0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat mit Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) am 1.1.2005 (Art. 61 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft. Sie ist zwischenzeitlich durch das Kommunale Optionsgesetz v. 30.7.2004 (BGBl. I S. 2014) zum 6.8.2004 (Art. 1 Nr. 19, Art. 17) geändert worden. Diese Änderung wurde jedoch erst mit Inkrafttreten des § 43 am 1.1.2005 wirksam. Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.11.2004 (BGBl. I S. 2902) wurde die versehentlich verbliebene Absatzangabe "(1)" gestrichen. § 43 ist im Rahmen der Neufassung von Kapitel 4 Abschnitt 1 (§§ 36 bis 44) mit Art. 2 Nr. 32 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) zum 1.4.2011 neu gefasst worden. Zuletzt ist die Vorschrift durch Art. 1 Nr. 39 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824) mit Wirkung zum 1.8.2016 grundlegend geändert worden. Die ehemals in Nr. 1 enthaltenen Aufrechnungen, und zwar die aufgrund eines Vorschusses (§ 42), vorläufiger Leistungen (§ 43 SGB I) und vorläufiger Entscheidung sind nicht mehr in § 43 enthalten. Diese Entscheidungsarten sind jetzt in § 41a übernommen worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

§ 43 stellt eine spezialgesetzliche Aufrechnungsvorschrift für das SGB II zu der allgemeinen Regelung des § 51 SGB I dar (LSG Sachsen, Urteil v. 23.8.2007, L 3 AS 134/06). Umfang und Durchführung einer durch Verwaltungsakt erfolgten Aufrechnung im SGB II bestimmen sich deshalb nach § 43 (Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 43 Rz. 3; a. A. Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 1, der wegen § 37 Satz 1 SGB I einen Rückgriff auf § 51 für möglich erachtet; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 43 Rz. 3). Die Grundsicherungsträger können mit Ansprüchen auf Erstattung oder Ersatz wegen unrechtmäßiger Leistungen gegen Leistungsansprüche des Beziehers von Leistungen zum Lebensunterhalt bis auf das Unerlässliche aufrechnen, wenn dieser sie durch vorsätzliche oder grob fahrlässige unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Die Aufrechnung ist nur innerhalb von 3 Jahren seit Entstehung des Schadenersatz- oder Erstattungsanspruchs möglich. Da es sich bei § 43 um eine "Kann-Vorschrift" handelt, trifft der Träger der Leistung in diesen Fällen eine individuelle Ermessensentscheidung.

 

Rz. 3

Die Aufrechnung durch Verwaltungsakt ist nur in den in Abs. 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten Fallkonstellationen möglich. Soweit diese Voraussetzungen nicht vorliegen, kann das Jobcenter eine Aufrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung herbeiführen. Nach der Rechtsprechung sind keine Gründe erkennbar, die eine Aufrechnung der Behörde in diesen Fällen durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung ausschließen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 15.3.2018, L 2 AS 496/17, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 15.12.1994, 12 RK 69/93; a. A. wohl Kallert, in: Gagel, SGB II, § 43 Rz. 71).

2 Rechtspraxis

2.1 Aufrechnungsmöglichkeit (Abs. 1)

 

Rz. 4

In Abs. 1 ist die grundsätzliche Aufrechnungsmöglichkeit der Jobcenter geregelt. Danach ist die Aufrechnung mit Forderungen der Träger aus Erstattungsansprüchen oder Ersatzansprüchen grundsätzlich zulässig. Die Träger können gegen Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen. Unter "Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" kommen alle im Abschnitt 2 des SGB II genannten Geldleistungen in Betracht. Für andere Leistungen nach dem SGB II, z. B. Leistungen zur Eingliederung, oder Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 2 und 5 bis 7 (die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 durch Sach- und Dienstleistungen erbracht werden) kommt eine Aufrechnung nicht in Betracht.

 

Rz. 5

Die Ansprüche, mit denen die Träger der Grundsicherung gegenüber Ansprüchen der Leistungsberechtigten aufrechnen können, sind in Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannt. Der Katalog der dort genannten Ansprüche ist abschließend (Merten, in: BeckOK, SGB II; § 43 Rz. 10; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 31; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 43 Rz. 40 und 43). Es handelt sich um folgende Erstattungs- und Ersatzansprüche:

  1. Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X: Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen,
  2. Ersatzanspruch nach § 34 oder § 34a: Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten oder Ersatzansprüche bei rechtswidrig erhaltenen Leistungen,
  3. Erstattungsanspruch nach § 34b: Erstattungsanspruch bei Doppelleistungen oder
  4. Erstattungsanspruch nach § 41a Abs. 6 Satz 3: Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen.

Die Forderung des aufrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss mithin entstanden und fällig sein. Die gleichartige Forderung des Leistungsträgers, mit der aufgerechnet werden soll (Hauptforderung), muss zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein muss ...

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