BGH: Insolvenz bei der betrieblichen Altersvorsorge

Hält ein nicht nur unwesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern 50 % der Geschäftsanteile an einer GmbH, unterfällt er nicht den Vorschriften des BetrAVG.

Hintergrund: Pensionszusage an Gesellschafter-Geschäftsführer

Der Kläger war neben drei weiteren Gesellschaftern mit 1/6 der Geschäftsanteile an einer GmbH beteiligt. Zwei seiner Mitgesellschafter hielten ebenfalls 1/6 der Geschäftsanteile, der vierte Gesellschafter die übrigen 50 %. Der Kläger und die beiden Mitgesellschafter, die ebenfalls je 1/6 der Geschäftsanteile hielten, waren zudem Geschäftsführer der GmbH.

Mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung erhielt der Kläger von der GmbH eine Versorgungszusage über 30 % seines pensionsfähigen Gehalts für den Fall, dass er im Dienst das 60. Lebensjahr erlebe und dann aus dem Dienst der GmbH ausscheide.

Später wurde die GmbH insolvent. Ihr Insolvenzverwalter zahlte dem Kläger zwar nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer eine monatliche Rente, der Kläger hielt diese jedoch für zu niedrig und klagte auf Zahlung einer höheren Rente. Er begründete dies damit, dass er als arbeitnehmerähnliche Person dem Schutz des BetrAVG – namentlich dem dort geregelten Insolvenzschutz – unterfalle. Mit seiner Klage obsiegte er in der ersten Instanz und der Berufungsinstanz teilweise. Der BGH hatte dann über die vom Insolvenzverwalter eingelegte Revision zu entscheiden.

Das Urteil des BGH vom 01.10.2019 (Az. II ZR 386/17)

Die Revision des Insolvenzverwalters war erfolgreich, weil der Kläger aus Sicht des BGH – aufgrund seiner gemeinsam mit den anderen Gesellschafter-Geschäftsführern gehaltenen 50 %igen Beteiligung an der GmbH – nicht als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen war. Dementsprechend konnte er nach Ansicht des Gerichts auch keinen Insolvenzschutz seiner Pensionsansprüche nach den Vorschriften des BetrAVG verlangen.

Anmerkung

Die deutsche Unternehmenskultur ist geprägt von personalistisch ausgerichteten Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter sich nicht nur am Kapital beteiligen, sondern sie auch die Geschäftsführung des Unternehmens übernehmen (i.d.R. nicht nur als Gesellschaftsorgan, sondern auch auf Grundlage eines Anstellungsvertrags). Auch wenn der Geschäftsführer dabei kein Arbeitnehmer „seiner“ Gesellschaft ist, finden teilweise die für Arbeitnehmer geltenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen (Schutz-)Vorschriften auf ihn entsprechende Anwendung.

Der BGH klärte nun die bisher umstrittene Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der (gemeinsam mit anderen Gesellschafter-Geschäftsführern) über exakt 50 % der Geschäftsanteile und Stimmrechte verfügt, dem Anwendungsbereich des BetrAVG unterfällt. Das Gericht verneinte dies mit der Begründung, dass der Kläger – mit seinen beiden Mitgesellschafter-Geschäftsführern, mit denen er zusammengerechnet über genau 50 % der Geschäftsanteile und Stimmrechte in der GmbH verfügte –  die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung blockieren könne. Dieser Umstand gewähre dem Kläger eine Leitungsmacht im Unternehmen, die über die Einflussmöglichkeiten eines Arbeitnehmers weit hinausgehe – mit der Folge, dass der für Arbeitnehmer geltende Insolvenzschutz (d.h. die Absicherung der Pensionsansprüche über den Pensions-Sicherungsfonds nach § 7 BetrAVG) dem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zugutekomme.

Die Klarstellung durch den BGH ist zu begrüßen, zumal sich ähnliche Abgrenzungsfragen auch im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht stellen. Im Regelfall ist die richtungsweisende Frage dabei, ob bzw. in welchem Maße der Geschäftsführer Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Im Regelfall sind dementsprechend die für Arbeitnehmer geltenden Arbeits- und Sozialversicherungsvorschriften auf geschäftsführende Allein- oder Mehrheitsgesellschafter nicht anwendbar. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer hingegen sind in diesen Bereichen Arbeitnehmern grundsätzlich gleichgestellt (und daher z.B. sozialversicherungspflichtig); dies gilt jedoch nicht, wenn sie einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen ausüben können (z.B. über Mehrstimm- oder weitreichende Vetorechte). Ein beherrschender Einfluss kann dabei auch daraus resultieren, dass ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer zwar nicht alleine, jedoch zusammen mit anderen zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern, die Mehrheit der Geschäftsanteile – oder wie im vom BGH nun entschiedenen Fall genau 50 % und damit eine Sperrminorität – an einem Unternehmen hält und die jeweiligen Beteiligungen nicht gänzlich unbedeutend sind.

Gesellschaftern wie Geschäftsführern sollte daher bewusst sein, dass die Rechtswirkung von Gesellschafts- und (Geschäftsführer-)Anstellungsverträgen über das Gesellschafts- oder Dienstverhältnis weit hinausgehen kann – und zwar mit spürbaren Folgen (z.B. wenn aufgrund einer Fehleinschätzung der Sozialversicherungspflicht Sozialversicherungsbeiträge für mehrere Jahre nachgefordert oder gar strafrechtliche Verfahren wegen der Veruntreuung von Arbeitsentgelt eingeleitet werden). Solche Verträge sollten daher sorgfältig im Einzelfall unter Berücksichtigung nicht nur des Gesellschaftsrechts, sondern auch des Arbeits- und Sozialrechts – die jedoch ggf. unterschiedliche Anforderungen aufstellen – gestaltet werden. Klarheit über den sozialversicherungsrechtlichen Status kann außerdem über ein sog. Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung geschaffen werden.

Friedrich Graf von Westphalen & Partner