Rz. 15

Abs. 1 Satz 4 in der ab 1.9.2019 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (vgl. Rz. 1e) überträgt die zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getretenen Regelungen in § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. a sowie in§ 3a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. a AsylbLG auf die Analogleistungsberechtigten. Dies führt gegenüber der zuvor geltenden Regelung zu einer Absenkung der Regelsatzhöhe. Gemäß Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 erhalten alleinstehende Leistungsempfänger, die zuvor Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1 erhalten haben, Leistungen nach Regelbedarfsstufe 2. Unverheiratete Leistungsempfänger, die jünger als 25 Jahre alt sind und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung i. S. v. § 8 Abs. 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenleben, erhalten nach Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 statt zuvor Regelbedarfsstufe 2 (vgl. Oppermann/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG. § 2 Rz. 169).

 

Rz. 16

Durch Beschluss v. 19.10.2022 (1 BvL 3/21) hat das BVerfG entschieden: § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG i. d. F. des Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 13.8.2019 (BGBl. I S. 1290) ist mit Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit für eine alleinstehende erwachsene Person ein Regelbedarf lediglich in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung hat das BVerfG angeordnet: Auf Leistungsberechtigte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG findet § 28 SGB XII i. V. m. dem Regelbedarfsermittlungsgesetz und §§ 28a, 40 SGB XII mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft i. S. v. § 53 Abs. 1 AsylG oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Abs. 1 AsylG für jede alleinstehende erwachsene Person der Leistungsbemessung ein Regelbedarf in Höhe der jeweils aktuellen Regelbedarfsstufe 1 zugrunde gelegt wird. Für die bei Bekanntgabe dieser Entscheidung nicht bestandskräftigen Leistungsbescheide gilt dies ab dem 1.9.2019. Bereits bestandskräftige Bescheide bleiben unberührt, soweit vorhergehende Leistungszeiträume betroffen sind. Das BVerfG erachtet die pauschale Absenkung des Regelsatzes für nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Weiter wird ausgeführt: Sozialleistungen müssen fortlaufend realitätsgerecht bemessen werden, damit gesichert ist, dass tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge getragen wird. Sie können nicht pauschal nur auf der Grundlage der Vermutung abgesenkt werden, dass Bedarfe bereits anderweitig gedeckt sind und Leistungen daher nicht zur Existenzsicherung benötigt werden, ohne dass dies für die konkreten Verhältnisse hinreichend tragfähig belegt wäre.

 

Rz. 17

Der Gesetzgeber hatte die Absenkung der Regelbedarfsstufen bei alleinstehenden Analogleistungsberechtigten in Gemeinschaftsunterkünften und Aufnahmeeinrichtungen mit den angeblich bei Unterbringung in diesen Einrichtungen für die Leistungsberechtigten entstehenden Einspareffekten begründet (BT-Drs. 18/9985 S. 15). Dem gegenüber führt das BVerfG (a. a. O.) aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Alleinstehende in den Sammelunterkünften, weil sie typischerweise gemeinsam mit anderen dort Wohnenden wirtschaften und dadurch für den Regelbedarf relevante Einsparungen erzielen, tatsächlich im Regelfall einen geringeren Bedarf haben als Alleinstehende in einer eigenen Wohnung. Tragfähige Erkenntnisse dazu liegen nicht vor. Der Gesetzgeber könne auch nicht die pauschale Annahme zugrunde legen, dass in Sammelunterkünften sowie in Paarhaushalten gemeinsam gewirtschaftet wird und deshalb ein gegenüber der Regelbedarfsstufe 1 geringerer Bedarf besteht. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte (Oppermann/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 2 Rz. 170 bis 170.3 mit Hinweis auf SG Frankfurt, Beschluss v. 14.1.2020, S 30 AY 26/19 ER; SG Landshut, Beschluss v. 28.1.2020, S 11 AY 3/20 ER; SG Marburg, Beschluss v. 28.8.2020, S 9 AY 20/20 ER) und einiger Landessozialgerichte (Hess. LSG, Beschluss v. 13.4.2021, L 4 AY 3/21 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 26.4.2021, L 9 AY 7/21 B ER; Bay. LSG, Urteil v. 29.4.2021, L 8 AY 122/20) argumentiert ähnlich.

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