2.1 Beratung und Unterstützung

 

Rz. 3

Der Gesetzgeber hat in Abs. 1 die besondere Bedeutung der Beratung und Unterstützung der Leistungsberechtigten hervorgehoben, die schon in § 10 Abs. 2 als Teil der Leistungsform "Dienstleistung" ausdrücklich erwähnt worden sind. Anders als in § 10 Abs. 2 geht es nicht (auch) um eine rechtliche Beratung, sondern um eine Beratung und erforderlichenfalls Unterstützung, welche den Leistungsberechtigten nach dem SGB XII eine aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und das Erreichen eines menschenwürdigen Existenzminimums ermöglicht (vgl. Streichsbier, a. a. O., § 11 Rz. 1). Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Beratung entspricht dem Grunde nach einem subjektiv-öffentlich-rechtlichen Anspruch des Leistungsberechtigten auf Beratung und Unterstützung (vgl. Berlit, a. a. O., § 11 Rz. 4). Oftmals wird die Beratung und Unterstützung zu einer Leistungsabsprache nach § 12 Abs. 2 führen. Durch die Anknüpfung an die "Aufgaben des SGB XII" wird klar, dass Anspruchsberechtigte nach dem SGB II nur Anspruch auf Beratung nach § 11 haben, soweit sie nach dem SGB XII ansonsten leistungsberechtigt sind (vgl. BSG, Urteil v. 13.7.2010, B 8 SO 14/09 R); da Sozialhilfe nach § 15 SGB XII vorbeugend geleistet werden soll, greifen die Beratungs- und Unterstützungsverpflichtungen allerdings bereits bei einem potenziell Leistungsberechtigten nach dem SGB XII (vgl. BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R). Die dem Anwendungsbereich des SGB II unterfallenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten können z. B. keine Beratungsleistungen in Form der Schuldnerberatung nach Abs. 4 Satz 2 beanspruchen, sondern sind auf die Leistungen des § 16a Nr. 2 SGB II zu verweisen; diese setzen allerdings gemäß § 14 SGB II eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II voraus und können nicht präventiv in Anspruch genommen werden. Die Beratung dürfte insgesamt als nicht justiziabler Vorgang anzusehen sein, der sich nicht in der Form eines Verwaltungsaktes niederschlägt (vgl. BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 22/10 R).

Was die Inhalte von Beratung und Unterstützung betrifft, so werden in den Abs. 2 und 3 der Vorschrift vom Gesetzgeber nähere inhaltliche Vorgaben gemacht (vgl. im Übrigen die Komm. zu § 10).

2.2 Gesellschaftliches Engagement, Budgetberatung

 

Rz. 4

Die vom Träger der Sozialhilfe zu sichernde Beratung hat nach Abs. 2 Satz 1 die persönliche Situation, den Bedarf sowie die eigenen Kräfte und Mittel des einzelnen Leistungsberechtigten in den Blick zu nehmen, was im Zusammenhang mit dem Individualisierungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1) zu sehen ist. Hier wird der Aspekt der individuellen Hilfegewährung deutlich. Die persönliche Situation umfasst auch das unmittelbare soziale Umfeld und die örtlichen Verhältnisse, in denen der Leistungsberechtigte lebt, aber auch gesundheitliche Aspekte. Sie betrifft die mögliche Stärkung der Selbsthilfe zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Überwindung der Notlage, was wiederum im Kontext mit §§ 1, 2 zu sehen ist. Nach Abs. 1 Satz 3 gehört zur Überwindung der Notlage auch, den Leistungsberechtigten für den Erhalt von (weiteren) Sozialleistungen zu befähigen (BSG, Urteil v. 3.7.2020, B 8 SO 2/19 R); dies kann neben der Beratung über mögliche weitergehende Ansprüche auch die Aufnahme von Anträgen für andere Sozialleistungen (z. B. der gesetzlichen Krankenversicherung) umfassen (vgl. Dauber, a. a. O., Stand: 6/2023, § 11 Rz. 16; Streichsbier, a. a. O., § 11 Rz. 3). Ein Verstoß des Sozialhilfeträgers gegen die Beratungsverpflichtung aus Abs. 2 Satz 3 kann bei der Prüfung eines Kostenersatzanspruchs nach § 103 die Kausalität zwischen dem schuldhaften Verhalten und dem Bezug der Sozialhilfe entfallen lassen (BSG, a.a.O; LSG Hessen, Urteil v. 22.2.2023, L 4 SO 169/20 ZVW).

 

Rz. 5

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 wird von der zu erreichenden aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch ein "gesellschaftliches Engagement" umfasst. Dies dürfte in Fällen unproblematisch sein, in denen der Leistungsberechtigte eine aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bzw. ein gesellschaftliches Engagement wünscht. Er kann hierzu jedoch nicht gedrängt oder diesbezüglich unter Druck gesetzt werden (vgl. Berlit, a. a. O., § 11 Rz. 8).

 

Rz. 6

Eine Sonderstellung kommt der in Abs. 2 Satz 4 SGB XII genannten gebotenen "Budgetberatung" zu. Es wird verdeutlicht, dass die Beratungsverpflichtung in § 11 das trägerübergreifende persönliche Budget nach § 29 SGB IX, die budgetfähigen Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 106 Abs. 2 Nr. 7 SGB XI und das persönliche Budget im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 63 Abs. 3 Satz 1 umfasst. Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 erhalten Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII die gebotene Beratung für den Umgang mit dem durch den Regelsatz zur Verfügung gestellten monatlichen Pauschalbetrag. Durch die überwiegende Einbeziehung einmaliger Leistungen in den Regelsatz ist es geradezu eine herausgehobene Verpflichtung der Sozialhilfeträger, hier den Leistungsberechtigten mit besonderen Beratungsangeboten hilfreich zur Seite z...

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