Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 27.08.1991; Aktenzeichen L 7 Ar 74/91)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. August 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die besondere Förderung der Einstellung und Ausbildung eines schwerbehinderten Beamten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe.

Die klagende Stadt beantragte am 29. Juli 1988 bei der beklagten Bundesanstalt (BA) einen Zuschuß zur „Ausbildungsvergütung” des am 13. Juli 1953 geborenen Jörg-Uwe B. … (B). Dieser ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 vH Schwerbehinderter. Die Klägerin stellte B am 1. August 1988 als zusätzliche Kraft „Ausbildung über Bedarf”) ein, berief ihn in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und ernannte ihn zum Stadtinspektorenanwärter. Seitdem stand B im Vorbereitungsdienst (in Vollzeitform) für die Laufbahn des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes. Dieser dauert in Niedersachsen drei Jahre. Ihre Beschäftigungspflicht hatte die Klägerin erfüllt.

Die BA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1989 ab. Sie hält die Förderungsvoraussetzungen nicht für erfüllt, weil B als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst weder „zur Ausbildung” noch zur „sonstigen beruflichen Bildung” beschäftigt werde. Außerdem sei B vor Eintritt in den Vorbereitungsdienst nicht arbeitslos bzw bei einer Dienststelle der BA arbeitslos gemeldet gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil des SG Braunschweig vom 9. Januar 1991). Die dagegen gerichtete Berufung der BA hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 27. August 1991). Das LSG hat die Ansicht vertreten, als Stadtinspektorenanwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf werde B zur Ausbildung beschäftigt, ohne auf die Einstellung einen Rechtsanspruch zu haben. Unter dieser Voraussetzung komme es für die Förderung auf eine Arbeitslosmeldung nicht an, weil diese „ohne Rücksicht auf Arbeitslosigkeit” vorzunehmen sei. Durch die Verwendung des Begriffs Arbeitgeber habe der Gesetzgeber die Förderung der Einstellung und Beschäftigung von Beamten nicht ausgeschlossen. Das ergebe sich aus dem Zusammenhang der Regelungen des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) und der Finanzierung der Förderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Der Anspruch der Klägerin auf Förderung sei danach dem Grunde nach gegeben.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA eine Verletzung des § 33 Abs 2 Nr 5 SchwbG iVm §§ 2 Abs 1; 3 Abs 3 Nr 2 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV). Sie ist der Ansicht, die Einstellung und Beschäftigung von Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sei nicht förderbar, weil Beamte weder „Auszubildende” noch „zur Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung” eingestellt seien. Diese Begriffe seien im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) zu verstehen, das Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht einbeziehe (§ 83 BBiG). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nichtzählung von Ausbildungsstellen und die Mehrfachanrechnung (§§ 8 und 10 Abs 2 SchwbG) ergebe sich, daß die Förderungsvoraussetzungen nach §§ 33 SchwbG; 2 und 3 SchwbAV Ausbildungshemmnisse in der Privatwirtschaft abbauen sollten. Nur bei privaten Arbeitgebern sei ein Einfluß auf die Ausbildungsbereitschaft durch die Förderung zu erwarten. Auch in den Fällen des § 3 Abs 3 SchwbAV sei eine Meldung beim Arbeitsamt unverzichtbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. August 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Januar 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Urteile im Hinblick auf die von den gesetzlichen Regelungen angestrebte Eingliederung Schwerbehinderter in das Erwerbsleben für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der BA ist nicht begründet, denn das Urteil des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 SGG). Mit Recht haben die Vorinstanzen einen Förderungsanspruch der Klägerin gegenüber der BA wegen der Einstellung und Beschäftigung des Schwerbehinderten B als Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes dem Grunde nach (§ 130 SGG) bejaht.

1. Die der BA obliegende Aufgabe besonderer Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter auf Arbeitsplätzen iS des § 7 Abs 1 SchwbG ist in § 33 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 bis 5 SchwbG allgemein beschrieben. Die Bundesregierung ist nach § 33 Abs 2 Satz 5 SchwbG ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über Voraussetzungen, Personenkreis, Art, Höhe und Dauer der Leistungen sowie über das Verfahren zu bestimmen. Sie hat von dieser Ermächtigung mit Erlaß der 2. Verordnung zur Durchführung des SchwbG Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung – (SchwbAV) vom 28. März 1988 (BGBl I, 484) Gebrauch gemacht. Dabei hat sie die in § 33 Abs 2 Satz 1 SchwbG mit dem Merkmal „kann” eröffnete Möglichkeit der besonderen Förderung für die in den §§ 2 und 3 SchwbAV näher bestimmten Arbeitgeber und Schwerbehinderten als Anspruchsleistung ausgestaltet (§ 1 SchwbAV). Damit sucht die Bundesregierung negative Einflüsse auf die Einstellungsbereitschaft von Arbeitgebern abzuwehren. Sie sollen soweit wie möglich Klarheit über in Betracht kommende Förderleistungen erhalten, ohne zuvor Verhandlungen mit dem Arbeitsamt über Ermessensleistungen führen zu müssen (BR-Drucks 482/87, S 45).

2. Besondere Förderungsleistungen erhalten nach § 2 Abs 1 SchwbAV – ua hier nicht erheblichen Voraussetzungen – Arbeitgeber, die ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht hinaus (§ 5 SchwbG) Schwerbehinderte unter den Voraussetzungen des § 3 SchwbAV auf einem Arbeitsplatz (§ 7 Abs 1 SchwbG) unbefristet oder zur Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung einstellen und beschäftigen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Unstreitig hatte die Klägerin ihre Beschäftigungspflicht zum Zeitpunkt der Antragstellung und der Entscheidung der BA über den Förderungsantrag erfüllt. Da die besondere Förderung der Beschäftigung bzw Ausbildung auf Arbeits- bzw Ausbildungsplätzen gilt, ist eine vorherige Anerkennung wie bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht erforderlich (dazu: BSGE 69, 274, 277).

2.1 Die Klägerin ist auch als Dienstherr eines Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes Arbeitgeber iS der §§ 33 Abs 2 Satz 2 SchwbG; 2 Abs 1 SchwbAV. Die Beschäftigungspflicht begründet § 5 Abs 1 SchwbG, auf den §§ 33 Abs 2 Satz 1 SchwbG; 2 Abs 1 SchwbAV ausdrücklich Bezug nehmen, für private Arbeitgeber und Arbeitgeber der öffentlichen Hand. Mit dem Klammerzusatz „Arbeitgeber” in § 5 Abs 1 SchwbG wird deutlich, daß die Vorschrift eine Legaldefinition des Arbeitgebers für den Geltungsbereich des Schwerbehindertenrechts enthält. Ausdrücklich stellt § 5 Abs 3 Nr 3 SchwbG klar, daß jede Gebietskörperschaft zu den Arbeitgebern gehört. Die klagende Stadt ist eine Gebietskörperschaft (§ 1 Abs 2 Niedersächsische Gemeindeordnung ≪GO≫ idF vom 22. Juni 1982 – Nds GVBl S 229). Die Begriffsbestimmung des Arbeitsplatzes in § 7 Abs 1 SchwbG bezieht auch Beamte und Richter ein und stellt damit klar, daß der Status eines Dienstherrn im Sinne des Beamtenrechts nicht die Eigenschaft eines Arbeitgebers im Sinne des Schwerbehindertenrechts ausschließt. Etwas anderes gilt nach § 7 Abs 3 SchwbG nur für Stellen, auf denen Personen beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben. Dies trifft für Beamte des gehobenen Dienstes im Vorbereitungsdienst nicht zu, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

2.2 Die Klägerin hat B als Beamten auf Widerruf im Vorbeitungsdienst für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst zur Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung iS der §§ 33 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SchwbG; 2 Abs 1 SchwbAV eingestellt. Eine ausdrückliche Bestimmung dieser Förderungsvoraussetzungen ist dem Schwerbehindertenrecht nicht zu entnehmen. Da sie alternativ nebeneinander stehen, kann eine Abgrenzung der verschiedenen Formen beruflicher Bildung für die Entscheidung des Rechtsstreits auf sich beruhen. Die Fassung der §§ 33 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SchwbG; 2 Abs 1 SchwbAV soll gewährleisten, daß die Förderung nicht nur in Fällen der Ausbildung im technischen Sinn, sondern auch zur Fortbildung oder Umschulung und für Maßnahmen der innerbetrieblichen beruflichen Bildung, insbesondere der Rehabilitation gewährt wird (BR-Drucks 482/87, S 45). Danach ist unter Ausbildung oder sonstiger beruflicher Bildung hier jede Maßnahme zu verstehen, die Schwerbehinderten notwendige fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten in einem geordneten Verfahren vermittelt und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung ermöglicht, um eine qualifizierte berufliche Tätigkeit auszuüben (vgl auch: § 1 BBiG). Diesen Anforderungen genügt der Vorbereitungsdienst für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst:

Der Vorbereitungsdienst erfolgt in einem geordneten Ausbildungsgang, der in §§ 21 ff Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) idF vom 11. Dezember 1985 (Nds GVBl S 493), der Niedersächischen Laufbahnverordnung (NLVO) idF vom 28. August 1984 (Nds GVBl S 193) und der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahnen des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes (APVOgehD) vom 17. Februar 1989 (Nds GVBl S 29) im einzelnen festgelegt ist. Der Vorbereitungsdienst dauert für den gehobenen Dienst drei Jahre und besteht aus Fachstudien und berufspraktischen Studienzeiten von je 18 monatiger Dauer (§ 27 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 NLVO), deren Inhalt und Zuordnung in §§ 9 ff APVOgehD näher geregelt ist. Als Ziel der Ausbildung bezeichnet § 8 APVOgehD die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden sowie berufspraktischer Kenntnisse und Fertigkeiten.

Inhaltlich entspricht der Vorbereitungsdienst damit einem materiellen Begriff der Ausbildung oder beruflichen Bildung. Dieser mag in bestimmten rechtlichen Zusammenhängen konkretisierungsbedürftig sein. Für den Bereich des Schwerbehindertenrechts, namentlich die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehindeter, kann dafür aber nur der Regelungsgehalt und die Zielsetzung des SchwbG und der SchwbAV maßgebend sein. Regelungen des BBiG können in diesem rechtlichen Zusammenhang nur herangezogen werden, soweit sie den eigenständigen Inhalt von SchwbG und SchwbAV nicht verfehlen. Für das methodisch vergleichbare Verhältnis von Berufsbildungs- und Arbeitsförderungsrecht hat das BSG entschieden, daß die Begriffsbildung von dem jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten der einzelnen Rechtsgebiete auszugehen hat (BSGE 37, 163, 165 mwN; vgl auch: Gagel, AFG-Kommentar, vor § 40 RdNr 2 aE – Stand: August 1978; Hennig/ Kühl/Heuer/Henke, AFG-Kommentar, § 40 RdNr 33 – Stand: August 1989).

Dem SchwbG und der SchwbAV sind Anhaltspunkte nicht zu entnehmen, die darauf hindeuten könnten, daß der Vorbereitungsdienst für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst nicht der Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung dient. Zwar unterscheidet § 5 Abs 1 SchwbG zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitgebern der öffentlichen Hand und § 7 Abs 1 SchwbG zwischen Arbeitern, Angestellten, Beamten, Richtern sowie Auszubildenden und anderen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten. Daraus ist aber – entgegen der Ansicht der BA – nicht der Hinweis zu entnehmen, die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter sei auf privatrechtliche Ausbildungsverhältnisse beschränkt. Das Gesetz knüpft an die Gruppenbildung gerade nicht unterschiedliche Rechtsfolgen, sondern unterwirft private Arbeitgeber und Arbeitgeber der öffentlichen Hand zum Zweck der Eingliederung Schwerbehinderter in das Erwerbsleben den gleichen Regeln über die Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen, der Pflichtplatzzahl und der Ausgleichsabgabe. Insbesondere besteht für Beschäftigte, die in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen hoheitliche Aufgaben als Beamte oder Richter wahrzunehmen haben, abgesehen von dem hier nicht einschlägigen § 7 Abs 3 SchwbG keine Sonderregelung. Deshalb lassen sich aus der Eigenart von Beamtenverhältnissen und den Grundsätzen der Besetzung von Beamtenstellen durchgreifende Bedenken gegen die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter im beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst nicht herleiten. Die „Antriebsfunktion” der gesetzlichen Regelungen soll alle Arbeitgeber und damit auch Dienstherrn öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse anhalten, Schwerbehinderte einzustellen (BVerfGE 57, 139, 167).

Etwas anderes kann auch nicht für die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter gelten. Diese Aufgabe der BA hat durch Art 1 Nr 27 des 1. Gesetzes zur Änderung des SchwbG vom 24. Juli 1986 (BGBl I, 1110) eine gesetzliche Grundlage erhalten. Sie hat die Sonderprogramme des Bundes und der Länder zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für arbeitslose Schwerbehinderte (vgl zuletzt: BAnz Nr 223 vom 28. November 1981) abgelöst und erweitert. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt sich, daß der Förderungszweck sich mit der allgemeinen sozialpolitischen Zielsetzung des Schwerbehindertenrechts deckt, „die Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit und Beruf zu sichern” (BT-Drucks 10/3138, S 24). Anhaltspunkte dafür, daß die besondere Förderung allein darauf abzielt, Belastungen ausbildungswilliger privater Arbeitgeber zu vermeiden und deren Ausbildungshemmnisse abzubauen, bestehen entgegen der Annahme der BA nicht. Gegenteiliges läßt sich insbesondere nicht den Auseinandersetzungen im Gesetzgebungsverfahren um die Berücksichtigung von Auszubildenden bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Pflichtplätze (§ 8 SchwbG) sowie der Mehrfachanrechnung (§ 10 Abs 2 SchwbG) entnehmen. Die Begründung des Regierungsentwurfs hebt ausdrücklich hervor, durch diese Regelungen sei eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zu erwarten (BT-Drucks 10/3138, S 15). Für ein einheitliches Verständnis der Tatbestandsmerkmale „Ausbildung oder sonstige berufliche Bildung” im SchwbG – einschließlich der durch das 1. Änderungsgesetz zum SchwbG eingeführten Vorschriften – spricht abgesehen von der Bezugnahme der §§ 33 Abs 2 Satz 1 SchwbG; 2 Abs 1 SchwbAV auf § 5 Abs 1 SchwbG ein Funktionszusammenhang. Die BA erbringt die Förderungsleistungen aus den ihr aus dem Ausgleichsfonds zugewiesenen Mitteln (§ 1 SchwbAV). Es wäre nicht sachgerecht, wenn Arbeitgeber der öffentlichen Hand als Dienstherrn von Beamten zur Ausgleichsabgabe herangezogen (§§ 5 ff SchwbG), aber bei Ausbildung schwerbehinderter Beamter von der Verwendung dieser Mittel ausgeschlossen würden. Folgerichtig kennt das Schwerbehindertenrecht eine § 40c Abs 2 AFG entsprechende Beschränkung der besonderen Förderung auf „Maßnahmen im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem BBiG” nicht.

Wegen der Benachteiligung Schwerbehinderter im Wettbewerb um Ausbildungsplätze (vgl BT-Drucks 10/3138, S 15) erscheint es im Hinblick auf die Freiheit der Berufswahl (Art 12 Abs 1 GG) und des Zugangs zu öffentlichen Ämtern (Art 33 Abs 2 GG) zumindest naheliegend, auch die Einstellung und Beschäftigung von Beamten im Vorbereitungsdienst zu fördern, soweit § 7 Abs 3 SchwbG dies nicht ausschließt. Grundsätze des Beamtenrechts stehen dem nicht entgegen. Hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung berücksichtigt auch das Beamtenrecht die Belange von Schwerbehinderten (vgl § 13 Verordnung über die Laufbahnen der BundesbeamtenBundeslaufbahnverordnung ≪BLV≫ idF der Bekanntmachung vom 8. März 1990 – BGBl I, S 449).

Schließlich ist die Förderung der Ausbildung Beamter nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Bundesregierung zur Begründung der SchwbAV auf das BBiG Bezug genommen hat. Damit sollte verdeutlicht werden, daß sich die besondere Förderung nunmehr über die Ausbildung im eigentlichen Sinne hinaus auch auf Umschulung, Fortbildung und Rehabilitation bezieht (BR-Drucks 482/87, S 45). Ob dem BBiG ein den Vorbereitungsdienst für Beamte auschließender Begriff der Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung zugrundeliegt, erscheint zweifelhaft. Für die Entscheidung kann dies aus den erörterten Gründen auf sich beruhen. Im übrigen beruft sich die BA im Kern nicht auf einen dem BBiG zu entnehmenden Ausbildungsbegriff, sondern auf den begrenzten sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Wenn es in §§ 2 Abs 2 Nr 1; 83 BBiG heißt, dieses Gesetz gelte nicht für die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder für ein Berufsausbildungsverhältnis, das ausdrücklich mit dem ausschließlichen Ziel einer späteren Verwendung als Beamter begründet wird, so läßt dies gerade nicht auf einen engeren Begriff der Berufsbildung schließen als er anderen Gesetzen zugrundeliegt. Die Vorschriften setzen einen Begriff von beruflicher Bildung im BBiG voraus, der auch öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnisse erfaßt. Andernfalls hätte der Gesetzgeber keinen Anlaß gesehen, den sachlichen Geltungsbereich des BBiG insoweit ausdrücklich einzuschränken. Die Gründe für die Begrenzung dieses Geltungsbereiches sind nicht geeignet, die besondere Förderung der Einstellung und Ausbildung schwerbehinderter Beamter auszuschließen. Nach dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit sind diese Dienstverhältnisse „wegen der besonderen Rechtsbeziehungen, wegen ihrer Ausrichtung auf die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben und wegen der umfassenden Regelung der dienstlichen Ausbildung und Fortbildung im Dienstrecht nicht in das BBiG einbezogen worden” (BT-Drucks V/4260, S 5). Die Begrenzung des Geltungsbereichs war auch aus kompetenzrechtlichen Gründen erforderlich. Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für die betriebliche Berufsausbildung ergibt sich aus Art 74 Nr 11 GG, denn nur diese Form der Berufsausbildung ist „Recht der Wirtschaft” (BVerfGE 55, 274, 309; vgl auch: BVerwGE 69, 162, 165; BAGE 26, 128, 204; 28, 269, 272 f). Für die Regelung der Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen, wozu auch die einschlägige Berufsausbildung gehört, steht dem Bund aber nur eine Kompetenz zum Erlaß von Rahmenvorschriften nach Art 72; 75 Nr 1 GG zu. Der Bundesgesetzgeber konnte deshalb eine Regelung des Vorbereitungsdienstes von Beamten der Länder, Gemeinden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht uneingeschränkt in das BBiG einbeziehen.

Nach der hier vertretenen Auslegung des Gesetzes unterliegt die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Beamter im Vorbereitungsdienst nicht dem von der BA erhobenen Einwand, sie betreffe ein befristetes Beschäftigungsverhältnis. Der Vorbereitungsdienst ist zwar – wie Ausbildungsverhältnisse in der Regel – befristet, die unbefristete Einstellung und Beschäftigung gilt nach § 2 Abs 1 SchwbAV aber nur für Beschäftigungen außerhalb der Ausbildung und sonstigen beruflichen Bildung. Das ergibt sich zwingend aus der Verbindung der Anspruchsvoraussetzungen mit dem Wort „oder”. Bedenken unterliegt deshalb die ihrem Prozeßverhalten widersprechende und widersprüchliche Ansicht der BA, Stellen für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst seien wie andere Stellen als Arbeitsplätze mit einem Arbeitsentgeltzuschuß bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen zu fördern (Runderlaß 43/91 vom 29. April 1991 zu § 2 SchwbAV; ähnlich: Cramer, SchwbG, 4. Aufl 1992, § 7 RdNr 9). Nur gegenüber dieser Aussicht, die der Senat nicht teilt, trifft der Einwand der BA zu.

3. Nach § 3 SchwbAV begründet nicht jede Einstellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten die besondere Förderung. Vielmehr bildet die Verordnung mit ergänzenden Merkmalen zwei Gruppen von Schwerbehinderten, deren Einstellung und Beschäftigung die besondere Förderung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auslöst.

Nach § 3 Abs 1 SchwbAV wird die Einstellung und Beschäftigung von Arbeitslosen oder iS des § 44 Abs 2 Satz 3 AFG von Arbeitlosigkeit unmittelbar bedrohten, beim Arbeitsamt (ArbA) gemeldeten Schwerbehinderten unter den weiteren Voraussetzungen der Nrn 1 bis 4 gefördert. Diese weiteren Voraussetzungen können hier auf sich beruhen, denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG war der Schwerbehinderte B nicht beim ArbA arbeitslos gemeldet.

Der Förderung steht dies jedoch nicht entgegen, denn nach § 3 Abs 3 Nr 2 SchwbAV wird darüber hinaus die Einstellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten ohne Rücksicht auf Arbeitslosigkeit gefördert, die zur Ausbildung und sonstigen beruflichen Bildung eingestellt werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. § 3 Abs 3 SchwbAV enthält gegenüber der Regelung des ersten Absatzes Ausnahmen. Nach § 3 Abs 3 Nr 2 SchwbAV soll durch Förderung der beruflichen Bildung dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden (Neumann/Pahlen, SchwbG, 8. Aufl 1992, § 3 SchwbAV RdNr 4). Auch insoweit hat der Verordnungsgeber die Förderungsvoraussetzungen gegenüber dem früheren Schwerbehinderten-Sonderprogramm des Bundes und der Länder erweitert. Die gegenteilige Ansicht der BA (Runderlaß 43/91 zu § 3 SchwbAV; ähnlich: Cramer aaO § 3 SchwbAV RdNr 3) kann nicht überzeugen. Sie steht mit Wortlaut und Zweck der Regelung nicht im Einklang und läßt sich auch nicht aus dem Zusammenhang der §§ 33 Abs 2; 1 ff SchwbAV rechtfertigen. Rechtssystematisch ergeben sich Bedenken gegen jene Rechtsansicht aus § 31 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt. Die Meldung des Schwerbehinderten beim ArbA ist unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 3 SchwbAV nicht gefordert, auch nicht in Form einer „Vorsprache oder Kontaktaufnahme” mit der Berufsberatung des ArbA (so aber Cramer aaO). Sie erscheint auch nicht unerläßlich, um die Subsidiarität der besonderen Förderung gegenüber anderen Sozialleistungen (§§ 11 Abs 3 Satz 1; 33 Abs 2 Satz 2 und 3 iVm 31 Abs 4 SchwbG) oder eine arbeitsmarktpolitisch zweckmäßige Berufsausbildung zu gewährleisten. Eine im Allgemeininteresse möglicherweise zweckmäßige Einflußnahme des ArbA auf die Berufswahl dürfte schon dadurch gesichert sein, daß der Förderungsantrag vor der Einstellung des Schwerbehinderten zu stellen ist (§ 8 Satz 2 SchwbAV). Das Gleiche gilt für die Wahrung der Subsidiarität der besonderen Förderung, die im übrigen auch nachträglich herbeigeführt werden kann (§ 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 SchwbAV). Andererseits ist das Interesse des Arbeitgebers, bei der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern die Förderungsvoraussetzungen den einschlägigen Vorschriften vollständig entnehmen zu können, zu bedenken. Gerade unter diesem Gesichtspunkt hat der Verordnungsgeber die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten als Pflichtleistung der BA begründet (BR-Drucks 482/87, S 45).

Die Revision der Beklagten kann danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172892

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