Behörde untersagt das Führen von Fahrrädern und E-Scootern

Auf der Grundlage der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) kann die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Kraftfahrzeugen Personen verbieten, die sich durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben. Bisher galt in der Rechtsprechung überwiegend die Auffassung, dass die FeV keine hinreichende Rechtsgrundlage auch für die Untersagung des Führens von erlaubnisfreien Fahrzeugen bietet. Aus diesem Konsens ist das OVG des Saarlandes in einer aktuellen Entscheidung ausgeschert.
Fahrerlaubnis schon länger weg
Ein mehrfach wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss auffälliger Verkehrsteilnehmer war seit einiger Zeit nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis. Er wich daher auf ein erlaubnisfreies Mofa aus. Auf den Genuss von alkoholischen Getränken konnte oder wollte er nicht verzichten. Im Juli 2019 verlor er bei einer Fahrt mit seinem Mofa die Kontrolle. Die hinzugekommenen Polizeibeamten veranlassten die Entnahme eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 1,83 Promille ergab.
Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge
Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Betroffenen daraufhin auf, seine Eignung zum Führen von Fahrzeugen durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) nachzuweisen. Dem kam der Betroffene nicht nach. Daraufhin erließ die Fahrerlaubnisbehörde eine Verfügung, in der dem Alkoholfreund das Führen auch fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr untersagt wurde.
Klage gegen Verbotsverfügung
Hiergegen klagte der Betroffene nach erfolglosem Widerspruchsverfahren vor Gericht. Begründung: Es existiere keine Rechtsgrundlage für ein Verbot, erlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Die in der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) enthaltene Rechtsgrundlage für eine entsprechende Regelung betreffe lediglich erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge, nicht aber erlaubnisfreie Fahrzeuge wie Fahrräder, Mofas oder E-Scooter.
Fahrerlaubnisbehörde zur Gefahrenabwehr verpflichtet
Dieser Argumentation des Klägers folgte das OVG Saarlouis nicht. Nach Auffassung des OVG beinhaltet § 3 FeV eine hinreichend bestimmte und verhältnismäßige Rechtsgrundlage zur Anordnung eines Verbots zum Führen erlaubnispflichtiger und erlaubnisfreier Fahrzeuge. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV sei die Fahrerlaubnisbehörde aus Gründen der Gefahrenabwehr geradezu verpflichtet, Personen die ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen sind, dies zu untersagen oder durch Auflagen einzuschränken.
OVG sieht Kontrollverlust beim Kläger
Das OVG stellte auf die inzwischen manifeste Historie der Fahrverbote beim Kläger ab. Der Kläger habe sich durch mehrere Fahrten unter erheblichem Alkoholgenuss zunächst als untauglich zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Das neuerliche Fahren mit dem Mofa in fahruntüchtigem Zustand zeige, dass der Kläger nicht bereit sei, die Teilnahme am Straßenverkehr mit Fahrzeugen in alkoholisierten Zustand zu unterlassen. Er fahre ohne Einsicht in das Gefährdungspotenzial auch dann, wenn er alkoholbedingt nicht mehr in der Lage sei, die Kontrolle über das von ihm geführte Fahrzeug auszuüben.
Vermutung für die Nichteignung des Klägers
Gemäß § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde im Fall der Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen vermuten, wenn dieser der Anordnung keine Folge leistet. Diese Vermutensregel gilt nach Auffassung des OVG auch für die Nichteignung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge wie Mofas, Fahrräder oder E-Scooter. Auch diese Fahrzeuge seien geeignet, erhebliche Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer auszulösen, wenn sie von einem alkoholisierten Fahrer geführt würden. Das Gefährdungspotenzial für Dritte sei erheblich, wenn beispielsweise durch plötzliche und unvorhersehbare Fahrmanöver unter Alkoholeinfluss andere Verkehrsteilnehmer zu riskanten und möglicherweise folgenschweren Ausweichmanövern verleitet würden.
Revision zum BVerwG möglich
Im Ergebnis hielt es das OVG für geradezu geboten, dem Kläger das Führen auch erlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu untersagen. Die Klage gegen die Untersagungsverfügung blieb daher erfolglos. Das Urteil des OVG ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum BVerwG bleibt möglich, das bisher über die Streitfrage der Zulässigkeit eines Verbots zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge nicht entschieden hat.
(OVG Saarlouis, Urteil v. 23.5.2025, 1 A 176/23).
Hintergrund
Mit seiner Entscheidung setzt sich das OVG des Saarlandes von den Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte ab.
Andere OVGs vermissen eine tragfähige Rechtsgrundlage
Das nordrhein-westfälische OVG sowie der BayVGH haben in ähnlich gelagerten Fällen entschieden, dass § 3 FeV keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge sei. Zum einen könne das Gefahrenpotenzial erlaubnisfreier Fahrzeuge mit dem Gefahrenpotenzial von Autos und Lastkraftwagen nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden, zum anderen enthalte die Vorschrift keine klaren Kriterien, unter welchen Voraussetzungen eine Person ungeeignet zum Führen von erlaubnisfreien Fahrzeugen sein soll (OVG NRW, Beschluss v. 5.12.2024, 16 B 175/23; BayVGH Urteil v. 17.4.2023, 11 BV 22.1234).
Fahrverbote für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge in Straf- und OWi-Verfahren
Die Untersagung des Führens von Fahrzeugen durch die Fahrerlaubnisbehörde ist zu unterscheiden von der Verhängung von Fahrverboten in Straf- oder OWi-Verfahren. Dort können zeitlich befristete Fahrverbote auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge verhängt werden.
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