Verbinden des Handys mit der Powerbank während der Fahrt als StVO-Verstoß?
Auf Handynutzung während der Fahrt reagieren Gerichte regelmäßig unwirsch. Zu einer Geldbuße von 180 Euro hatte das Amtsgericht Detmold einen Autofahrer verurteilt, denn er hatte während des Fahrens sein Smartphone, an dem das Ladekabel bereits hing, mit einer Powerbank verbunden. Der Mann telefonierte gleichzeitig auch, allerdings über eine Freisprechanlage.
Verbotswidrige Nutzung des Handys als Kfz-Führer?
Das Amtsgericht sah darin eine vorsätzliche, verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer (entgegen § 23 Abs. 1a StVO). Es begründete seine Entscheidung so:
Ein Mobiltelefon mit eingestecktem Ladekabel wie auch ein Mobiltelefon, das per Kabel mit einem Ladegerät (Powerbank) verbunden ist, sei als eine Geräteeinheit zu verstehen, von der kein Teil während der Fahrt in der Hand gehalten werden dürfe.
Bei der Gesamtheit der verbundenen Geräte handele es sich um ein der Kommunikation dienendes Gerät i.S.d. Norm, da alle Funktionen des Mobiltelefons die elektrische Energie benötigen, die über die per Kabel verbundene Powerbank geliefert wird. Zudem seien Powerbank und das Ladekabel auch isoliert betrachtet als „der Kommunikation dienendes Gerät“ i.S.d. Norm zu qualifizieren.
Hat das AG den Anwendungsbereich der Vorschrift überdehnt?
Der Betroffene wollte dieser Argumentation nicht folgen. Seiner Ansicht nach hatte das Amtsgericht den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1a StVO n.F. überdehnt, soweit es einen Verstoß (allein) auf das Halten einer Powerbank gestützt habe. Vor dem OLG Hamm hatte der Mann mit seiner Rechtsbeschwerde zumindest vorläufig Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegten nicht eine (vorsätzlich begangene) verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons oder eines anderen elektronischen Geräts im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO.
Warum weder Powerbank noch Ladekabel ein elektronisches Gerät sind
Weder Powerbank noch Ladekabel sind isoliert betrachtet jeweils ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO. Bei der Powerbank handelt es sich um einen externen, mobilen Zusatzakku zur Energieversorgung mobiler Geräte. Ein Ladekabel wiederum diene der Übertragung von Energie. Es handele sich folglich bei Powerbank und Kabel nur um Gegenstände, die der Energieversorgung von mobilen Geräten dienten und nicht um ein solches Gerät selbst.
Der Verordnungsgeber wollte mit dem technikoffenen Ansatz der § 23 Abs. 1a StVO der technischen Entwicklung der Geräte der Unterhaltungselektronik und den immer vielfältigeren Nutzungsmöglichkeiten der Geräte Rechnung tragen.
Vorschrift verbietet nicht jedwede Nutzung elektronischer Geräte während der Fahrt
Der Gesetzgeber wollte jedoch nach Ansicht der OLG-Richter kein vollständiges Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Autofahrt normieren. Insoweit habe er berücksichtigt, dass es eine Vielzahl von fahrfremden Tätigkeiten gebe, die ablenkend wirken und die Verkehrssicherheit gefährden. Beispielsweise Rauchen, Essen, Trinken, Radio- oder CD-Hören oder auch die Unterhaltung mit anderen Insassen.
Bei Anwendung § des 23 Abs. 1a StVO ist das Übermaßverbot beachten
Die genannten Tätigkeiten blieben aber vor dem Hintergrund des Übermaßverbots weiter erlaubt. Zumindest, soweit sie derart ausgeführt werden, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werde.
Das Anschließen einer Powerbank könne nicht mit der Nutzung von klassischen elektronischen Geräten gleichgesetzt werden, weil mit der Nutzung von Powerbank und Ladekabel während des Führens eines Fahrzeugs nicht zwangsweise bzw. typischerweise eine vergleichbare, die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung einher wie dies bei der Nutzung der „klassischen“ elektronischen Geräte i.S.d. § 23 Abs. 1a StVG wie Mobil- bzw. Autotelefon, Berührungsbildschirme, Tablet-Computer der Fall sei.
- Dafür spreche, dass weder Ladekabel noch Powerbank ein Display haben, über das Informationen abgerufen oder abgelesen werden können.
- Denn gerade das Abrufen oder Ablesen von Informationen lenke einen Fahrzeugführer typischerweise erheblich vom Verkehrsgeschehen ab.
Das OLG Hamm hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen, weil eine weitere Sachverhaltsklärung dahingehend nötig ist, ob der Betroffene das Smartphone als solches aufgenommen oder gehalten hat.
(OLG Hamm, Beschluss v. 28.5.2019, 4 RBs 92/19)
Weitere News zum Thema:
Handy nur gekühlt, trotzdem ein Bußgeld
Handy am Steuer in der Hand, aber nicht telefoniert
Hintergrund:
Übersicht der Verbote bei Nutzung des Mobiltelefons während der Fahrt
Unfassbar, was mit einem Handy im Auto alles gemacht werden kann und vor Gericht daraufhin abgeklopft werden kann, ob es verboten ist oder nicht:
Von links nach rechts verlagern, als Diktiergerät nutzen, Musik hören, aus dem Fußraum aufheben - eine Übersicht über verschiedene Handy-Handlungen und entsprechender Urteile können Sie jetzt vom Deutschen Anwalt Office Premium hochladen.
Norm:
Alte Fassung des § 23 Abs. 1a StVO
Nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO in der bis zum 31. März 2013 geltenden Fassung war dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält.
Die Regelung wurde durch die Änderung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I 2013, S. 367) neu gefasst.
- Danach darf ein Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen,
- wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.
- Damit erfasst das Verbot nicht mehr die Benutzung jeglicher Mobilfunkgeräte, die der Fahrer hält, sondern bezieht sich nur auf Geräte, die zur Benutzung gehalten werden müssen.
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5182
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.465
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.442
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.364
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.354
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.084
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.032
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.013
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0001
-
Welche Maßnahmen drohen beim Ausbleiben der Partei?
992
-
Mietwagen ohne Übergabeprotokoll – muss der Mieter für angebliche Schäden haften?
14.10.2024
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
01.10.2024
-
Nicht angeschnallte Mitfahrer können für Drittschäden haften
16.09.2024
-
Kollision auf Autozug – muss die Haftpflichtversicherung zahlen?
02.09.2024
-
Cannabislegalisierung: Neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr
23.08.2024
-
Selbstgefertigte Tempo-30-Schilder – ist das zulässig?
23.08.2024
-
Höhe des merkantilen Minderwerts von Unfallfahrzeugen
20.08.2024
-
Rechts-vor-Links Ausnahme: Urteil des LG Lübeck zum abgesenkten Bordstein
05.08.2024
-
Lückenrechtsprechung ist nicht auf parkende Fahrzeuge anwendbar
31.07.2024
-
Darf ein Versicherer ein Unfallopfer bespitzeln und die Daten zurückhalten?
24.07.2024