der zuwendenden Stelle liegen kann. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Bei der vertraglich vereinbarten Grundstücksübertragung zwischen der Handwerkskammer und der Klägerin handelt es sich nicht um eine freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Sowohl die Handwerkskammer als auch die Klägerin sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 90 Abs. 1 Halbsatz 2 und § 89 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 53 Satz 1 der Handwerksordnung ―HwO―) Teil und Träger staatlicher Verwaltung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 17. März 1992 1 C 31.89, BVerwGE 90, 88 zu Innungen). Die Handwerkskammer hat bei der unentgeltlichen Grundstücksübertragung an die Klägerin nicht außerhalb des Rahmens der ihr obliegenden Aufgaben gehandelt. Es gehört zwar nicht zu den durch die Handwerksordnung bestimmten Aufgaben der Handwerkskammern, den von ihnen beaufsichtigten Kreishandwerkerschaften die Grundstücke unentgeltlich zu Eigentum zu übertragen, auf denen diese ihren Sitz haben. Die Eigentumsübertragung erfolgte aber im Rahmen der gesetzlich angeordneten Neuorganisation der Berufskammern im Beitrittsgebiet nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands.
In der DDR gab es zwar die Handwerkskammern der Bezirke, die juristische Personen waren (§ 8 Abs. 1 des Statuts der Handwerkskammern der Bezirke, Anlage zur Verordnung über das Statut der Handwerkskammern der Bezirke vom 21. Februar 1973, Gesetzblatt der DDR ―GBl DDR― 1973, 126), aber keine Innungen und Kreishandwerkerschaften. Die bundesdeutsche Handwerksordnung wurde durch das Gesetz vom 12. Juli 1990 (GBl DDR 1990, 707) in der DDR in Kraft gesetzt. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes waren die bei seinem In-Kraft-Treten in der DDR bestehenden handwerklichen Organisationen den Bestimmungen der Handwerksordnung entsprechend bis 31. Dezember 1991 umzubilden; bis dahin galten sie als Organisationen im Sinne der Handwerksordnung. Entsprechende Vorschriften enthält der Einigungsvertrag (EinigVtr) in Anlage I Kap. V Sachgeb. B Abschn. III Nr. 1 Buchst. f Satz 1. Danach waren auch die in §§ 86 ff. HwO vorgeschriebenen Kreishandwerkerschaften neu zu bilden. Im Hinblick darauf lag es nicht außerhalb der ermessensgerechten Wahrnehmung der Aufgaben der Handwerkskammern im Beitrittsgebiet, den Kreishandwerkerschaften die Grundstücke, die früher von den Kreisgeschäftsstellen der Handwerkskammern der Bezirke (vgl. § 9 des Statuts der Handwerkskammern der Bezirke) genutzt worden waren und auf denen nunmehr die neu gegründeten Kreishandwerkerschaften ihren Sitz hatten, zu Eigentum zu übertragen.
Dies wird durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EinigVtr bestätigt. Nach diesen Vorschriften wurde das Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente (Verwaltungsvermögen), Bundesvermögen, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung am 1. Oktober 1989 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen sind. Soweit Verwaltungsvermögen danach nicht Bundesvermögen wurde, stand es mit Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr) demjenigen Träger öffentlicher Verwaltung zu, der nach dem Grundgesetz für die Verwaltungsaufgabe zuständig ist. Hierbei handelte es sich um einen Eigentumsübergang kraft Gesetzes (BVerwG-Urteile vom 3. August 2000 3 C 29.99, BVerwGE 111, 349, und vom 19. Oktober 2000 3 C 33.99, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 111, Art. 21 EV Nr. 42). Diese Regelungen beruhen auf dem Gedanken, dass das Verwaltungsvermögen demjenigen Verwaltungsträger zustehen soll, der auch die entsprechende Aufgabe zu erfüllen hat (BVerwG-Urteil vom 14. Dezember 2000 4 C 13.99, BVerwGE 112, 274).
Da die Klägerin am Stichtag 3. Oktober 1990 noch nicht bestand, konnte das Grundstück, auf dem sie später ihren Sitz nahm, nicht aufgrund Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EinigVtr auf sie übergehen. Es entspricht aber der Zielsetzung dieser Regelungen, dass sie nach ihrer Gründung das Grundstück von der Handwerkskammer unentgeltlich übertragen erhalten hat. Aufgrund dieser Übertragung entsprechen sich nunmehr die Zuordnung der Aufgaben und des für deren Wahrnehmung genutzten Grundstücks.
Fundstellen
Haufe-Index 1330583 |
BFH/NV 2005, 784 |
BStBl II 2005, 311 |
BFHE 208, 426 |
BB 2005, 818 |
DB 2005, 1042 |
DStRE 2005, 594 |
DStZ 2005, 247 |
HFR 2005, 438 |