Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung nur bei Darstellung des konkreten Geschehensablaufs

 

Leitsatz (NV)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die rechtzeitige Absendung der Revisionsbegründung lediglich behauptet und nicht glaubhaft gemacht wird. Beschränken sich die Ausführungen des Finanzamts darauf, darzulegen, wie im allgemeinen auf der Poststelle gearbeitet wird, und daß so auch am Tage X verfahren worden sei, so reicht dies zur Glaubhaftmachung der Absendung der Revisionsbegründung an diesem Tag nicht aus. Hierzu hätte es der Vorlage präsenter Beweismittel bedurft (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1993 VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616 m. w. N.).

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Das Urteil wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) am 12. Januar 1994 zugestellt. Hiergegen legte das FA fristgerecht Revision ein. Die Revisionsbegründung vom 9. März 1994 ging am 29. März 1994 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der Umschlag, der die Revisionsbegründung enthielt, war am 10. März 1994 vom FA freigestempelt worden.

Nachdem das FA auf den verspäteten Eingang der Revisionsbegründung und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen worden war, beantragte es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug es vor, die Fristversäumnis beruhe nicht auf seinem Verschulden. Ausweislich des Poststempels sei die Revisionbegründung am 10. März 1994, also vier Tage vor Ablauf der Begründungsfrist, zur Post gegeben worden. Bei normaler Beförderungsdauer hätte die Revisionsbegründung rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim BFH eingehen müssen. Daß die Sendung erst am 29. März 1994 eingegangen sei, sei vom FA nicht zu vertreten.

Auf die Aufforderung, glaubhaft zu machen, daß die Revisionsbegründung am 10. März 1994 zur Post gegeben wurde, hat das FA vorgetragen, die Postsendungen würden an dem Tag, an dem sie von dem Verwaltungsangestellten der Poststelle freigestempelt worden seien, von einem weiteren Verwaltungsangestellten zum Hauptpostamt gefahren. Das Datum, mit dem freigestempelt werde, sei demnach stets mit dem Tag der Postaufgabe identisch. Nach dieser Verfahrensweise sei auch am 10. März 1994 gearbeitet worden. Somit sei die Fristversäumnis auf eine Postlaufverzögerung aufgrund der Massenbeförderungsverfahren der Deutschen Bundespost zurückzuführen; ihm könne sie nicht als Verschulden zugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden ist und dem Antrag des FA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden kann. Sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO).

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Im Streitfall endete die Revisionsfrist am 14. Februar 1994, einem Montag (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 der Zivilprozeßordnung, § 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Dementsprechend lief die Revisionsbegründungsfrist bis zum 14. März 1994. Die Revisionsbegründung ist am 29. März 1994, also nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, eingegangen.

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der unverschuldet verhindert war, eine gesetz liche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Grundsätze für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten in gleicher Weise für das FA wie für den Steuerpflichtigen (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229; vom 17. Februar 1993 VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614, und BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 II R 74/90, Deutsches Steuerrecht 1994, 1807).

Das FA hat zwar Tatsachen vorgetragen, die geeignet sein können, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen. Denn wenn die Revisionsbegründung am 10. März 1994, dem Datum, mit dem der Briefumschlag freigestempelt war, abgesandt worden wäre, träfe das FA kein Verschulden an der Fristversäumnis. Es hat die Absendung der Revisionsbegründung an diesem Tag jedoch lediglich behauptet und nicht glaubhaft gemacht. Seine Ausführungen beschränken sich darauf, darzulegen, wie im allgemeinen auf der Poststelle gearbeitet wird, und daß so auch am 10. März 1994 verfahren worden sei. Dies reicht zur Glaubhaftmachung der Absendung der Revisionsbegründung an diesem Tag jedoch nicht aus. Hierzu hätte es der Vorlage präsenter Beweismittel bedurft (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1993 VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616 m. w. N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 700

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