Fahrer hält das Handy in der Hand, ohne es zu nutzen – dennoch eine Geldbuße?
Im vorliegenden Fall ging es um einen Autofahrer, der während der Fahrt sein Handy in die Hand nahm. Ob der Mann das Handy auch nutzte, beispielsweise telefonierte, konnte nicht festgestellt werden.
Amtsgericht: 100 Euro Geldbuße für Handy in der Hand
Für das Amtsgericht war das aber nicht von Belang. Es verurteilte den Mann zu einer Geldbuße von 100 Euro. Es sah in dem in die Hand nehmen des Handys eine vorschriftswidrige Benutzung eines elektronischen Gerätes und damit den Tatbestand des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) als erfüllt an.
Streitfrage: Wie ist der neue § 23 Abs. 1a StVO auszulegen?
Das wollte der Autofahrer so nicht hinnehmen. Das OLG Celle kam denn auch zu einer anderen Einschätzung als das Amtsgericht. Dabei geht es um die Interpretation des neuen § 23 Abs. 1a der StVO:
Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, benutzen, wenn
1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird (…)
Wie das OLG Celle das bloße Halten eines Handys sieht
Anders als das Amtsgericht interpretierte das OLG § 23 Abs. 1a StVO so:
- Das bloße Halten eines Handys stellt nach Auffassung des OLG Celle noch keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO dar.
- Das elektronische Gerät müsse auch benutzt werden, damit ein Verstoß vorliege.
- Werde das Gerät nicht benutzt, so unterliege das Aufnehmen oder das Halten auch nicht dem Verbot.
Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird (OLG Oldenburg, Beschluss v. 25.7. 2018, 2 Ss (OWi) 201/18) sei nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar.
Schon die Rechtsprechung zur alten Fassung der Vorschrift habe anerkannt, dass der Tatbestand nicht erfüllt sei, wenn man das Mobiltelefon lediglich aufnimmt, um es andernorts wieder abzulegen. Hieran habe sich durch die Neufassung der Vorschrift nichts geändert.
OLG: Bedienung des Smartphones entscheidend
Nach Ansicht des OLG setzt ein Benutzen im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO voraus, dass das Gerät auch in irgendeiner Weise bedient wird. Das geht heutzutage, da Smartphones kleine, leistungsstarke Computer bzw. Kommunikationsgeräte sind, weit über das Telefonieren hinaus.
(OLG Celle, Beschluss v. 07.02.2019, 3 Ss (OWi) 8/19).
Anmerkung:
Funktionsvielfalt von Handys macht Beurteilung schwer
Die Entscheidung zeigt, wie schwierig es ist, die unterschiedlichen Funktionen und die damit einhergehenden Nutzungsmöglichkeiten eines Handys einzuordnen. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob ein Blick auf den Screen nicht auch schon einen Verstoß gegen § 23 abs. 1a StVO darstellt.
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Hintergrund:
Unfassbar, was mit einem Handy im Auto alles gemacht werden kann und vor Gericht daraufhin abgeklopft werden kann, ob es verboten ist oder nicht:
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