Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlicher Schaden

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Jahresarbeitsverdienst nach § 573 Abs 1 RVO neu zu berechnen, so ist der Beruf, zu dem der Versicherte zZt des Unfalls ausgebildet wurde, auch dann maßgebend, wenn dieser Beruf tatsächlich erreicht worden ist.

 

Orientierungssatz

1. § 573 Abs 1 RVO stellt es allein darauf ab, daß die in S 2 vorgeschriebene Berechnung für den Verunglückten günstiger ist als die Bemessung nach der Grundregel des § 571 RVO. Es kommt nicht darauf an, ob ein konkreter wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, der mit der Verletztenrente auszugleichen wäre.

2. Die Sonderregelung des § 573 Abs 3 RVO für Verletzte iS des Abs 1, die infolge des Arbeitsunfalls einer Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr nachgehen, bestätigt, daß die in Abs 1 vorgeschriebene Vergünstigung auch dann gewährt wird, wenn der Verunglückte trotz der Unfallfolgen erwerbstätig ist, wodurch er sogar eine Vergütung erzielen kann, die seiner während des Unfalls betriebenen Ausbildung entspricht. Wenn bei einer tatsächlichen Erwerbsunfähigkeit nach Abs 3 der Jahresarbeitsverdienst (JAV) den üblichen altersbedingten Verdiensterhöhungen anzupassen ist, wird vorausgesetzt, daß während einer Erwerbstätigkeit der JAV nach Abs 1 zu bemessen ist, also unabhängig von der Höhe des trotz der Unfallfolgen erreichten Einkommens.

 

Normenkette

RVO § 571 Abs 1, § 573 Abs 1 Fassung: 1963-04-30, § 573 Abs 3, § 573 Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.07.1981; Aktenzeichen L 7 U 1391/80)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 06.06.1980; Aktenzeichen S 5 U 1169/79)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 06.06.1980; Aktenzeichen S 5 U 939/79)

 

Tatbestand

Der Kläger erlitt 1974 im Alter von 16 Jahren bei einem Verkehrsunfall ua eine Querschnittslähmung. Das Landessozialgericht (LSG) verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Versicherungsleistungen wegen der Folgen eines Unfalls bei einer nach § 539 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherten Tätigkeit zu gewähren, weil er auf dem Weg zur Besorgung eines Geschäftsbriefes für seinen Vater, der eine Bäckerei mit Verkauf von Lebensmitteln betreibt, verunglückt sei (Urteil vom 20. Juli 1978). Demgemäß setzte die Beklagte das Pflegegeld fest (Bescheid vom 23. Januar 1979, Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1979) und außerdem das Verletztengeld entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH sowie nach einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) auf der Grundlage des Ortslohnes eines männlichen Erwerbstätigen zwischen 16 und 21 Jahren (Bescheid vom 23. Juli 1979). Der Kläger begehrte mit den miteinander verbundenen Klagen, die sich gegen die beiden Entscheidungen richteten, ua eine Bemessung des JAV entsprechend dem Beruf eines Elektroingenieurs oder des Nachfolgers im Geschäft seines Vaters.

Zur Zeit des Unfalles besuchte der Kläger die Klasse 12 eines Technischen Gymnasiums. Trotz seiner Behinderung erwarb er die fachgebundene Hochschulreife und studierte Elektronik an einer Fachhochschule. Die Abschlußprüfung bestand er am 14. Februar 1981.

Das Sozialgericht (SG) wies die Klagen ab (Urteil vom 6. Juni 1980). Während des Berufungsverfahrens ist die Beklagte davon ausgegangen, daß der Kläger auch ohne den Unfall seine Ausbildung zum Diplomingenieur (FH) im Februar 1981 beendet hätte. In der Verhandlung vom 9. April 1981 hat sie sich bereit erklärt, für die Zeit ab 15. Februar 1981 den JAV nach § 573 Abs 1 RVO neu festzustellen. Der Kläger hat dieses "Teilanerkenntnis" angenommen und die das Pflegegeld betreffende Berufung zurückgenommen.

Durch Bescheid vom 9. Juni 1981 hat die Beklagte den der Rentenberechnung zugrundegelegten JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Schul- und Berufsausbildung ab 15. Februar 1981 gemäß § 573 Abs 1 RVO neu festgestellt. Dabei ist sie vom Tariflohn eines Bäckergesellen nach dem 4. Gesellenjahr in einem "Ein-Mann-Betrieb" ausgegangen. Der Kläger hat diesen Bescheid vor dem LSG angefochten mit dem Begehren, der Rente den JAV eines Diplomingenieurs der Fachrichtung Elektronik oder - hilfsweise - der Fachrichtung Getreide und Mehl zugrundezulegen.

Das LSG hat die Klage gegen diesen Verwaltungsakt abgewiesen (Urteil vom 2. Juli 1981). Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung sind das Gericht und die Beteiligten davon ausgegangen, daß der Bescheid vom 9. Juni 1981 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsgericht geworden ist. Das LSG hält auch für die Berechnung des JAV gemäß § 573 Abs 1 RVO nicht das Tarifeinkommen eines Diplomingenieurs (FH) der Fachrichtung Elektronik, hilfsweise der Fachrichtung Getreide und Mehl für maßgebend. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach für die Anwendung dieser Vorschrift bloß ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung und dem Unfall bestanden zu haben brauche, sei bedenklich. Allerdings sei ein "innerer" Zusammenhang nicht zu fordern, falls der Verletzte - wie der Kläger - zur Zeit des Unfalles noch keine spezielle berufliche Ausbildung begonnen habe. Falls ein solcher Zusammenhang gefehlt habe, sei der JAV nicht nach § 573 RVO, sondern gemäß der Grundregel des § 571 RVO entsprechend der Tätigkeit zu bemessen, bei der sich der Unfall ereignet habe.

Der Kläger vertritt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision weiterhin die Ansicht, der JAV für seine Rente müsse ab Februar 1981 nach dem Einkommen eines Diplomingenieurs (FH) festgelegt werden.

Er beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach dem Jahresarbeitsverdienst eines Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Elektronik zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie tritt der Rechtsauffassung des LSG bei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

Die Beklagte hat dem Kläger Verletztenrente nach dem JAV eines Diplom-Ingenieurs (FH) der Fachrichtung Elektronik ab 15. Februar 1981 zu zahlen, obwohl er diesen Beruf erreicht hat und seit diesem Zeitpunkt tatsächlich ausübt (§ 581 Abs 1, §§ 570, 573 Abs 1 RVO).

Mit der Neuberechnung nach dem Tariflohn eines Bäckergesellen hat die Beklagte ihre rechtsverbindlich übernommene Verpflichtung nur zum Teil erfüllt. Durch das angenommene "Teilanerkenntnis" (§ 101 SGG) hat sie sich verpflichtet, den JAV nach § 573 Abs 1 RVO für die Zeit nach der Beendigung des Fachhochschulstudiums neu zu berechnen. Damit ist festgelegt, daß ein von § 571 RVO abweichender JAV gemäß § 573 Abs 1 RVO für den Kläger gilt, obwohl die Ausbildung, in der sich der Verletzte zur Zeit des Unfalls befand, nicht mit der versicherten Tätigkeit zusammenhing (zum Streitstand: BSG 27. Mai 1977 in BSGE 44, 34, 38f = SozR 2200 § 627 Nr 4). Die Beteiligten sind beim Abschluß des Anerkenntnisses davon ausgegangen, daß ein solcher Zusammenhang nicht zu verlangen ist (so BSGE 36, 216 = SozR 2200 § 573 Nr 2; zustimmend BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9; BSG 25. Juni 1981 -2RU11/80-).

Dieser Sonderberechnungsweise ist das Entgelt zugrunde zu legen, das beim voraussichtlichen Abschluß der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters tariflich festgesetzt oder sonst ortsüblich ist (§ 573 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Beteiligten haben bei dem angenommenen "Teilanerkenntnis" in tatsächlicher Hinsicht vorausgesetzt, der Kläger hätte sein Ingenieurstudium "voraussichtlich", dh auch ohne den Unfall bei üblichem Verlauf (§ 573 Abs 1 Satz 1 RVO), bis zum 14. Februar 1981 beendet. Allerdings hat die Beklagte nicht ausdrücklich zugesagt, dementsprechend ein bestimmtes Entgelt, namentlich den JAV eines Fachhochschulingenieurs, maßgeblich sein zu lassen.

Aber mit der anerkannten Anwendung des § 573 Abs 1 RVO ist die Ausbildung, in der sich der Kläger zur Zeit seines Unfalls befand, als für die Rentenberechnung verbindlich erklärt worden, obwohl sie nicht mit der versicherten Tätigkeit zusammenhing. Damit wurde zwangsläufig kraft der gesetzlichen Regelung, also auch ohne ausdrücklich darauf bezogenes Anerkenntnis das dem Ziel dieser Ausbildung entsprechende Entgelt, dh dasjenige eines vergleichbaren Diplom-Ingenieurs (FH) der Fachrichtung Elektronik, als Grundlage für den JAV festgelegt. Denn die Bemessungsvorschrift des Satzes 2 knüpft an die Voraussetzungen des Satzes 1 an, daß sich der Verletzte zur Zeit des Unfalles in einer Schul- oder Berufsausbildung befand und wann er diese voraussichtlich abschloß. Damit ist zwingend ein Zusammenhang zwischen beiden Regelungen und somit zwischen jener Bemessungsvoraussetzung und dieser Bemessungsgröße gesetzlich hergestellt. Satz 2 bestimmt das zu beachtende Entgelt nach den Vergütungsverhältnissen von Personen gleicher Ausbildung, dh nach der Vergütung, die aufgrund der zur Zeit des Unfalles betriebenen Ausbildung, uU bloß einer allgemeinen Schulbildung, nach deren Abschluß erzielt zu werden pflegt (im Ergebnis ebenso BSGE 47, 137, 140; zu § 565 RVO aF: BSG, Breithaupt 1974, 300, 302 f). Auch wenn der Verletzte in diesem Fall zur Zeit des Unfalles noch ein Technisches Gymnasium besuchte, das überwiegend eine Allgemeinbildung vermittelt, so ist doch sowohl für die Voraussetzungen gemäß Satz 1 als für die Berechnungsweise des Satzes 2 naturgemäß eine, und zwar dieselbe Berufsausbildung und -ausübung maßgebend: für den Kläger sein Studium mit dem Abschluß als Diplom-Ingenieur (FH). Zu diesem Beruf kann erfahrungsgemäß die Schulbildung in einem Technischen Gymnasium führen.

Maßgebend ist in diesem Fall das Entgelt eines Fachhochschul- Ingenieurs für den JAV ungeachtet dessen, daß der Kläger diesen Beruf trotz der beträchtlichen Unfallfolgen tatsächlich erreicht hat und ausübt. § 573 Abs 1 Satz 1 RVO stellt es allein darauf ab, daß die in Satz 2 vorgeschriebene Berechnung für den Verunglückten günstiger ist als die Bemessung nach der Grundregel des § 571 RVO. Es kommt nicht darauf an, ob ein konkreter wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, der mit der Verletztenrente auszugleichen wäre.

Die Sonderregelung des § 573 Abs 3 RVO für Verletzte im Sinne des Absatzes 1, die infolge des Arbeitsunfalles einer Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr nachgehen, bestätigt, daß die in Absatz 1 vorgeschriebene Vergünstigung auch dann gewährt wird, wenn der Verunglückte trotz der Unfallfolgen erwerbstätig ist, wodurch er sogar eine Vergütung erzielen kann, die seiner während des Unfalls betriebenen Ausbildung entspricht. Wenn bei einer tatsächlichen Erwerbsunfähigkeit nach Absatz 3 der JAV den üblichen altersbedingten Verdiensterhöhungen anzupassen ist, wird vorausgesetzt, daß während einer Erwerbstätigkeit den JAV nach Absatz 1 zu bemessen ist, also unabhängig von der Höhe des trotz der Unfallfolgen erreichten Einkommens.

Dieses wenig einleuchtende Ergebnis ergibt sich aus den zitierten Vorschriften, die der Gesetzgeber allerdings erneut kritisch überdenken sollte. Es widerspricht freilich nach allgemeinen Rechtsmaßstäben dem Grundsatz einer "Entschädigung", die wegen Unfallfolgen nach § 537 Nr 2 Buchstabe b RVO zu gewähren ist. Jedoch ist die Folge des § 573 Abs 1 RVO gerade vereinbar mit dem durch die §§ 571 und 581 RVO geschaffenen System der Geldleistungen, wie es seit Jahrzehnten von der Rechtsprechung zur Unfallversicherung verstanden wird. Die Verletztenrente ist eine "Entschädigung" besonderer Art. Sie setzt nicht voraus, daß durch Unfall ein meßbarer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Vielmehr gleicht sie einen möglichen Schaden aus. Nicht eine Minderung des Erwerbseinkommens, sondern die Minderung der Erwerbsfähigkeit soll entschädigt werden. Diese Beeinträchtigung wird nicht am Beruf des Versicherten, sondern an den Verhältnissen des allgemeinen Erwerbslebens gemessen (§ 581 Abs 1 RVO). Die andere Berechnungsgröße, der JAV, wird indessen nach dem tatsächlich zur Zeit des Unfalls ausgeübten Beruf bestimmt (§ 571 Abs 1 RVO). Die Rente richtet sich nach einem "abstrakten" Schaden, der allein vom Grad der MdE und vom JAV abhängt, und kann in den Fällen, in denen der Verletzte trotz der Unfallfolgen erwerbstätig ist, zu einer "Überversorgung" führen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd II, S 566y II ff; Watermann, ZfS 1983, 159, 168f; Gitter, Sozialgerichtsbarkeit 1981, 204, 207f). Als Renten- und damit als Schadensbemessungsfaktoren sind gemäß § 581 Abs 1 iVm § 571 Abs 1 RVO die Erwerbs- und Erwerbsfähigkeitsverhältnisse maßgebend, die unmittelbar vor dem Unfall bestanden; aus ihnen wird auf einen "abstrakten", in Zukunft gleichbleibenden Schaden geschlossen, während spätere Erwerbsmöglichkeiten außer Betracht bleiben (s zB BSGE 22, 54, 56f = SozR Nr 5 zu § 564 RVO aF; BSGE 28, 227, 230 = SozR Nr 4 zu § 581 RVO; BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr 1 zu § 571 RVO; BSGE 31, 185, 187f = SozR Nr 7 zu § 581 RVO; vgl auch BSGE 28, 274 = SozR Nr 1 zu § 571 RVO; SozR 2200 § 571 Nrn 1 und 15; BSGE 51, 178, 180 = SozR 2200 § 571 Nr 20).

Die Berechnung des JAV nach § 573 Abs 1 RVO weicht von diesem Schema nur in begrenztem Umfang ab. Damit dem Versicherten, der während seiner Ausbildung verunglückte, eine besondere Härte erspart bleibt, die jenes Prinzip zur Folge hätte, wird er bei der Rentenberechnung so gestellt, als hätte er den Unfall erst nach dem Abschluß seiner Ausbildung - bei höherem JAV - erlitten (BSGE 12, 109, 115; BSGE 39, 271, 272, 273 = SozR 2200 § 573 Nr 4; BSGE 38, 216, 218, 219, 220; BSGE 42, 163, 169 = SozR 2200 § 561 Nr 3; BSGE 47, 137, 140; SozR § 573 Nr 5). Da mithin überhaupt eine - unterstellte - spätere Berufsentwicklung berücksichtigt wird, könnte es naheliegen, in diesem Fall konsequenterweise zur vollen "konkreten" Schadensberechnung überzugehen; dann wäre die Bemessung der Rente nach dem höheren JAV als demjenigen zur Zeit des Unfalles von einem entsprechenden Schaden abhängig, dieser jedoch ausgeschlossen, sobald der Verletzte die nach § 573 Abs 1 RVO maßgebende Ausbildung tatsächlich beendet und damit ein entsprechendes Einkommen erreicht hat. In einem Fall, in dem ein Verletzter diesen Erwerbsstand trotz der Unfallfolgen erlangt hat, hat der 2. Senat des BSG eine JAV-Berechnung nach § 573 Abs 1 RVO versagt, weil diese bei entsprechendem Einkommen dem Ziel der Vorschrift widerspräche (BSGE 47, 137, 141f). Der 2. Senat hat aber diese Lösung aus einer ausdrücklichen Sonderregelung abgeleitet. In dem bezeichneten Fall war der Versicherte zur Zeit des Unfalles in einer Beamten- (Lehrer-)Ausbildung, und für Versicherte, die ohne den Unfall Beamte geworden wären, schreibt § 576 Abs 1 RVO die Anwendung des Beamtenunfallfürsorgerechts vor. In diesem Rechtsgebiet schließt indes sachgemäß das Diensteinkommen, das trotz der Unfallfolgen erreicht wird, die volle Unfallentschädigung aus.

Gleiches gilt nicht für Fälle wie den des Klägers, die allein der allgemeinen Regelung des § 573 Abs 1 RVO unterstellt sind. Diese Vorschrift hat nicht uneingeschränkt die grundsätzliche "abstrakte" Schadensberechnung durch eine "konkrete" ersetzt, wie dies wohlbegründet und konsequent für die Ermittlung des "entgangenen Gewinnes" im bürgerlichen Recht in § 252 Bürgerliches Gesetzbuch und für die Feststellung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich aus der sozialen Entschädigung (§ 5 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil) in § 30 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz vorgeschrieben ist. Nach diesen beiden Regelungen für andere Rechtsgebiete wird dem Einkommen, das der Verletzte ohne die rechtserhebliche Schädigung erzielt hätte, sein wirkliches Einkommen gegenübergestellt und nur ein belastender Unterschied als Schaden gewertet, nach dem sich der Ausgleich richtet. Demgegenüber bestimmt § 573 Abs 1 RVO allein die eine dieser beiden Schadensbemessungsgrößen, die von der voraussichtlich ohne den Unfall zu erwartenden Berufsentwicklung abhängt, abweichend vom zeitlichen Bezugsrahmen des § 571 Abs 1 RVO als maßgeblich. Indem sie allein daraus den Schaden - "abstrakt" - ableitet, der die Rentenhöhe nach § 581 Abs 1 RVO bestimmt, sieht sie - von der Wirklichkeit gelöst - von einem Vergleich mit dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt oder -einkommen und damit von einer Ermittlung des "konkreten" Schadens ab. Wenn der Gesetzgeber mithin mit der begrenzten Berücksichtigung einer Berufsentwicklung nach dem Unfall nicht zur "konkreten" Schadensberechnung übergegangen ist, so hat er in Kauf genommen, daß diese günstigere JAV-Berechnung nach § 573 Abs 1 RVO auch demjenigen Versicherten zugute kommt, der das voraussichtliche Ausbildungsziel trotz der Unfallfolgen erreicht hat und ein entsprechendes Einkommen erzielt, also keinen wirtschaftlichen Schaden im Beruf erlitten hat.

Demgemäß muß die Beklagte unter Änderung der entgegenstehenden Entscheidungen verurteilt werden, den JAV des Klägers nach dem Entgelt eines Diplom-Ingenieurs (FH) der Fachrichtung Elektronik zu berechnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Sie betrifft vor der Revision das Verfahren zur Anfechtung des Bescheides vom 9. Juni 1981, dagegen nicht die Kosten des durch Berufungsrücknahme und "Teilanerkenntnis" beendeten Verfahrens vor dem LSG, auf das sich die Revision nicht bezieht (§ 156 Abs 2 Satz 2, § 193 Abs 1 Halbs 2, § 195 SGG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1658582

Breith. 1984, 669

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