Leitsatz (amtlich)

Der Erziehungskostenanteil des für das erste und für das zweite Pflegekind nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII gewährten Pflegegeldes ist nicht als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO zu werten (entgegen OLG Bremen FamRZ 2013, 1755, 1756; OLG Nürnberg FamRZ 2010, 1361).

 

Verfahrensgang

AG Besigheim (Beschluss vom 22.02.2017)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Besigheim vom 22.2.2017 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 14.3.2017 dahingehend abgeändert, dass die Verpflichtung zur Ratenzahlung vollständig entfällt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung in einem Umgangsverfahren.

Die Antragsgegnerin ist die Großmutter der am ... 2009 geborenen 8-jährigen Zwillinge S. und A.. Beide Kinder leben im Haushalt der Antragsgegnerin, die zugleich ihre Pflegemutter ist. Die Antragstellerin ist die leibliche Mutter der Kinder. Kindesunterhalt erhalten die Kinder weder von der Antragstellerin noch von ihrem Vater. Für Wohnkosten hat die Antragsgegnerin monatlich 380 EUR aufzubringen. Sie verfügt nicht über Vermögen.

Die Antragsgegnerin bezieht eine gesetzliche Rente von monatlich 452,46 EUR netto. Außerdem bezieht sie das Kindergeld für beide Kinder von 384 EUR. Schließlich erhält sie für beide Kinder Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege nach §§ 33, 39 SGB VIII. Für S. erhält sie Pflegegeld von monatlich 762 EUR. Dieses setzt sich zusammen aus dem Grundbedarf von 589 EUR und den Kosten der Erziehung von 269 EUR. In Abzug gebracht wird gem. § 39 Abs. 6 SGB VIII anteiliges Kindergeld von 96 EUR. Für A. erhält die Antragsgegnerin Pflegegeld von monatlich 810 EUR. Dieses setzt sich zusammen aus dem Grundbedarf von 589 EUR und den Kosten der Erziehung von 269 EUR. In Abzug gebracht wird anteiliges Kindergeld von 48 EUR.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.2.2017 hat das AG - Familiengericht der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit einer monatlichen Ratenzahlung von 120 EUR bewilligt. Das Familiengericht hat dabei neben der Rente der Antragsgegnerin auch das Kindergeld und den im Pflegegeld enthaltenen Erziehungsbeitrag als Einkommen berücksichtigt. Nach Abzug der Wohnkosten, des Freibetrags für Erwerbstätige von 215 EUR und des Beteiligtenfreibetrags von 473 EUR ist ein einzusetzendes Einkommen von 306,46 EUR verblieben.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Gewährung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe. Sie macht geltend, dass das Kindergeld nicht Einkommen der Antragsgegnerin sei, sondern Einkommen der Kinder. Das Kindergeld werde benötigt, um den notwendigen Lebensbedarf der Kinder sicherzustellen. Die Betreuung der beiden gesundheitlich beeinträchtigten Kinder erfordere einen besonders hohen Aufwand sowohl in zeitlicher als auch in materieller Hinsicht. Auch das Pflegegeld sei ausschließlich für die beiden Kinder zweckbestimmt und könne nicht als Einkommen der Antragsgegnerin gewertet werden.

Mit Beschluss vom 14.3.2017 hat das Familiengericht der Beschwerde teilweise abgeholfen und die Ratenhöhe auf monatlich 81 EUR reduziert. Das Familiengericht hat das Kindergeld nunmehr lediglich insoweit berücksichtigt, als es nicht auf das Pflegegeld angerechnet wurde. Demnach ist ein einzusetzendes Einkommen von 162 EUR verblieben.

Der Senat hat eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin eingeholt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin ist nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage, auf die Verfahrenskosten Raten oder sonstige Zahlungen zu erbringen.

1. Zu Recht hat das AG - Familiengericht allerdings das Kindergeld als Einkommen der Antragsgegnerin berücksichtigt, sofern es nicht gem. § 39 Abs. 6 SGB VIII anteilig für die Deckung des Bedarfs der Kinder einzusetzen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das von der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Partei bezogene Kindergeld als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zu berücksichtigen, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden ist (BGH NJW 2017, 962 Rn. 7 f.; BGH FamRZ 2005, 605).

Vorliegend ist der Bedarf der Kinder S. und A. in anderer Weise vollständig gedeckt, weshalb das Kindergeld nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts der Kinder herangezogen werden muss. Zwar zahlen die Kindeseltern keinen Kindesunterhalt. Jedoch wird der Bedarf der Kinder durch den im Pflegegeld enthaltenen Grundbedarf von monatlich 589 EUR pro Kind gedeckt (vgl. bereits BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - JAmt 2009, 566 Rn. 22). Der Grundbedarf von monatlich 589 EUR ist nicht als Einkommen der Antragsgegnerin, sondern als Einkommen der Kinder zu werten. Dementsprechend mindert er den Unterhaltsfreibetrag für jedes Kind (OLG Nürnberg FamRZ 2010, 1361; OLG ...

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