Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Analogleistungen. Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bei Unterbringung in einer Sammelunterkunft. Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 15 AsylbLG. verfassungskonforme Auslegung. tatsächliches Füreinandereinstehen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Übergangsregelung des § 15 AsylbLG ist nicht nur in Bezug auf die Verlängerung der Wartefrist anzuwenden.

2. Als ungeschriebene Voraussetzung des § 2 Abs 1 S 4 Nr 1 AsylbLG ist ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" zu fordern.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für die Monate September, Oktober und Dezember 2019 höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zustehen.

Der Kläger, nach eigenen Angaben 1997 geboren und Staatsangehöriger S, reiste erstmals am 06.05.2017 nach Deutschland ein und beantragte in den Tagen danach Asyl. Er gab an, verheiratet zu sein und über keine Identitätsdokumente zu verfügen. Der Kläger erhielt eine Aufenthaltsgestattung. Nach einem Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung wurde er ab 29.08.2017 dem Landkreis A und dort der Einrichtung in S zugewiesen (Bescheid der D. vom 16.08.2017).

Der Asylantrag des Klägers wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 06.09.2017 als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Italien sei für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig. Ein dagegen zum Bayer. Verwaltungsgericht Regensburg (VG) gerichteter Antrag auf einstweiligen Rechtschutz blieb erfolglos (Beschluss vom 15.09.2017, RN 12 S 17.51936).

Vom BAMF wurde am 01.02.2018 für die Überstellung ein Laissez-Passer für den Kläger ausgestellt. Außerdem wurde der Kläger von der Ausländerbehörde am 15.02.2018 zur Klärung des Aufenthaltsstatus und zur Identitätsfeststellung vorgeladen (Schreiben der D. vom 25.01.2018). Der Kläger wurde über seine asylrechtlichen Mitwirkungspflichten belehrt und gab an, weder einen Pass noch eine Geburtsurkunde besessen zu haben. Der Kläger wurde aufgefordert, bis 03.04.2018 Identitätsdokumente vorzulegen oder mitzuteilen, warum dies nicht möglich sei.

Laut Empfangsbekenntnis vom 03.04.2018 wurde die vom Kläger am 03.04.2018 vorgelegte Geburtsurkunde von der D. einbehalten. Am 29.11.2019 wurde das Dokument polizeilich sichergestellt und als Totalfälschung eingestuft.

Nachdem die für den 01.03.2018 und 15.03.2018 geplanten, dem Kläger aber nicht mitgeteilten Überstellungsversuche gescheitert waren, da der Kläger nicht angetroffen wurde, hob das BAMF den Bescheid vom 06.09.2017 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist mit Bescheid vom 20.03.2018 auf. Das Klageverfahren vor dem VG gegen den Bescheid vom 06.09.2017 (RN 12 K 17.51937) wurde für erledigt erklärt.

Anschließend führte das BAMF das nationale Asylverfahren durch. Mit Bescheid vom 16.05.2018 lehnte es die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung und die Zuerkennung subsidiären Schutzes ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und forderte den Kläger zum Verlassen des Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen auf. Die hiergegen zum VG erhobene Klage wurde später abgewiesen (Urteil vom 07.01.2020, RN 12 K 18.31589).

Ab dem 03.04.2019 wurde der Kläger der Stadt A und dort der Gemeinschaftsunterkunft A-Ost zugewiesen (Bescheid der D. vom 25.03.2019).

Am 24.04.2019 wurde der Kläger von der Beklagten belehrt, dass er der Ausländerbehörde seinen Pass oder Passersatz sowie alle für die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen (z.B. Geburts- und Heiratsurkunden) vorlegen und an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes mitwirken müsse.

Die Ausländerbehörde der Beklagten teilte auf Anfrage intern mit (Schreiben vom 08.05.2019), der Kläger habe die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08.05.2019 für die Zeit von Mai bis Juni 2019 sog. Analogleistungen i.H.v. monatlich 364,65 EUR.

Mit Bescheid vom 06.06.2019 wurden dem Kläger für die Zeit von Juli bis Dezember 2019 Analogleistungen i.H.v. monatlich 364,65 EUR bewilligt. Durch die D. würden in der staatlichen Gemeinschaftsunterkunft als Sachleistung Unterkunft, Energie, Wohnungsinstandhaltung, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände gewährt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 02.09.2019 mit, die Leistungen für September 2019 würden vor dem Hintergrund gesetzlicher Änderungen der Bedarfssätze und -stufen nur vorläufig gewährt. Die endgültigen Leistungen würden gesondert festgestellt.

Durch den Bescheid vom 05.09.2019 wurde der Bescheid vom 06.06.2019 aufgehoben und die Leistungsbewilligung für...

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