Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Verfahrenskostenhilfebedürftigkeit nach § 115 ZPO haben gemäß § 39 I 2 SGB VIII bezogenen Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen ("Pflegegeld"), die für die Pflege und Erziehung der ersten beiden Kinder gezahlt werden, auch mit dem Erziehungskostenanteil außer Betracht zu bleiben; aufgrund der Anlehnung des Einkommensbegriffs in § 115 ZPO an denjenigen des Sozialhilferechts kommt eine Anwendung des im Unterhaltsrecht geltenden Grundsatzes, dass der Erziehungskostenanteil des Pflegegeld nach § 39 SGB VIII als Einkommen zu bewerten ist (vgl. BGH, Urteil v. 18.4.1984, Az. IVb ZR 80/82, FamRZ 1984, 769), nicht in Betracht.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1; SGB II § 11a Abs. 3 Nr. 1; SGB VIII § 39; ZPO § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Dorsten (Aktenzeichen 12 F 346/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dorsten vom 21.04.2018 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H in E bewilligt.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren zwischen zwei getrennt lebenden Partnerinnen ging es um die Zuweisung eines PKW im Wege der einstweiligen Anordnung. Das Verfahren wurde durch Vergleich vom 28.11.2017 beendet.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen, weil sich nach Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von monatlich 1.038,20 EUR ergebe. Die nach einem Verfahrenswert von 1.000 EUR und einem Vergleichswert von 2.000 EUR für die Antragsgegnerin entstehenden Verfahrenskosten würden deutlich unter dem vierfachen Betrag der Rate liegen. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und die vorgenommene Berechnung wird Bezug genommen. Von entscheidender Bedeutung für die Berechnung des Familiengerichts war, dass es neben dem Einkommen der Antragsgegnerin aus Erwerbstätigkeit auch den von ihr bezogenen Anteil des Pflegegeldes für zwei in ihrem Haushalt lebende Pflegekinder berücksichtigt hat, welcher für die Kosten der Erziehung gewährt wird; dieser belief sich - nach Abzug des anteiligen Kindergeldes - auf insgesamt monatlich 1.681,20 EUR.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie ihren Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe weiter verfolgt. Sie verfüge lediglich über das in dem Beschluss des Familiengerichts angegebene Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von monatsdurchschnittlich netto 993,34 EUR. Das Pflegegeld, welches sie für die beiden bei ihr lebenden Pflegekinder gemäß § 39 SGB VIII erhalte, sei auch nicht zum Teil zu berücksichtigen. Dieses werde ausschließlich für die Pflegekinder gezahlt und diene ihrer finanziellen Absicherung. Es sei kein Einkommen im Sinne des Steuerrechts und auch im Rahmen der Verfahrenskostenhilfeprüfung nicht zu berücksichtigen. Bei ihr und den Pflegekindern handele es sich um eine so genannte "Profipflegefamilie". Da sie über einen entsprechend qualifizierten Beruf verfüge, seien ihr Pflegekinder mit erhöhtem Erziehungsbedarf anvertraut. Aus diesem Grund sei das Pflegegeld auch höher als bei Pflegekindern, die keinen erhöhten Erziehungsbedarf aufweisen.

Durch Beschluss vom 28.5.2018 hat das Familiengericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ergänzend zur Begründung ausgeführt, dass das Pflege- und Erziehungsgeld nach § 39 SGB VIII hinsichtlich des Anteils, der für die Kosten der Erziehung gewährt werde, als Einkommen der Antragsgegnerin zu berücksichtigen sei.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Die Frage, ob derjenige Anteil der gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII bezogenen Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen ("Pflegegeld"), der für die Pflege und Erziehung des Kindes gezahlt wird, als Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen ist, ist umstritten.

Nach der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung (OLG Bremen, Beschluss vom 8.2.2013, Az. 4 WF 22 / 13, FamRZ 2013, 1755; OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.3.2010, Az. 11 WF 329 / 10, FamRZ 2010, 1361; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.6.2009, Az. 9 WF 170 / 09, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.6.2003, Az. 16 WF 169 / 02, FamRZ 2004,645) und Literatur (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 115 ZPO Rn. 17; MüKoZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, § 115 ZPO Rn. 18; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 115 Rn. 4; Groß in Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 115 Rn. 21), ist dieser Anteil des Pflegegeldes bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 115 ZPO als Einkommen zu berücksichtigen. Demgegenüber vertritt das OLG Stuttgart die Ansicht, der Erziehungskostenanteil des geleisteten Pflegegeldes sei hinsichtlich der ersten beiden Pflegekinder gar nicht und hinsichtlich des dritten Pflegekindes nur zu 25 % als Einkomme...

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