Rz. 108

Eltern i. S. d. Umgangsrechts sind ausschließlich die Eltern im Rechtssinne (§§ 1591, 1592, 1754 BGB), die die Verantwortung für das Kind tragen (§ 1626 Abs. 1 BGB). Weder den leiblichen Eltern nach der Adoption (vgl. § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch dem biologische Vater stehen Elternrechte zu (BVerfG, Beschluss v. 9.4.2003, 1 BvR 1493/96; OLG Saarbrücken, KindPrax 2003 S. 29; OLG Celle, Beschluss v. 26.7.2004, 10 UF 147/04; OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.3.2006, 15 UF 4/06). Zum Umgangsrecht des biologischen Vaters vgl. Rz. 128; zum Vaterschaftsanfechtungsrecht des biologischen Vaters vgl. § 17 Rz. 29 ff.

 

Rz. 109

Nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB gehört der Umgang mit beiden Elternteilen i. d. R. zum Wohl des Kindes. Dementsprechend hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil (§ 1684 Abs. 1 HS 1 BGB) und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 HS 2 BGB). Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder erschwert (§ 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dem sorgeberechtigten Elternteil obliegt es, Kontakte zum anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern positiv zu fördern, um dem Kind seelische Konflikte zu ersparen und Widerstände abzubauen (OLG Saarbrücken, Beschluss v. 21.12.2006, 9 UF 147/06; OLG Rostock, Beschluss v. 20.4.2006, 11 UF 57/01). Das gilt entsprechend, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet (§ 1684 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Gesetzgeber hat damit das Kindeswohl – vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls – definiert. Es ist also nicht zu prüfen, ob ein Umgang mit beiden Eltern dem Kindeswohl dient, sondern nur zu fragen, ob im konkreten Fall Umstände gegeben sind, die im Interesse des Kindeswohls einer Ausübung des Umgangs entgegenstehen.

2.6.2.1.1 Einschränkung des Umgangs

 

Rz. 110

Nach § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Das Familiengericht kann, soweit der umgangsberechtigte Elternteil damit hilfsweise einverstanden ist (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 22.5.2006, 16 UF 11/06), insbesondere anordnen, dass der Umgang nur in Anwesenheit eines mitwirkungsbereiten Dritten (u. a. ein Träger der Jugendhilfe – § 1684 Abs. 4 Satz 4 BGB) stattfinden darf (§ 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB). Für eine längere Zeit dürfen solche Anordnungen aber nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB), was der Eingriffsschwelle des § 1666 Abs. 1 BGB entspricht (Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1684 Rz. 91). Der Begriff "längere Zeit" ist nicht abstrakt zu bestimmen. Maßgebend ist vielmehr das altersgemäße Zeitempfinden des Kindes (Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1684 Rz. 92) und die Häufigkeit des bisherigen Umgangs (Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1684 Rz. 35).

Auf dieser Grundlage haben sich folgende Fallgruppen herausgebildet:

 

Rz. 111

  • Sexueller Missbrauch:

In den Fällen, die durch den Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs geprägt sind, ist zu differenzieren:

Steht der sexuelle Missbrauch durch den grundsätzlich umgangsberechtigten Elternteil fest, scheidet ein unbeaufsichtigter Umgang auf Dauer aus. Aber auch ein begleiteter Umgang ist zu versagen, wenn das Kindeswohl allein durch das Zusammensein mit dem Täter gefährdet wird (Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1684 Rz. 106).

 

Rz. 112

Besteht (nur) ein begründeter Verdacht, ist der Ausschluss des Umgangsrechts nicht zwingend (OLG Celle, Beschluss v. 15.7.1994, 18 UF 191/95). Wesentlich sind die Gesamtumstände (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss v. 3.2.2006, 2 WF 25/06; OLG Bamberg, Beschluss v. 1.12.1993, 2 UF 154/93). Die Anordnung eines begleiteten Umgangs wird in vielen Fällen eine sinnvolle Lösung sein (Götz, in: Palandt, BGB, § 1684 Rz. 29 und 35). Steht der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Raum, entscheidet sich die Frage, ob und ggf. welche Maßnahmen in Bezug auf den Umgang des Kindes mit dem verdächtigen Elternteil zu treffen sind, nach dem Grad der Gewissheit, ob ein sexueller Missbrauch tatsächlich stattgefunden hat (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 18.2.2013, 18 UF 13/11 mit Anm. Cirullies, FamFR 2013 S. 213).

Wird schließlich nur ein unsubstantiierter Verdacht geäußert, ist dies nicht geeignet, das Umgangsrecht auszuschließen oder einzuschränken (OLG Brandenburg, Beschluss v. 8.8.2001, 9 UF 28/01).

 

Rz. 112a

  • Sexuelle Neigungen:

Sexuelle Neigungen/außergewöhnliche sexuelle Praktiken des umgangsberechtigten Elternteils stehen dem Umgang nur entgegen, wenn sich das Sexualleben auf das Kindeswohl auswirkt. Ist das nicht der Fall, sind auch Wochenendübernachtungen und ein Ferienumgang zuzulassen (BVerfG, Beschluss v. 26.9.2006, 1 BvR 1827/06).

 

Rz. 113

  • Gewaltbeziehungen:

Bei familiären Beziehungen, die durch eine dauerhafte häusliche Gewalt geprägt sind (vgl. dazu bereits § 17 Rz. 57), ist nicht nur zu berücksichtigen, ob sich die Gewalt des umgangsberechtigten Elternteils unmittelbar gegen das K...

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