Auch OLG Düsseldorf entscheidet zugunsten der Dieselkäufer 

Das OLG Düsseldorf reiht sich in die überwiegende Zahl der Gerichte ein, die vom Dieselskandal betroffenen VW-Kunden einen Rückabwicklungsanspruch einräumen. Eine mögliche Arglist von VW sei aber nicht dem Händler zuzurechnen. Auch das OLG Braunschweig scheint bei der Musterfeststellungsklage nun auf diese Linie einzuschwenken.

Im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der Käufer eines VW Passat Variant-Diesel, den er im Juli 2013 zu einem Preis von 27.000 Euro erworben hatte, die Händlerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages verklagt. Bei der letzten mündlichen Verhandlung vor dem OLG betrug der Tachostand des Fahrzeugs ca. 66.000 km.

Interessant: Frist zur Nacherfüllung entbehrlich

Das OLG stellt in Anlehnung an einen Beschluss des BGH zunächst fest, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs infolge der eingebauten Manipulationssoftware nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet und damit mangelhaft war (BGH, Beschluss v. 8.1.2019, VIII ZR 225/17).

Interessant ist dabei die Feststellung des Gerichts, dass es dem Käufer nicht zumutbar gewesen sei, der Händlerin eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, da das Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und dem allein zur Nachbesserung fähigen Hersteller des Motors infolge des bisherigen Verhaltens von VW zerstört sei (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 6.12.2018, 17 U 4/18).

Begrenzter Anspruch des Käufers auf Aufwendungsersatz

Darüber hinaus sprach der Senat dem Kläger einen grundsätzlichen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Ersatzfähig seien allerdings nur die zum Erhalt der Sache notwendigen Aufwendungen. Die vom Kläger in Rechnung gestellten Kosten für die Garagenmiete, die Anschaffung einer Anhängerkupplung, dem Smartphone-Adapter sowie weiterer Einzelgegenstände bewertete das Gericht allerdings als für den Erhalt des Fahrzeugs nicht notwendig. Die Kosten für die Anhängerkupplung musste VW dem der Klägerin dennoch ersetzen, weil VW mit der Rückgabe des Fahrzeugs durch die fest installierte Anhängerkupplung bereichert und der Wert daher gemäß § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB zu ersetzen sei.

Gezogene Nutzungen werden auf die Ansprüche des Käufers angerechnet

Die bittere Pille für den Kläger besteht darin, dass auch das OLG Düsseldorf der beklagten Händlerin gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der gezogenen Nutzungen zugestand. Das OLG Düsseldorf schloss sich den Schätzungen anderer Gerichte an, die die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines solchen Fahrzeugs auf 300.000 km schätzten (OLG Hamm, Urteil v. 30.5.2017, I-28 U 198/16). Entsprechend dem Kilometerstand des Fahrzeugs setzte das OLG den Anspruch auf Erstattung des Nutzungsentgelts mit einem Betrag von ca. 5.700 Euro an.

Diesel-Käufer hat Anspruch auf Verzinsung

Allerdings wertete das OLG den Anspruch des Käufers auf Kaufpreiserstattung durch einen Anspruch auf Verzinsung des Rückerstattungsbetrages wieder auf. Der Käufer habe bereits im Jahr 2016 ernsthaft die Rückabwicklung des Kaufvertrages von der Händlerin begehrt.

Gemäß § 293, 294 BGB befinde sich die Händlerin seit diesem Zeitpunkt im Annahmeverzug. Die Händlerin habe ausdrücklich erklärt, die von ihr geforderte Leistung nicht erbringen zu wollen, so dass das mündliche Verlangen der Rückabwicklung zur Begründung des Annahmeverzugs bereits genüge. Daher könne der Kläger von der Beklagten gemäß § 288, 286 BGB eine Verzinsung von 5 % über dem Basiszins seit dem 7.6.2016 verlangen.

Keine Zurechnung einer möglichen Arglist von VW auf Diesel-Händler

Insgesamt stützte das OLG den Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Nr. 5, 346 BGB. Die Zurechnung eines etwaigen arglistigen Verhaltens von VW auf die Beklagte als Verkäuferin lehnte das OLG ausdrücklich ab.

Ein Fehlverhalten von Mitarbeitern der VW-AG könne den Händlern weder über § 278 BGB noch über § 123 Abs. 2 BGB zugerechnet werden. Die Herstellerfirma, die VW-AG, sei insoweit nicht in den Pflichtenkreis seiner Händler eingebunden.

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.10.2019, 13 U 106/18)

Hintergrund: Musterfeststellungsklage nimmt Fahrt auf

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das OLG Braunschweig im Rahmen der dort anhängigen Musterfeststellungsklage in der mündlichen Verhandlung am 18.11.2019 zum ersten Mal eine möglicherweise geänderte Sicht auf die Frage der Rückabwicklungsverpflichtung von VW hat erkennen lassen. Der Vorsitzende Richter zitierte in der mündlichen Verhandlung eine Reihe einschlägiger Entscheidungen der Land- und Oberlandesgerichte, die einen Rückabwicklungsanspruch der Käufer und auch eine arglistige Täuschung durch VW bejaht haben. Der Senat gab zu bedenken, dass er die dort vertretenen Rechtsauslegungen nicht ohne weiteres übergehen könne.

Die überwiegende Zahl der Landgerichte gibt VW-Kunden recht

Zur Rechtsprechungspraxis in Deutschland hat „wallstreet-online“ Zahlen aus einer Studie der Universität Regensburg zum Dieselskandal veröffentlicht, wonach 97 von 115 Landgerichten in Deutschland VW und andere Fahrzeughersteller bereits zu Schadenersatz in Fällen des Einbaus einer verbotenen Abschalteinrichtung bei Dieselfahrzeugen verurteilt haben.  Bei den Oberlandesgerichten ist das Bild allerdings uneinheitlicher.

Auch OLG Braunschweig drängt VW zum Vergleich

Unter Hinweis auf diese Rechtsprechungspraxis drängte der Vorsitzende Richter in der Musterfeststellungsklage der Käufer die Parteien und insbesondere VW dazu, sich Vergleichsverhandlungen über eine Entschädigung zu öffnen. Zum ersten Mal hat der von diesem Vorschlag offensichtlich überraschte Prozessvertreter von VW sich solchen Vergleichsverhandlungen nicht pauschal widersetzt. Bis Jahresende will VW sich dazu erklären, ob Bereitschaft zur Aufnahme von Vergleichsverhandlungen besteht.

Zuvor will VW noch klären, wie hoch die Zahl der Verbraucheraustragungen (Verbraucher die registriert waren und wieder ausgestiegen sind) bei der Musterfeststellungsklage ist. Gesprochen wird zurzeit von ca. 77.000 Austragungen von ursprünglich ca. 445.000 Anmeldungen. Die Zahl hat erheblichen Einfluss auf den Preis, den VW für eine Einigung möglicherweise zahlen müsste.

Schnelle Einigung im Interesse der VW-Käufer

Der klagende Verbraucherverband hat demgegenüber seine grundsätzliche Vergleichsbereitschaft bereits erklärt. Für VW-Käufer besteht ein klares Interesse an einer schnellen Einigung, denn eines hat der OLG-Senat in der Verhandlung am 18. November wieder klargemacht: Um die Anrechnung der gezogenen Nutzungen, sprich gefahrene Kilometer, kommen die Käufer bei einem Urteil keinesfalls herum. Dieser Anrechnungsbetrag wächst aber unaufhörlich an, je länger das Verfahren dauert.

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Hintergrund: 

Ähnlich kundenfreundlich haben erst kürzlich das OLG Stuttgart (Urteil v. 24.9. 2019, 10 U 11/19), das  KG Berlin (Urteil v. 26.9.2019, 4 U 77/19) und das OLG Oldenburg entschieden. Das OLG Oldenburg hat dem Kunden neben einem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises eine Verzinsung des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 4 % seit dem Kauf zugesprochen (OLG Oldenburg, Urteil v. 2.10.2019, 5 U 47 19).

Das für die Entscheidung über die gegen VW eingereichte Musterfeststellungsklage zuständige OLG Braunschweig zeigte sich in der Vergangenheit deutlich verständnisvoller gegenüber der von VW vertretenen Rechtsposition und lehnte bisher in Einzelklagen eine Bewertung des Verhaltens von VW als arglistige Täuschung und sittenwidrige Schädigung des Kunden ab (OLG Braunschweig, Urteil v. 19.2.2019, 7 U 134/17). Im Musterfeststellungsverfahren hat der dortige Senat allerdings eine nochmalige sorgfältige Prüfung dieser Frage in Aussicht gestellt und dringt in Richtung VW auf einen Vergleich.