Zulässigkeit von Touch-Screen-Verwendungen während der Autofahrt

Das Benutzen elektronischer Geräte während der Fahrt, fällt schnell unter § 23 Abs. 1a StVO. Doch mittlerweile werden per Touchscreen Funktionen im Auto gesteuert, beispielsweise im "Tesla" die Intervalle des Scheibenwischers. Dürfen Touchscreens dafür bedient werden und wenn ja, was sind die Voraussetzungen? Hierzu ein OLG-Urteil.

Ein Autofahrer war bei Regen in seinem Fahrzeug der der Marke „Teslaunterwegs, die Scheibenwischer waren bereits eingeschaltet. Da es stärker regnete, wollte er an dem Touchscreen, der neben dem Lenkrad über der Mittelkonsole angebracht war, durch eine andere Intervallschaltung die Wischfrequenz erhöhen.

Bei Regulieren der Scheibenwischerfrequenz per Touchscreen im Graben gelandet

Bei dieser Aktion kam der Fahrer allerdings von der Fahrbahn ab, fuhr ein Böschung hinunter und kollidierte unter anderem mit mehreren Bäumen.

Der Richter hatte anhand der Bedienungsanleitung festgestellt, dass sich der Scheibenwischer des „Tesla“ zwar am Lenkrad ein- und ausschalten ließ, die Einstellung der Intervalle aber auf dem „Touchscreen“ erfolgen müsse, indem zunächst ein Scheibenwischersymbol berührt werden muss und dann in einem Untermenü zwischen fünf Einstellungen gewählt wird.

Touchscreen lenkt mehr ab, als konventionelle Scheibenwischer Bedienung

Dieser Vorgang erfordere deutlich mehr Aufmerksamkeit des Fahrers als das Bedienen eines Scheibenwischers mit den herkömmlichen Armaturen. Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte ihn wegen vorschriftswidrigen Benutzens eines Elektrogerätes während der Fahrt gemäß § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 200 EUR und zu einem Führerscheinentzug von einem Monat.

Das Gericht ging davon aus, dass der Betroffene bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt, also ohne Touchscreenbedienung, den entstandenen Sachschaden hätte vorhersehen und verhindern können.

Berührungsbildschirm: Elektronisches Gerät oder sicherheitstechnisches Bedienteil?

Der Betroffene wandte sich gegen die Einstufung des Berührungsbildschirms (Touchscreen) als elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO. Bei dem Geschwindigkeitsregler des Scheibenwischers handele es sich um ein „sicherheitstechnisches Bedienteil“ und nicht um ein elektronisches Gerät.

Das OLG Karlsruhe bestätigte die Einschätzung des Amtsgerichts, dass es sich bei dem Touchscreen um ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 u. 2 StVO handele. Das Gericht wies darauf hin, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO mit Wirkung zum 19.10.2017 grundlegend geändert wurde.

Nunmehr werden sämtliche elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen, erfasst. Also nicht nur Mobil- oder Autotelefone, sondern auch Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher etc.

Egal, ob Elektronik mit dem Fahrzeug verbunden ist oder nicht

Unerheblich sei, ob das Navigationsgerät fest im Fahrzeug verbaut sei oder nicht. Die Vorschrift unterscheide nicht zwischen mobilen und immobilen elektronischen Geräten. Deshalb sei auch ein fest im Fahrzeug verbautes Gerät wie ein Touchscreen vom Anwendungsbereich erfasst.

Zielrichtung des § 23 Abs. 1 a StVO

Zum Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 a StVO führte das Gericht aus. Er liege:

  • in der Unfallverhütung
  • und solle Ablenkungen des Fahrers vom Verkehrsgeschehen, die durch Blickzuwendung bei der Bedienung elektronischer Geräte entstehen, verhindern.
  • Die Blickzuwendung auf einen Touchscreen während der Fahrt lenke die Aufmerksamkeit des Fahrers unabhängig davon ab, ob er einen Kurs in das Navigationsgerät eingebe oder den Scheibenwischer einstelle.

Der neu gefasste § 23 Abs. 1a StVO wurde deshalb im Vergleich zur alten Fassung, die nur Mobil- und Autotelefone umfasste, bezüglich der Tatbestandmäßigkeit elektronischer Geräte erheblich erweitert.

Nutzung eines Touchscreens während der Fahrt grundsätzlich erlaubt

Ein Autofahrer werde dadurch auch nicht unverhältnismäßig bei der Bedienung des Fahrzeugs eingeschränkt. Denn § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 StVO verbiete die Bedienung originärer Funktionen eines Kfz durch Berührungsbildschirme nicht an sich. Die Nutzung von Touchscreens sei unter den Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 2 gestattet, anders als in der Hand zu haltende Geräte, die gemäß Satz 1 Nr. 1 grundsätzlich verboten sind.

Blickabwendung vom Verkehr zur Touchscreen-Bedienung nur unter engen Voraussetzungen

Für die Nutzung von fest installierten Touchscreens gelte:

  • Die Benutzung elektronischer Geräte ist entweder per Sprachsteuerung zulässig
  • oder sofern zur Bedienung und Nutzung nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs- und Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erforderlich ist

Eine Sprachsteuerung hatte der Teslafahrer nicht benutzt und die Blickzuwendung war hier weder kurz noch den Verkehrs- und Witterungsverhältnissen nicht angepasst.

Verschiedene Touchscreen-Nutzungen müssen rechtlich einheitlich behandelt werden

Die von der Verteidigung hervorgebrachten Argumentation, bei dem im Touchscreen eingebauten Geschwindigkeitsregler des Scheibenwischers handele es sich nicht um ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation diene, sondern um ein sicherheitstechnisches Bedienteil des Fahrzeugs, überzeugte das Gericht nicht:

Da der fest eingebaute Touchscreen auch andere Funktionen beinhalte, wie etwa ein der Information dienendes Navi-Gerät, könne der Berührungsbildschirm aus verkehrstechnischen Sicherheitsgründen nur einheitlich betrachtet und von der Verbotsnorm nicht einzelne Anwendungen herausgenommen werden.

(OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27.3.2020, 1 Rb 36 Ss 832/19).

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Hintergrund: Neuregelung des § 23 Abs. 1a StVO

Die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO wurde mit Wirkung zum 19.10.2017 grundlegend geändert. Der Gesetzgeber hat sich in Abkehr von dem vormals geltenden Verbot der Nutzung eines „Mobil- oder Autotelefons“ entschieden, nunmehr in Form eines Gebotes die Voraussetzungen zu normieren, unter denen allein noch die Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, zulässig bleiben soll. Dabei sei er bewusst weit über die alte Regelung in § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO a.F. hinausgegangen. Untersagt ist nunmehr schon das bloße Halten des Geräts – sogenanntes „hand-held-Verbot“ – wenn darüber hinaus („und“) eine Funktion des Geräts (mit Ausnahme der Sprachsteuerung und der Vorlesefunktion) benutzt wird oder eine nicht zu kurze Blickzuwendung erfolgt. Es solle u.a. jegliche Nutzung des Geräts, die nicht mit nur einer kurzen Blickabwendung verbunden ist, verboten sein,

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Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Bußgeld