StVO: Anspruch auf Einschreiten gegen Gehwegparker

Die Stadt Bremen ist verpflichtet, zugunsten der Anwohner gegen ein dauerhaftes „aufgesetztes Parken“ von Kraftfahrzeugen auf Gehwegen einzuschreiten. Die StVO gewährt ein subjektives Recht auf Schutz vor Straßenverkehrsgefahren.

Die Kläger des vom VG entschiedenen Verfahrens sind Eigentümer und Bewohner von Häusern in drei Stadtstraßen in Bremen, die sämtlich als Einbahnstraßen ausgewiesen sind. Die Fahrbahnen besitzen eine Breite von ca. 5 m oder leicht darüber, die Gehwege sind jeweils zwischen 1,75 und 2,00 m breit.

Halten und Parken nicht durch Verkehrszeichen geregelt

Verkehrszeichen, die das Halten und Parken in diesen Straßen regeln, sind nicht vorhanden. Seit vielen Jahren wird auf beiden Straßenseiten aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt. Die Fahrzeuge befinden sich dabei ca. zur Hälfte auf den Gehwegen, zur anderen Hälfte im Straßenraum (Halbbordparken).

Gebrauch der Gehwege deutlich eingeschränkt

Die Anwohner empfanden diese Situation als massive Einschränkung für Fußgänger, da der verbleibende Bewegungsraum auf den Bürgersteigen deutlich eingeschränkt werde. Dies gelte insbesondere für Kinder, Kinderwagen und auch für Rollstuhlfahrer.

Behörde lehnte Einschreiten gegen Gehwegparker ab

In einem von den Anwohnern initiierten Gespräch mit der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erfuhren sie zu ihrem Erstaunen von einer in Bremen existierenden innerbehördlichen Anweisung, ordnungsrechtlich nicht gegen rechtswidriges Gehwegparken vorzugehen. Die Behörde erklärte den Anwohnern, aufgesetztes Gehwegparken sei zwar ordnungswidrig, die Straßenverkehrsbehörde habe aber keinen Handlungsspielraum, da in der Stadt insgesamt gegen diese Form des Parkens nicht eingeschritten werde.

Anwohner reichten Verpflichtungsklage ein

Nachdem diverse weitere verwaltungsrechtliche Eingaben der Anwohner keinen Erfolg hatten, erhoben einige Klage vor dem zuständigen VG. Sie beantragten, das Amt für Straßen und Verkehr zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das regelmäßige Parken auf Gehwegen in den betreffenden drei Einbahnstraßen zu unterbinden.

Kläger haben Anspruch auf verkehrsrechtliche Maßnahmen

Die Kläger hatten vor dem VG im wesentlichen Erfolg. Nach Auffassung des VG steht den Klägern, soweit sie die Anordnung von Verkehrszeichen oder ersatzweise andere verkehrsrechtliche Maßnahmen begehren, ein Anspruch gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 9 Satz 1 StVO sowie ergänzend ein Anspruch nach dem Landespolizeigesetz Bremen zu.

Straßenverkehrsbehörde muss die Anwohner schützen

Nach diesen Rechtsvorschriften seien die Kläger als Anwohner von Straßen, in denen nicht nur vereinzelt, sondern dauerhaft verkehrsordnungswidrig auf den Gehwegen geparkt werde, grundsätzlich berechtigt, von der Straßenverkehrsbehörde ein Einschreiten zu verlangen. Gemäß §§ 12 Abs. 4, 4 a StVO sei das Parken auf Gehwegen grundsätzlich verboten. Die Vorschrift diene nicht ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit, das Gehwegparkverbot diene auch konkret dem Schutz der Gehwegnutzer. Die Straßenverkehrsbehörde sei die zuständige spezialisierte Behörde, die geeignete Maßnahmen ergreifen könne, um die Interessen der Anwohner zu schützen.

Entschließungsermessen auf Null geschrumpft

Nach der Entscheidung des VG steht der Straßenverkehrsbehörde allerdings grundsätzlich ein Ermessen über die Art und Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen im konkreten Fall zu. Denkbar seien das Aufstellen von Verkehrsschildern, der Erlass von Entfernungsanordnungen sowie auch sonstige niedrigschwelligere Maßnahmen. Aufgrund der massiven Beeinträchtigung der Rechte der Anwohner, sei allerdings das Entschließungsermessen, also die Entscheidung darüber, ob die Behörde überhaupt einschreiten wolle, auf Null reduziert. Im Ergebnis habe die Straßenbehörde also nicht die Option, untätig zu bleiben.

Gefahrenlage verpflichtet Behörde zum Handeln

Schließlich stellte das VG klar, dass die Straßenverkehrsbehörde die Kläger auch nicht darauf verweisen darf, sich an die allgemeinen Ordnungsbehörden zu wenden. Als die zuständige Fachbehörde sei die Straßenverkehrsbehörde die zum Einschreiten verpflichtete Stelle. Es liege eindeutig eine Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 1 StVO vor. Das aufgesetzte Gehwegparken habe zur Folge, dass Fußgänger insbesondere im Begegnungsverkehr auf die Fahrbahn ausweichen müssten. Damit sei die Sicherheit der Betroffenen gefährdet. Exakt die Gewährleistung der Sicherheit der Fußgänger sei u.a. der Gesetzeszweck des in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO geregelten Halteverbots auf Gehwegen.

Ergebnis: Bescheidungsurteil

Im Ergebnis hat die Straßenverkehrsbehörde nach der Entscheidung des VG damit ein Einschreiten gegenüber den Klägern zu Unrecht abgelehnt. Das VG hat die Straßenverkehrsbehörde daher angewiesen, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden und dabei ihr Ermessen über die Art der zu treffenden Maßnahmen sachgerecht auszuüben.


(VG Bremen, Urteil v. 11.11.2021, 5 K 1968/19)


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