Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers. Aufrechnung mit einem Kostenerstattungs- bzw Freistellungsanspruch des Leistungsempfängers nach § 63 SGB 10. Aufrechnungserklärung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung. fehlende Gleichartigkeit der Forderungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufrechnung eines Sozialleistungsträgers kann auch durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung iS von § 387 BGB erfolgen.

2. Bei dem Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X handelt es sich um einen Freistellungsanspruch, nicht um einen Zahlungsanspruch.

3. Mangels Gleichartigkeit der Forderungen, kann der Leistungsträger gegen einen Kostenerstattungsanspruch des Leistungsempfängers nach § 63 SGB X nicht mit eigenen Forderungen aus Erstattungsbescheiden aufrechnen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte rechtmäßig eine Kostenerstattungsforderung in Höhe von 380,80 EUR aus den Widerspruchsverfahren W 961/14 und W 962/14 mit einer Forderung gegen den Kläger aus dem Bescheid über die Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches vom 22. Januar 2014 für die Zeit vom 1. August 2012 bis 31. Januar 2013 in Höhe von 4166,00 EUR aufgerechnet hat.

Der am ... 1958 geborene Kläger ist selbständiger Autor und bezieht schon seit längerem von dem Beklagten ergänzend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Mit Bescheid vom 22. Januar 2014 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Januar 2013 endgültig ab.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Januar 2014 über die Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches forderte der Beklagte von dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Januar 2013 zu Unrecht erbrachte Leistungen in Höhe von 4166,00 EUR zurück.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2014 lehnte der Beklagte auch die Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2012 endgültig ab.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Januar 2014 über die Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches forderte der Beklagte von dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2012 zu Unrecht erbrachte Leistungen in Höhe von 2176,52 EUR zurück.

Mit zwei anwaltlichen Schriftsätzen vom 26. Februar 2014 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein.

Mit Abhilfebescheiden im Widerspruchsverfahren vom 7. August 2014 (AZ: W 961/14 und W 962/14) hob der Beklagte den Ablehnungsbescheid sowie den Erstattungsbescheid vom 22. Januar 2014 hinsichtlich des Zeitraumes Februar bis Juli 2012 vollständig auf und entsprach dem Widerspruch des Klägers auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang. Weiter führte der Beklagte aus, dass die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag erstattet würden, soweit sie notwendig gewesen sind und nachgewiesen werden. Dies gelte auch für die Gebühren und Auslagen seiner Bevollmächtigten.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18. August 2014 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten und dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als notwendig angesehen werde. Hierzu überreichte der Kläger zwei Kostenrechnungen seiner Bevollmächtigten und nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 18. August 2014 über Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils 380,80 EUR und bat um Gebührenfreistellung und Überweisung.

Mit Schreiben vom 17. September 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die von seiner Bevollmächtigten geltend gemachten Kosten in Höhe von 380,80 EUR erstattungsfähig seien. Gegen den Kläger bestehe noch eine Forderung in Höhe von 4166,00 EUR aus dem Bescheid wegen der Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Januar 2013. Der Anspruch auf Kostenerstattung des Klägers werde nach § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen diese Forderung aufgerechnet. Eine Auszahlung des Kostenerstattungsanspruches erfolge deshalb nicht.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und trug vor: Es werde davon ausgegangen, dass es sich bei der Aufrechnungsmitteilung um einen Verwaltungsakt handele. Rein vorsorglich werde bereits jetzt bestritten, dass die Forderung in Höhe von 4166,00 EUR, welche ihm gegenüber bestehen solle, dem Grunde und der Höhe nach zutreffend sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 (AZ: W 3123/14) wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück, weil es sich bei dem Schreiben vom 17. September 2014 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Am 15. April 2015 hat der Kläger zum Sozialgericht Halle Klage erhoben ...

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