OLG Hamm: Übermäßige Geschäftsführervergütungen

Die Vergütung eines GmbH-Geschäftsführers ist angemessen, wenn sie das mittlere Einkommen vergleichbarer Geschäftsführer um maximal 20 % übersteigt. Die Höhe des mittleren Einkommens kann aus geeigneten Studien entnommen werden. Wird die so berechnete angemessene Vergütung von der konkret vereinbarten Vergütungsabrede um mehr als weitere 50 % überschritten, ist die Zustimmung der Gesellschafter zu dieser treuwidrig und daher anfechtbar.

Hintergrund: GmbH-Geschäftsführergehälter

In einer GmbH wurde eine Geschäftsführervergütung für den Gesellschafter-Geschäftsführer und den Fremd-Geschäftsführer beschlossen. Gegen diesen Beschluss wendete sich ein Gesellschafter mit der Begründung, die Vergütung sei unangemessen und deshalb stelle die Zustimmung des anderen Gesellschafters, gleichzeitig der Gesellschafter-Geschäftsführer, zu den Geschäftsführeranstellungsverträgen einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dar.

In erster Instanz obsiegte der Kläger teilweise, denn das LG Bielefeld sah die Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers als zu hoch an. Die vereinbarte Jahresvergütung übersteige die am mittleren Einkommen vergleichbarer Geschäftsführer zu beurteilende angemessene Jahresvergütung für die konkreten Tätigkeiten dieses Geschäftsführers um mehr als 50 %. Aus diesem Grund sei die Zustimmung zur Vergütung treuwidrig gewesen. Sowohl der Kläger als auch die beklagte GmbH legten Berufung gegen das Urteil ein, über die das OLG Hamm zu entscheiden hatte.

Das Urteil des OLG Hamm vom 09.09.2019 (Az. 8 U 7/17)

Die Berufung der beklagten GmbH war erfolgreich und entsprechend die des Klägers unbegründet. Das OLG Hamm erachtete die Höhe der Geschäftsführervergütung für angemessen und konnte keinen Verstoß gegen die Treuepflicht feststellen. Eine GmbH-Geschäftsführervergütung ist angemessen, wenn sie das mittlere Einkommen nicht um mehr als 20 % übersteigt. Anhaltspunkte für die Höhe des angemessenen Einkommens können geeignete Studien liefern. Treuwidrig ist die Zustimmung zu einer Geschäftsführervergütung nur, wenn die tatsächliche Vergütung die so berechnete Vergütung um mehr als weitere 50 % übersteigt.

Für die Vergütung von GmbH-Geschäftsführern gibt es – anders als bei Aktiengesellschaften - keine gesetzlichen Regelungen. Es gilt daher der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Danach können Gesellschaft und Geschäftsführer diejenige Vergütungshöhe vereinbaren, die aus ihrer Sicht leistungsgerecht erscheint. Dieser Grundsatz wird in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: Zum einen durch das zivilrechtliche Dogma der Sittenwidrigkeit und zum anderen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. An die Sittenwidrigkeit werden sehr hohe Anforderungen gestellt: Es bedarf eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Vergütung; zudem muss die übervorteilende Partei mit einer verwerflichen Gesinnung gehandelt haben. Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergibt sich, dass auch ein Geschäftsführer, der selbst Gesellschafter ist, nicht höher vergütet werden soll, als ein Fremd-Geschäftsführer. Denn letztlich mindert eine (zu) hohe Vergütung des Geschäftsführers den Gewinn der Gesellschaft und damit die Gewinnanteile der anderen Gesellschafter.

Innerhalb dieses Rahmens gibt es keine weiteren festen Kriterien, aus denen sich die Angemessenheit der Vergütung ableiten lässt. Lediglich als Orientierungspunkte dienen Unternehmensgröße, Branche und wirtschaftlichen Situation des Unternehmens einerseits und Ausbildung, Erfahrung und bisherige Leistung des Geschäftsführers andererseits.

Folge einer unangemessenen, weil zu hohen Vergütung ist zunächst, dass der Gesellschafterbeschluss, der die Vergütung festlegt, anfechtbar ist. In steuerlicher Hinsicht wird der zu hohe Anteil der Vergütung beim Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung bewertet; sie kann daher nicht mehr als Betriebsausgabe abgezogen werden, sondern wird (wieder) dem steuerbaren Gewinn zugerechnet, was letztlich zu einer höheren Steuerbelastung führt.

Die Entscheidung des OLG Hamm gibt nun eine praxistaugliche Handlungsempfehlung, wie die Angemessenheit einer GmbH-Geschäftsführervergütung bestimmt werden kann. Zum einen wiederholt sie die bereits bei den Finanzgerichten vorherrschende Wertung, dass die angemessene Vergütung jene ist, die das mittlere Einkommen, das sog. Medianeinkommen, um nicht mehr als 20 % überschreitet. Das Medianeinkommen bezeichnet die Einkommenshöhe, bei der die Anzahl an Personen mit einem höheren Einkommen gleich groß ist wie die Anzahl an Personen mit einem niedrigeren Einkommen. Um das Medianeinkommen zu bestimmen, können Gehaltsstrukturuntersuchungen herangezogen werden. Ganz konkret nennt das OLG Hamm die jährlichen Veröffentlichungen der BBE media GmbH & Co. KG zu GmbH-Geschäftsführer-Vergütungen. Da diese Untersuchung auf freiwilligen Antworten der befragten Unternehmen und Steuerberater beruht und daher nicht immer auf einer ausreichenden empirischen Datenbasis steht, billigt sowohl der BFH als auch das OLG Hamm einen weiteren Sicherheitszuschlag von 20 % auf den gefunden Wert.

Zum anderen geht das OLG Hamm aber noch einen Schritt weiter als die Finanzgerichte. Es inkorporiert die bisher steuerliche Wertung zur Angemessenheit einer Geschäftsführervergütung in die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Stimmabgabe bei einem Gesellschafterbeschluss zur Vergütungsvereinbarung. Treuwidrigkeit soll nur dann vorliegen, wenn die konkrete Vergütung die nach oben genannten Vorgaben berechnete Vergütung um weitere 50 % übersteigt.

Diese Wertung durch das Gericht ist zu begrüßen. Sie stärkt den Grundsatz der Vertragsautonomie bei der Vergütungsvereinbarung. Gleichzeitig erlaubt sie, bei der Vergütung individuelle Besonderheiten der Gesellschaft wie beispielsweise einen besonders hohen Umsatz oder spezielle Eigenschaften des Geschäftsführers in die Vergütungsvereinbarung miteinzubeziehen.