Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweigerung der Begutachtung eines Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der sorgeberechtigte Elternteil im gerichtlichen Umgangsverfahren ohne sachlichen Grund die Begutachtung des Kindes verweigert, kann ihm dieser Teilbereich der Sorge gem. § 1666 BGB entzogen und auf einen Pfleger übertragen werden.

2. Um die Begutachtung durchzusetzen kann der Gerichtsvollzieher beauftragt werden, notfalls unter Anwendung von Gewalt das Kind der Kindesmutter wegzunehmen und dem Pfleger zu übergeben.

3. Der sorgeberechtigte Elternteil hat gem. § 1684 Abs. 2 BGB Kontakte des Kindes zu dem anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern positiv zu fördern.

 

Normenkette

BGB § 1666 Abs. 1, § 1666a Abs. 1 S. 1, § 1684 Abs. 2; FGG § 33 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Stralsund (Beschluss vom 19.03.2003; Aktenzeichen 20 F 29/00)

 

Tenor

Zum Zwecke der mit Beschluss des Senats vom 19.3.2003 angeordneten Begutachtung des Kindes ..., geb. am ...1997, durch die Sachverständige Frau Diplompsychologin S. wird der Kindesmutter die Befugnis zur Zustimmung zur Begutachtung, als Teilbereich der elterlichen Sorge, entzogen. Es wird insoweit für das Kind Pflegschaft angeordnet.

Zum Pfleger wird das Bezirksamt N., Abteilung Jugend,... bestellt.

Die Kindesmutter wird verpflichtet, das Kind an den Pfleger zum Zwecke der Zuführung zur Begutachtung herauszugeben.

Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, notfalls unter Anwendung von Gewalt, das Kind der Kindesmutter wegzunehmen und dem Pfleger zu übergeben.

Die Bestimmung des Zeitpunktes sowie der Anzahl der Begutachtungstermine obliegt der Sachverständigen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind die Eltern des am ... 1997 außerehelich geborenen gemeinsamen Kindes L.. Sie haben in der Zeit zwischen April 1997 und Juni 1998 zusammengelebt. Am 29.6.1998 hat sich die Kindesmutter von dem Kindesvater getrennt. Seitdem streiten die Parteien um das Umgangsrecht des Kindesvaters mit dem Kind, zunächst außergerichtlich, im Weiteren gerichtlich.

Auf einen ersten Antrag des Kindesvaters haben die Parteien am 2.8.1999 vor dem AG Bad Berleburg, Aktenzeichen 1 F 143/99, eine Vereinbarung dahin geschlossen, dass der Kindesvater berechtigt ist, jeden Sonntag in der Zeit von 14.00 Uhr-18.00 Uhr das Kind zu sich zu nehmen.

Ohne Information des Kindesvaters ist die Kindesmutter Anfang November 1999 mit dem Kind nach S. verzogen. Seitdem gewährt sie dem Kindesvater keinen Umgang mehr.

Dies und die Nichtdurchführbarkeit des Umgangs gemäß der getroffenen Vereinbarung infolge des Umzuges der Kindesmutter nach S. veranlasste den Kindesvater, eine Neuregelung des Umgangs zu beantragen.

Das FamG hat nach Anhörung der Parteien, Beiziehung von Stellungnahmen des Jugendamtes der Stadt S. unter Einbeziehung einer Zuarbeit des Jugendamtes des Kreises W., Anhörung der Vertreterin des Jugendamtes, Frau D., sowie der Mitarbeiterin der Beratungsstelle Sozialmanagement in S., zuständig für die Betreuung von Opfern von Sexualstraftaten, Frau Ch., Einholung eines Sachverständigengutachtens, erstellt von Prof. Dr. M., Medizinische Fakultät der Universität R., und ergänzende Anhörung des Gutachters mit Beschluss vom 14.2.2001 in Abänderung der vor dem AG B. geschlossenen Vereinbarung der Parteien, dem Kindesvater das Recht eingeräumt, Umgang mit dem minderjährigen Kind L., wobei es zunächst begleitete Umgangskontakte geregelt hat. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FamG insb. darauf verwiesen, dass sich der Verdacht der Kindesmutter hinsichtlich eines sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den Vater nicht bestätigt habe, so dass einer Gewährung des Umgangsrechts für den Kindesvater nichts im Wege stehe. Soweit das FamG zunächst begleiteten Umgang geregelt hat, war es hier der Annahme, dass in dem Zeitraum des erstinstanzlichen Verfahrens ein Ermittlungsverfahren gegen den Kindesvater eingeleitet und nicht abgeschlossen war. Tatsächlich hatte aber der Kindesvater wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat sowie des Prozessbetruges Anzeige gegen die Kindesmutter erstattet.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Kindesmutter befristete Beschwerde eingelegt, mit dem Begehren, den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Kindesvaters auf Abänderung des Umgangs abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung allein auf dem Gutachten vom 14.7.2000 beruhe, dieses Gutachten jedoch nicht die wissenschaftlichen Voraussetzungen für ein verwertbares psychologisches Gutachten erfülle. Nur ein weiteres Sachverständigengutachten, das anhand eindeutiger Untersuchungskriterien von einem unvoreingenommenen Gutachter erstellt werden müsse, könne zur Grundlage einer erneuten Entscheidung genommen werden. Ein zweites Gutachten sei zudem notwendig, da L. jetzt aufgrund des Zeitablaufes bereits besser in der Lage sei, ihre Gedanken und Gefühle zu artikulieren.

Der Kindesvater begehrt die Zurückweisung der Beschwerde der Kindesmutter und zugleich eine Erweiterung des Umgangs dahin, dass dies...

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