Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Der Kläger war bis Juli 1966 in seinem erlernten Beruf als Chemielaborant tätig. Die Beklagte anerkannte ein seit November 1964 bestehendes Hautekzem an beiden Händen, das auf einer Allergie gegen Nickel- und Kobaltsulfat beruht, als Berufskrankheit (Nr. 46 der Anl. zur 6. Berufskrankheitenverordnung - BKVO -) und gewährte dem Kläger anfangs eine vorläufige Rente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. (Bescheide vom 23. März 1967 und 21. Dezember 1967). Nach Ablehnung einer Dauerrente (Bescheid vom 26. April 1968) sprach sie diese Leistung dem Kläger über den 31. Mai 1968 hinaus zu (Schreiben vom 18. Juni 1970). Sie ließ den Kläger auf ihre Kosten von 1967 bis 1970 zum Sozialpädagogen umschulen und zahlte in dieser Zeit als Berufshilfe die Vollrente. Ab April 1970 war der Kläger als Praktikant, ab April 1971 als Angestellter des öffentlichen Dienstes in diesem Beruf tätig. Seit Mai 1972 ist er Beamter, seit 1977 Bezirksjugendpfleger, anfangs in der Besoldungsgruppe A 10 eingestuft, inzwischen als Amtmann in der Besoldungsgruppe A 11. Die Beklagte entzog die Dauerrente ab Mai 1977 (Bescheid vom 10. März 1977). Nachdem das Landessozialgericht (LSG) die Klage gegen diesen gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren um die Rentenhöhe einbezogenen Verwaltungsakt abgewiesen hatte (Urteil vom 20. September 1977 nach Zurückverweisung durch Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 24. April 1975 in BSGE 39, 271 = SozR 2200 § 573 Nr. 4) hob das BSG diesen Bescheid auf (Urteil vom 6. Dezember 1978 in BSGE 47, 249 = SozR 5670 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 3). Mit Bescheid vom 20. Dezember 1979 entzog die Beklagte die Dauerrente ab Februar 1980 nach § 622 Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die Umschulung dem Kläger ein neues, der früheren Tätigkeit mindestens gleichwertiges Arbeitsfeld mit gleichen Verdienstmöglichkeiten erschlossen habe und weil sich nun nach langer Zeit mit hinreichender Gewißheit eine wesentliche Beruhigung der Hautkrankheit feststellen lasse. Das Sozialgericht (SG) hat diesen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 25. November 1981). Das LSG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. März 1982). Gegenüber dem Zustand, auf dem die Weitergewährung der Rente (s. Schreiben vom 16. Juni 1970) beruhte, hätten sich zwar die gesundheitlichen Verhältnisse, d.h. das klinische Erscheinungsbild und die allergische Disposition, nicht gebessert, wenn auch die Erscheinungen an den Händen teilweise auf ein anlagebedingtes Ekzem zurückzuführen seien. Aber eine wesentliche Änderung, die die angegriffene Neufeststellung nach § 622 RVO rechtfertige, sei durch die erfolgreiche Umschulung eingetreten. Der Kläger habe durch sie neue berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten erworben. Er habe bessere Verdienstmöglichkeiten als im aufgegebenen Beruf, habe durch den Wechsel vom Angestellten in der Wirtschaft zum Beamten im gehobenen Dienst einen besseren Berufsstatus erworben und ein qualifizierteres sowie weiteres Berufsfeld eröffnet bekommen. Außerdem bedinge die Hauterkrankung bei freier Einschätzung überhaupt keine MdE mehr; die Gefahr des Wiederaufflackerns sei im neuen Beruf nicht mehr gegeben. Ungeachtet der "abstrakten" Bemessung der MdE, die grundsätzlich auch für Berufskrankheiten gelte, seien Hautkrankheiten nur dann zu entschädigen, wenn der ausgeübte Beruf aufgegeben sei. Dieses Tatbestandsmerkmal der anerkannten Berufskrankheit sei für die MdE bedeutsam. Der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG, der mit der Bestätigung des angefochtenen Bescheides gefolgt werde, habe der 2. Senat nicht widersprochen.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 622 Abs. 1 RVO a.F. Er wendet sich gegen die Rechtsauffassung des LSG, daß auch eine Änderung beruflicher Verhältnisse eine Neufeststellung der MdE rechtfertigen könne. Der Erwerb neuer beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten sei deshalb nicht als rechtserheblich zu berücksichtigen, weil diese die erste Bemessung der MdE nicht beeinflußt hätten. Dem Kläger sei nach dem Grundsatz der "abstrakten" Schadensbemessung weiterhin ein Teil des allgemeinen Arbeitsfeldes verschlossen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das Berufungsurteil, soweit dies die berufliche Entwicklung des Klägers berücksichtigt. Im übrigen beanstandet sie die Feststellung, daß sich das anerkannte Hautleiden wesentlich gebessert habe. Das LSG habe verkannt, daß diese Krankheit in nennenswertem Umfang auf die persönlichkeitsbedingte Hautüberempfindlichkeit zurückzuführen sei.

II

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat im Ergebnis mit Recht die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Verletztenrente nach § 622 Abs. 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1980 geltend gewesenen Fassung entzogen. Das ist auch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl. I 1469) als rechtmäßig zu beurteilen. Diese Vorschrift ist seit dem 1. Januar 1981 in Übergangsfällen wie dem gegenwärtigen anzuwenden (Beschluß des Großen Senats des BSG, BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3; BSG vom 21. September 1983 - 9a RV 36/83 -; damit ist das entgegenstehende Urteil des 2. Senats des BSG vom 29. April 1982 - 2 RU 43/81 - = HVGB RdSchr. VB 158/82 - gegenstandslos). Nach beiden Bestimmungen ist über den Anspruch neu zu entscheiden, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die für die letzte Feststellung maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eintritt. So war es hier.

Die Beklagte durfte dem Kläger wegen des Erfolges der von ihr gewährten Berufshilfe (§ 556 Abs. 1 Nr. 2, §§ 576ff. RVO) die Verletztenrente entziehen. Mit dem erfolgreichen Abschluß des Studiums der Sozialpädagogik und der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter aufgrund eines einjährigen Praktikums im Jahre 1971 ist eine wesentliche Voraussetzung für eine "Minderung der Erwerbsfähigkeit" um ein Fünftel, von der die Verletztenrente u.a. abhängt (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO), fortgefallen.

Diese Erweiterung der beruflichen, auf Erwerb gerichteten Fähigkeiten hat den beruflichen Schaden, der zur Gewährung einer Verletztenrente gemäß einer MdE um 20 v.H. geführt hatte, in dem Umfang ausgeglichen, daß dem Kläger eine Rente nicht mehr zusteht.

Beim Vergleich mit den für die Rentengewährung maßgebend gewesenen Verhältnissen ist es gleichgültig, ob mit dem SG von der vorläufigen Rente ausgegangen wird (ebenso BSGE 27, 244 = SozR Nr. 5 zu § 622 RVO; BSG 23. Juni 1983 - 5a RKnU 2/82 -) oder mit dem LSG von der Feststellung der Dauerrente. Die beiden Leistungen hatte die Beklagte ersichtlich dem Kläger nur deshalb zuerkannt, weil er wegen der anerkannten Berufskrankheit seinen Beruf als Chemielaborant aufgab. Die MdE ist entsprechend diesem Beurteilungsmaßstab, der für die frühere Festsetzung bestimmend war, neu zu bewerten (BSG SozR 2200 § 622 Nr. 12; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II, S. 582 i/583). Weder die beiden Rentenbescheide noch die jeweils zugrunde gelegten Gutachten noch die von der Verwaltung an die Sachverständigen gerichteten Anfragen sagen ausdrücklich, was für die MdE-Beurteilung maßgebend war. Bei dieser Sachlage sind die Verwaltungsakte so auszulegen, wie sie bei verständiger Würdigung aller bekannten Umstände dem Empfänger erscheinen müssen (BSG 10. August 1983 - 9a RV 33/82 -). Diese Auslegung obliegt auch dem Revisionsgericht (BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr. 5). Nach allgemeiner Erfahrung ist davon auszugehen, daß sowohl die gehörten Sachverständigen als auch die Verwaltungsbeamten, die über die MdE entschieden (BSGE 6, 267, 268), sich von den damals herrschenden Vorstellungen leiten ließen. Sowohl im Schrifttum als in der Rechtsprechung wurde 1967 und 1970 uneingeschränkt die MdE nicht allein nach den Beeinträchtigungen im allgemeinen Erwerbsleben bemessen; vielmehr wurden außerdem besondere berufsbezogene Kenntnisse und Fähigkeiten des Verletzten als Bewertungsmaßstäbe genannt (BSG 1, 174, 178; 4, 294, 298; 21, 63, 67 = SozR Nr. 1 zu § 581 RVO; BSG 31, 185, 186; jeweils in den damaligen Auflagen: Brackmann, a.a.O., S. 566 y I ff.; Lauterbach, Unfallversicherung, Band II, § 581, Anmerkung 5a; Bitter in: RVO-Gesamtkommentar, Unfallversicherung, § 581, Anmerkung 4). Diese umfassende Definition der MdE, die auch später beibehalten wurde, u.a. in einem den Kläger betreffenden Urteil (BSGE 49, 252), geht auf die frühere Rechtsprechung zu der Vorschrift des § 559 a Abs. 1 RVO a.F. zurück, die noch nicht die Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Bewertungsfaktors ausdrücklich vorschrieb. Seit dies in § 581 Abs. 2 RVO i.d.F. des UNVG vom 30. April 1963 (BGBl. I 241) geregelt ist, muß jene Beschreibung als auf die gesamte MdE als Einheit erstreckt verstanden werden, die § 581 Abs. 1 und 2 RVO umfaßt. Sie paßt seitdem nicht mehr für eine allein nach § 581 Abs. 1 RVO zu bemessende MdE, worauf noch einzugehen ist. Da dies 1967 bis 1970 noch nicht in Rechtsprechung und Schrifttum klargestellt war, hielt sich die Praxis erfahrungsgemäß auch bei der üblichen MdE-Bemessung an jene umfassende Definition und berücksichtigte vielfach besondere berufliche Verhältnisse auch dann, wenn sie nicht § 581 Abs. 2 RVO bewußt und ausdrücklich anwendete (vgl. zur engen Auslegung dieser Vorschrift: BSGE 38, 118, 119 ff. = SozR 2200 § 581 Nr. 2; SozR 2200 § 581 Nr. 18). Im gegenwärtigen Fall muß ebenso verfahren worden sein. Anders wäre die Festsetzung einer MdE auf 20 v.H. nicht verständlich. Die durch die Berufskrankheit des Klägers bedingten Hauterscheinungen waren nach der Feststellung des LSG seit je geringfügig, und bei nicht wesentlich veränderten Befunden wurden sie im Gutachten vom 27. August 1979, das dem angefochtenen Entziehungsbescheid zugrunde lag, sogar als nicht meßbar beurteilt. In keinem der erstatteten Gutachten wurde im einzelnen dargelegt, daß dem Kläger infolge seiner Berufskrankheit unabhängig vom Zwang, den früheren Beruf aufzugeben, ein bestimmter nennenswerter Teil von Berufstätigkeiten des gesamten Erwerbslebens verschlossen sei und daß diesem Anteil eine MdE von 20 v.H. entspreche. Dann konnte dieser Vomhundertsatz allein wegen der besonderen Behinderung als Laborant angenommen werden. Ob diese MdE-Bewertung rechtmäßig war, ist im gegenwärtigen Verfahren nicht zu prüfen. Jene Grundlage der Bewilligungsbescheide wird nicht dadurch ausgeräumt, daß der Vertreter der Beklagten vor dem LSG erklärt hat, er sehe eine besondere berufliche Betroffenheit weder im Sinne des § 581 Abs. 2 RVO noch im Sinne der "Berufsaufgabe". Die Verneinung einer solchen Schädigung im Urteil vom 6. Dezember 1978 (BSGE 47, 249) betraf eine MdE von mehr als 20 v.H., also nicht die Grundlage der Bescheide, die diesen Vomhundertsatz festgestellt hatten.

Nach der Festsetzung einer rentenberechtigenden MdE unter den dargelegten Umständen dieses Falles führt eine erfolgreiche Berufsförderung im Ergebnis ebenso zum Fortfall des Rentenanspruches, wie wenn die MdE nur unter Berücksichtigung des § 581 Abs. 2 RVO mit mindestens 20 v.H. bewertet worden war.

Die bezeichnete Verwaltungspraxis hat der nicht mehr für Unfallversicherungsstreitigkeiten zuständige 8. Senat des BSG bei seiner früheren einschlägigen Rechtsprechung zur MdE bei Hautkrankheiten im Auge gehabt. Er hat allerdings eine andere Beurteilung der MdE stets für gerechtfertigt gehalten, falls der Versicherte, der wegen einer anerkannten Berufskrankheit seinen Beruf aufgeben mußte (Nr. 46 der Anlage 1 der 6. BKVO vom 28. April 1961 - BGBl. I 505), neue berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, mit denen er eine dem früheren Beruf gleichwertige Tätigkeit ausüben kann, sofern dabei die Gefahr des Wiederaufflackerns der Hautkrankheit nicht besteht (BSGE 39, 49, 52 f. = SozR 2200 § 622 Nr. 3; BSGE 44, 274, 278 ff. = SozR 2200 § 622 Nr. 14; SozR 2200 § 622 Nrn. 7 und 10; vgl. auch BSG 22. Februar 1979 - 8a RU 32/78 - = HGBG RdSchr. VB 93/79). In einem den Kläger betreffenden Revisionsurteil (BSGE 47, 249) hat sich der 8. Senat auf eines der zuvor zitierten Urteile bezogen (BSGE 39, 49), hat aber dies bloß beim Streit um eine höhere MdE als eine solche um 20 v.H. verwertet, den Entziehungsbescheid, der auf die Umschulung gestützt war, wegen eines Verwaltungsverfahrensfehlers aufgehoben (BSGE 47, 253f.) und somit nichts zur Rechtsfrage des gegenwärtigen Rechtsstreits mit der Folge einer Selbstbindung des Revisionsgerichts (vgl. BSG SozR 1500 § 170 Nr. 3) entschieden. Dieser Judikatur folgt der erkennende Senat nur in einem Fall wie dem gegenwärtigen, wenn die MdE ersichtlich wegen einer beruflichen Schädigung mit wenigstens 20 v.H. bewertet worden war. Allein das Aufgeben des Berufes, die Voraussetzung der Anerkennung einer Berufskrankheit, genügt dafür nicht. Dem Kläger muß die Rente entsprechend einer MdE um 20 v.H. schließlich nicht allein deshalb weiterhin gewährt werden, weil die verbleibende Anerkennung seiner Berufskrankheit eine "schwere oder wiederholt rückfällige Hautkrankheit" voraussetzt und weil ein solcher Zustand stets eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingte.

Die Revision des Klägers wäre hingegen erfolgreich, falls zuträfe, was in ihrer Begründung - irrig - angenommen wird, daß nämlich die MdE ausschließlich nach § 581 Abs. 1 RVO (entsprechend § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Bundesversorgungsgesetz für die soziale Entschädigung - vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 15) entsprechend dem Ausmaß des gesundheitlichen Schadens und des ausgeschlossenen Erwerbsvermögens im gesamten, also allgemeinen Arbeitsleben bemessen worden wäre; die Einbuße an Erwerbsfähigkeit nach den besonderen beruflichen Verhältnissen des einzelnen Versicherten wäre dann nicht bestimmend gewesen (BSGE 31, 185, 187 = SozR Nr. 7 zu § 581 RVO; BSGE 39, 31, 33 = SozR 2200 § 581 Nr. 3; zum Teil ebenso die Urteile zur "abstrakten" Bemessung, z.B. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 6). Diese MdE-Sätze werden aufgrund allgemeiner Erfahrung für alle gesundheitlich gleich geschädigten Versicherten einheitlich festgesetzt (Brackmann, a.a.O., S. 570 b). Die durch eine Berufskrankheit bedingte MdE ist nicht anders zu bewerten (vgl. § 551 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 RVO; BSGE 47, 249, 251f; BSGE 53, 17, 19 = SozR 2200 § 551 Nr. 21; SozR 2200 § 622 Nr. 21; SozR 5677 Anlage 1 Nr. 46 Nr. 8; BSG 30. September 1980 - 2 RU 81/78 -; BSG 1. Februar 1981 - 2 RU 25/79 - = HVGBG RdSchr. VB 136/81; BSG 29. April 1980 - 2 RU 60/78 -= RdSchr. VB 137/81). Eine Berufshilfe, die als selbständige Leistung neben der Verletztenrente gewährt wird (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil; § 537 Nr. 2 Buchstaben a) und b) RVO), beeinflußt grundsätzlich nicht die Erwerbsfähigkeit, deren Minderung nach § 581 Abs. 1 RVO die Rechtsfolge, nämlich den Schaden und die davon abhängige Rente, begrenzt (BSG SozR 2200 § 622 Nr. 21; BSG 29. April 1982 - 2 RU 43/81 -). Die dafür maßgebende Beeinträchtigung des Erwerbsvermögens, die sich danach bemißt, in welchem Umfang das allgemeine Erwerbsfeld dem Versicherten infolge Arbeitsunfall oder Berufskrankheit verschlossen ist, kann wohl durch eine medizinische Rehabilitation (§ 556 Abs. 1 Nr. 1, §§ 557 ff. RVO) vermindert werden, so daß sich die verbliebene Erwerbsfähigkeit erweitert. Wenn die MdE nicht wesentlich nach der besonderen beruflichen Befähigung vor dem Arbeitsunfall oder vor dem Auftreten einer Berufskrankheit beurteilt wurde, sondern nach dem allgemeinen Erwerbsleben, dann rechtfertigt nicht allein eine spätere zusätzliche berufliche Qualifizierung, die MdE herabzusetzen.

Da dem Kläger die Verletztenrente aber gerade nicht ausschließlich nach § 581 Abs. 1 RVO gewährt worden war, kommt dieser rechtliche Gesichtspunkt für Berufshilfefälle nicht zu seinen Gunsten zum Tragen.

Gleiches gilt für die günstige Entwicklung seines Einkommens. Die nach § 581 Abs. 1 RVO festgestellte MdE dürfte nicht wegen eines höheren Erwerbseinkommens, das dank einer Berufshilfe erzielt wird, geringer bewertet werden. Die derart bemessene MdE hängt nicht von einem konkreten, durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit bedingten Verdienstausfall ab (BSGE 30, 64, 68 = SozR Nr. 5 zu § 587 RVO; BSGE 31, 185, 188 = SozR Nr. 7 zu § 581 RVO; BSGE 39, 31, 33f. = SozR 2200 § 581 Nr. 3; zur Veröffentlichung vorgesehenes Urteil des erkennenden Senats vom 15. Juni 1983 - 9b/8 RU 58/81). Das liegt im Begriff der Minderung der "Erwerbsfähigkeit". Man mag diese Schadensbemessung "abstrakt'' nennen (zu diesem schillernden Begriff : Hermann Lange, Schadensersatz, Tübingen, 1979, S. 214 f., 221 ff.). Diese Auslegung des § 581 Abs. 1 RVO wird durch zwei gesetzliche Ausnahmeregelungen in den §§ 587 und 582 RVO sowie durch die Sondervorschrift des § 3 Abs. 3 der 7. BKVO vom 20. Juni 1968 - BGBl. I 721 -) bestätigt.

Da die der Rentengewährung zugrunde gelegte MdE-Bewertung vom besonderen beruflichen Schaden des Klägers abhängt, ist die Herabsetzung infolge des Erwerbs neuer beruflicher Fähigkeiten, die jenen Schaden ausgleichen, berechtigt.

Mithin muß die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.9b RU 48/82

Bundessozialgericht

Verkündet am

16. Mai 1984

 

Fundstellen

BSGE, 274

Breith. 1984, 966

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