Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Analogleistung. Anspruchseinschränkung. Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen Zuständigkeit eines anderen Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. teleologische Reduktion. fortbestehende Pflichtverletzung. Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft. verfassungskonforme Auslegung. Nachweis gemeinsamen Wirtschaftens

 

Orientierungssatz

1. Für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 7 AsylbLG ist im Wege der normerhaltenden teleologischen Reduktion zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten aktuell ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist.

2. Eine Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums kann allenfalls bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs 1 S 4 Nr 1 AsylbLG angenommen werden, nach der die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Gemeinschaftsunterkunft Untergebrachten voraussetzt.

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vom 13.01.2020 bis zum 30.04.2020 in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.

II. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

III. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ... ... ..., ... ... bewilligt. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm vorläufig Leistungen nach § 2 AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 2 ohne Anspruchseinschränkung zu gewähren. Umstritten ist insoweit eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG.

Der 1995 geborene Antragsteller ist sierra-leonischer Staatsangehöriger und reiste am 26.10.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Antragsteller wurde in einer Gemeinschaftsunterkunft im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners untergebracht.

Der Antragsteller ist alleinstehend und beantragte am 13.11.2017 Asyl. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.12.2017 als unzulässig abgelehnt. Italien sei für die Behandlung des Asylantrages zuständig. Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet.

Mit Bescheid vom 29.01.2019 bewilligte der Antragsgegners dem Antragsteller laufende Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum Januar bis April 2019. Die Bewilligung werde jeweils für einen Monat gewährt. Nach dem umseitig genannten Bewilligungsabschnitt werde die Leistung uneingeschränkt weitergezahlt.

Eine für den 03.09.2019 angekündigte Abschiebung des Antragstellers scheiterte, weil der Antragsteller nicht in seiner Unterkunft anzutreffen war. Ab dem 12.09.2019 wurde der Antragsteller als unbekannt verzogen gemeldet. Offenbar wurde der Antragsteller danach aufgegriffen, nachdem ein weiterer Abschiebeversuch am 08.11.2019 scheiterte, weil der Flugkapitän die Mitnahme des Antragstellers nach Italien verweigerte. Nachdem der Antragsteller sich sodann erneut vorübergehend nicht in der Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten hatte, erschien er dort am 12.11.2019 wieder und beantragte am 13.11.2019 abermals Leistungen nach dem AsylbLG.

Mit Bescheid vom 13.11.2019 stellte der Antragsgegner die Einschränkung der Leistungen nach § 1a Abs. 7 iVm Abs. 1 AsylbLG fest und gewährte dem Antragsteller ab dem 12.11.2019 bis 30.04.2020 einen mtl. Geldbetrag iHv 153,88 EUR für Ernährung, Gesundheits- und Körperpflege. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung wurden in Form von Sachleistungen gewährt.

Der Asylantrag sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 des Asylgesetzes (AsylG) als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung sei nach § 34a Abs. 1 S. 1 zweite Alternative AsylG angeordnet worden. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig. Italien sei das zuständige Land zur Durchführung des Asylverfahrens. Der Antragsteller erhielt den Bescheid sogleich am 13.11.2019.

Mit Fax seines Prozessbevollmächtigten vom 13.12.2019 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.11.2019 ein. Laut der Kopfzeile des Faxes erreichte das Fax den Antragsgegner am 13.12.2019. Der Eingangsstempel führt den 16.12.2019 auf. Auf die dortige Begründung des Antragstellers wird verwiesen. Über den Widerspruch wurde bisher, soweit ersichtlich, nicht entschieden.

Mit seinem Antrag vom 12.01.2020 auf einstweiligen Rechtsschutz, der am Folgetag einging, hat sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt.

1. Der Bescheid vom 13.11.2019 sei rechtswidrig. Der Antragsteller habe Anspruch auf Leistungen gem. § 2 AsylbLG (Regelbedarfsstufe 1). Die Regelung des § 1 a AsylbLG verletze das durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrech...

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