Vorsatz: Wann die Vollkaskoversicherung nicht zahlen muss

Echter oder fingierter Autounfall? In einem vor dem Landgericht Coburg verhandelten Versicherungsfall wimmelte es von Ungereimtheiten, die durch den eingeschalteten Sachverständigen deutlich wurden. Das hatte unangenehmen Konsequenzen für den Versicherten. Wann ist der Verdacht auf einen vorsätzlichen Crash nicht mehr von der Hand zu weisen? 

Schnurstracks gegen einen Baum, aber mit kontrolliertem Risiko und dann den Schaden über die Vollkaskoversicherung abwickeln. Derartige Unfälle sind für Versicherer keine Seltenheit und treiben die Versicherungsbeiträge in die Höhe. 

Einiges an Ungereimtheiten wies auch der vor dem LG Coburg verhandelte Fall auf, bei dem der Kläger mit dem Auto seiner Ehefrau auf einer Landstraße rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt war.

Widersprüchliche Angaben zum Unfallhergang

Zum Unfall sei es gekommen, weil er wegen schlechter Sichtverhältnisse bei Dunkelheit und Nieselregen die Kontrolle über das Fahrzeug verloren habe erläuterte der Kläger zunächst. Verdacht weckten dabei gleich mehreren auffällige Punkte. Außerdem variierte der vermeintlichen Unfallhergang in den Schilderungen des Klägers. 

Ungereimtheit Nummer 1: Die widersprüchlichen Angaben zum Bremsverhalten

Anfangs hatte der Kläger angegeben, er habe das Fahrzeug vor dem Aufprall nicht abbremsen können. Nach dem Vorliegen des Sachverständigengutachtens revidierte er seine Aussage und behauptete, vor der Kollision doch noch kurz gebremst zu haben.

Ungereimtheit Nummer 2: Das fehlende Ausweichen

Der Sachverständige konnte vor dem Unfall keine Lenkbewegung des Fahrzeugs vom Baum weg feststellen. Das aber wäre bei einem versehentlichen Abkommen von der Straße, so wie vom Kläger beschrieben, zu erwarten gewesen.

Ungereimtheit Nummer 3: Die gut dosierte Aufprallgeschwindigkeit

Die Aufprallgeschwindigkeit war so bemessen, dass für die Insassen des Fahrzeugs einerseits keine ernsthaften Verletzungen zu befürchten waren, andererseits am Fahrzeug aber erhebliche Schäden entstanden.

Ungereimtheit Nummer 4: Der schnelle Verkauf des unreparierten Fahrzeugs

Das Fahrzeug wurde kurz nach dem Unfall unrepariert für 12.000 Euro verkauft, vom Vollkaskoversicherer erst einmal Reparaturkosten in Höhe von 24.000 Euro gefordert, später ein geringerer Betrag. Durch den schnellen Verkauf konnte nicht mehr geklärt werden, ob das Fahrzeug vor dem Unfall bereits ältere Beschädigungen aufwies.

Ungereimtheit Nummer 5: Fünf weitere Unfallereignisse in jüngerer Vergangenheit

An der Glaubwürdigkeit des Klägers kratzte zudem die Tatsache, dass dieser und seine Ehefrau innerhalb von drei Jahren in fünf weitere Unfallereignisse verwickelt waren, bei denen es teilweise auch um ein Abkommen von der Fahrbahn ohne Unfallgegner gegangen war.

Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hatte, der Versicherer daher nicht leistungspflichtig sei. Es wies die Klage ab. 

(LG Coburg, Urteil v. 05.06.2018, 24 O 360/16).

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Hintergrund:

Verschuldeter Versicherungsfall

§ 81 VVG unterscheidet bei der Herbeiführung eines Versicherungsfalls zwischen:

  • einem vorsätzlichen Herbeiführen des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer und
  • einem grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfall.

Hat der Versicherte den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, muss der Versicherer nicht zahlen (sog. Leistungsfreiheit § 81 Abs. 1 VVG).

Der Versicherungsverband GDV geht davon aus, dass sieben Prozent aller in der Kraftfahrtversicherung gemeldeten Fälle sogenannte Dubiosschäden sind, also Schäden mit erheblichen Ungereimtheiten (GDV, Pressemitteilung vom 4. Mai 2017).

Massendelikt Versicherungsbetrug

Die Dunkelziffern für Versicherungsbetrug sind so hoch, dass nicht zu leugnen ist, das etwas mehr Ehrlichkeit in diesem Bereich die Versicherungsprämien drastisch senken müsste: Betrüger sahnen nach Milliarden pro Jahr ab.

Ohne die Betrugsschäden könnte für die Autofahrer die Prämie in der Haftpflicht-Versicherung um einige Prozente, in der Kasko-Versicherung sogar um einen zweistelligen Prozentsatz niedriger sein.“

Dabei gibt es neben den fingierten Verkehrsunfällen  auch ander Vorlieben für bestimmte Versicherungssparten und Gegenstände. Brillen und IT-Geräte stehen ganz oben auf der  Versicherungsbetrugs-Hitliste, beim Autodiebstahl wird eine Betrugsquote von 50 % gemutmaßt, und nach Einbrüchen  - so wird geschätzt - wird der Schaden in 60-70 % der Fälle nach oben frisiert. Besonders bei kleineren Schäden haben die Betrüger gut Karten. Bei Bagatellschäden gilt bei vielen Versicherungsunternehmen die Zok-Regelung (= Zahlen ohne Kontrolle).

Doch allgemein versuchen die Unternehmen angesichts immenser Schäden verstärkt, Versicherungsbetrügern das Handwerk zu legen. In der Versicherungswirtschaft gibt es seit längerer Zeit ein Hinweis- und Informationssystem (HIS), das u. a. zur Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug Verwendung findet. Dieses System wird auch Uniwagnis-Datei oder "Schwarze Liste" genannt. Allerdings muss in Zeiten der DSGVO diese Liste transparenter geführt werden als zuvor.

Schlagworte zum Thema:  Rechtsanwalt, Schadensersatz, Betrug, Verkehrsunfall