Leitsatz (amtlich)

1. Steht der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Raum, entscheidet sich die Frage, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen in Bezug auf den Umgang des Kindes mit dem verdächtigen Elternteil zu treffen sind, nach dem Grad der Gewissheit, ob ein sexueller Missbrauch tatsächlich stattgefunden hat.

2. Lassen sich gesicherte Anzeichen für einen Missbrauch durch die gebotenen gerichtlichen Ermittlungen nicht feststellen, scheidet eine Einschränkung des Umgangsrechts aufgrund eines verbleibenden bloßen Verdachts aus. Auch die auf einem derartigen Verdacht begründeten Vorbehalte des betreuenden Elternteils gegenüber dem Umgang erfordern nicht zwingend eine Umgangsbeschränkung.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 27.12.2010)

 

Tenor

I. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 27.12.2010 wie folgt abgeändert:

1. Der Antragsteller ist berechtigt und verpflichtet, mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten L. W., geboren am ... 2005, Umgang wie folgt wahrzunehmen:

a) Ab dem 21.2.2013

  • 14-täglich in den geraden Kalenderwochen jeweils donnerstags von 14:30 Uhr bis 18:00 Uhr, beginnend mit Donnerstag, dem 21.2.2013, sowie darüber hinaus
  • in der zweiten ungeraden Kalenderwoche eines jeden Monats samstags von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr, erstmals am Samstag, dem 16.3.2013.

b) Ab Mai 2013

  • 14-täglich in den geraden Kalenderwochen jeweils donnerstags von 14:30 Uhr bis 18:00 Uhr sowie darüber hinaus
  • 14-täglich in allen ungeraden Kalenderwochen samstags jeweils von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr.

c) Ab Juli 2013 vierzehntäglich in den ungeraden Kalenderwochen von Samstag 10:00 Uhr bis zum darauf folgenden Sonntag 18:00 Uhr.

2. Die Übergaben erfolgen zu Beginn des jeweiligen Umgangstermins in der Weise, dass die Antragsgegnerin das Kind L. zum Kinderschutzbund F. bringt und dort einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin übergibt. Der Antragsteller holt L. vom Kinderschutzbund ab und bringt sie zum Ende des Umgangs zur Wohnanschrift der Antragsgegnerin zurück, wo er - ohne auszusteigen - im Fahrzeug wartet, bis L. das Haus betreten hat, und sich daraufhin unmittelbar entfernt.

3. Umgangstermine, die wegen Verhinderung des Antragstellers oder wegen nachgewiesener ferienbedingter Ortsabwesenheit des Kindes L. nicht stattfinden können, entfallen. Umgangstermine, die aus anderen Gründen nicht stattfinden können, werden in Absprache mit dem Kinderschutzbund zum nächstmöglichen Termin nachgeholt.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass das Gericht bei der Zuwiderhandlung gegen diese Entscheidung gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann.

IV. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Umgang mit seiner Tochter L., geboren am ... 2005. Die Antragsgegnerin strebt - gestützt auf die Befürchtung eines sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter L. durch den Antragsteller - den Ausschluss oder zumindest eine Einschränkung des Umgangs an.

L. ist aus der Beziehung des Antragstellers mit der Antragsgegnerin hervorgegangen. Die Eltern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Während ihrer im Jahr 2002 aufgenommenen Beziehung wohnten sie lediglich nach der Geburt von L. für die Dauer von fünf bis sechs Wochen versuchsweise zusammen. Wenige Zeit später kam es zur Trennung und - nach einem Streit im Januar 2006 - zum endgültigen Bruch zwischen den Eltern. L. lebt seit der Trennung der Eltern bei der Antragsgegnerin.

Bis Mai 2006 fand wöchentlich für eine Stunde ein Umgang des Antragstellers mit L. in der Wohnung der Antragsgegnerin statt. Hierzu verließ die Antragsgegnerin jeweils vor dem Umgangstermin ihre Wohnung. Der Vater der Antragsgegnerin ermöglichte dem Antragsteller sodann den Zutritt zur Wohnung und blieb für die Dauer des Umgangs - in einem anderen Raum - anwesend.

Im Rahmen eines im Mai 2006 vom Antragsteller beim AG - Familiengericht - Freiburg eingeleiteten Umgangsverfahrens ... einigten sich die Eltern darauf, dass der Umgang künftig zwei Mal pro Woche für jeweils zwei Stunden stattfinden solle. Abweichend hiervon wurde ab Juli 2007 bis einschließlich 12.8.2009 ein wöchentlicher unbegleiteter Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter für die Dauer von jeweils vier Stunden praktiziert.

Nach dem 12.8.2009 verweigerte die Antragsgegnerin den unbegleiteten Umgang mit der Begründung, aufgrund von Äußerungen und Verhaltensweisen des Kindes L. sei davon auszugehen, dass der Antragsteller L. sexuell missbrauche. So habe L. u.a. berichtet, dass der Antragsteller sie beim Gang zur Toilette sowohl an der Scheide anfasse als auch lecke.

In der Folgezeit fanden lediglich drei, durch die Beratung...

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