Der Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung für Verfolgte ist das Kernstück der beruflichen Rehabilitierung. Die in Zusammenhang mit dem Rehabilitierungsverfahren maßgebenden rentenrechtlichen Regelungen im BerRehaG über den Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung ergänzen zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des SGB VI, Art. 2 RÜG und AAÜG. Auch für die Leistungen zum Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung gilt das Antragsprinzip, im Einzelfall kann aber eine Gewährung von Amts wegen erfolgen.

4.1 Pflichtbeitragszeiten/Entgeltpunkte für Verfolgungszeiten

Für Verfolgungszeiten, in denen Verfolgte eine die Versicherungs- und Beitragspflicht begründende Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit wegen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgeübt haben, gelten Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im Beitrittsgebiet im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als gezahlt.

Die Ermittlung von Entgeltpunkten erfolgt dabei nach Tabellenwerten des FRG bzw. für Verfolgungszeiten ab 1950 nach den Anlagen 13 und 14 zum SGB VI (Qualifikationsgruppen/Wirtschaftsbereiche).[1]

Besonderheit bei Möglichkeit der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR)

Sind Verfolgte ab 1.1.1977 nicht der FZR beigetreten, obwohl sie die Möglichkeit hierzu hatten, werden sie nur mit einem Entgelt von 600 Mark monatlich rehabilitiert. Dies erfolgt, indem die Werte der Anlage 16 zum SGB VI um 1/5 angehoben werden. Haben sich Verfolgte in der FZR nicht einkommensgerecht versichert, weil sie sich bei einem tatsächlichen Entgelt von mehr als 1.200 Mark monatlich nicht für eine Beitragszahlung zur FZR für das Einkommen über 1.200 Mark monatlich erklärt haben, werden max. 1.200 Mark als Entgelt berücksichtigt.

Diese vorstehenden Entgeltbegrenzungen von 600/1.200 Mark gelten jedoch nur bei einem verfolgungsbedingten Minderverdienst und nicht z. B. bei der Rehabilitierung eines zu Unrecht erlittenen Freiheitsentzugs, da hier keine Möglichkeit zur FZR bestand.

[1]

S. Abschn. 2.

4.2 Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung

Verfolgte, die wegen einer Verfolgungsmaßnahme eine Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung unterbrochen und später wieder aufgenommen und abgeschlossen haben, bekommen diese Zeiten bis zum Doppelten der allgemein geltenden Höchstdauer als Anrechnungszeit gutgeschrieben. Gleiches gilt auch, wenn eine neue schulische Ausbildung begonnen und abgeschlossen wurde.

4.3 Unterbliebene Kindererziehung

Bei der Ermittlung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs für Zeiten politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR wird auf Eingriffe in den Beruf, verfolgungsbedingten Minderverdienst und Haftzeiten abgestellt. Für die Berücksichtigung einer nicht erfolgten Kindererziehung im Rahmen eines rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs gab es bis Ende 2018 keine Rechtsgrundlage.

Seit 1.1.2019 gelten Zeiten einer aus rechtsstaatswidrigen Gründen zu Unrecht erlittenen Haft (Freiheitsentziehung oder Gewahrsam) als Zeiten der Erziehung eines Kindes nach dem SGB VI, wenn in diesen Verfolgungszeiten das Kind wegen der Haft nicht erzogen werden konnte. Dies wiederum führt zur Anerkennungsfähigkeit einer Kindererziehungszeit (ggf. eines Zuschlags an Entgeltpunkten) und einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung. Es spielt für die Anerkennung dieser Zeiten keine Rolle, ob ein anderer Elternteil für das gleiche Kind wegen der tatsächlichen Erziehung bereits eine Honorierung der Kindererziehung erhält.

Wer am 31.12.2018 bereits Rentenbezieher war, kann eine Neufeststellung seiner Rente beantragen, wenn die unterbliebene Kindererziehung nun zu berücksichtigen ist. Rentenbeträge werden ggf. nachgezahlt, wenn sich dies aus den Vergleichsberechnungen nach Abschn. 4.4 ergibt, frühestens für die Zeit ab 1.7.1990.

4.4 Vergleichsberechnungen

Im Wege von Vergleichsrentenberechnungen wird geprüft, ob die unter Berücksichtigung der Verfolgungszeit ermittelte Rente günstiger ist als die nach den allgemein anzuwendenden Vorschriften berechnete Rente. Hierbei werden dann die fiktiven Pflichtbeitragszeiten und ggf. längere Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung sowie sogar eine unterbliebene Kindererziehung berücksichtigt.[1]

Fällt die Gegenüberstellung positiv aus, wird die Rente auf der Grundlage der entsprechenden Vergleichsberechnung gezahlt.

Fällt die Gegenüberstellung negativ aus, verbleibt es bei der bisherigen Rente, ohne dass aufgrund der Rehabilitierung zusätzliche rentenrechtliche Zeiten bzw. Entgeltpunkte angerechnet werden.

4.4.1 Rentenberechnung nach SGB VI

Im Falle der Rentenbewilligung erhalten Verfolgte zunächst eine "normale" Rentenberechnung auf der Grundlage der tatsächlich zurückgelegten Versicherungszeiten. Haben Verfolgte zu Unrecht einen Freiheitsentzug erlitten, wird diese Zeit als Ersatzzeit berücksichtigt. Ansonsten werden die tatsächlichen versicherten Entgelte aus den ausgeübten Tätigkeiten der Rentenberechnung zugrunde gelegt.

4.4.2 Vergleichsberechnungen nach BerRehaG

Im Anschluss daran werden die Vergleichsberechnungen nach dem BerRehaG durchgeführt.

Bei der ersten Vergleichsberechnung werden im Verfolgungszeitraum anstatt der tatsächlich zurückgelegten Versicherungsze...

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