Elternhaftung, wenn ein 6-jähriges Kind auf dem Radweg fährt

Kinder, die das achte Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen Fahrradwege, die nicht von der Fahrbahn abgetrennt sind, auch dann nicht benutzen, wenn sie zusammen mit einem Erwachsenen unterwegs sind. Im Falle eines Unfalls kann eine haftungsbegründende Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern vorliegen.

Ein Vater machte mit seinen drei Kindern im Alter von sechs, elf und fünfzehn Jahren einen Fahrradausflug. Alle vier fuhren auf einem Fahrradweg, der baulich nicht von der Fahrbahn abgetrennt war. Als ein auf dem Radweg abgestelltes Auto ihren Weg blockierte, versuchten die Radler auszuweichen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Ausweichmanöver misslungen, Sechsjährige streift parkendes Auto

Der vorausfahrende Vater verließ den Fahrstreifen nach links, um das Auto zu umfahren. Die hinter ihm fahrende sechsjährige Tochter versuchte es ihrem Vater gleichzumachen. Doch das Ausweichmanöver der Sechsjährigen missglückte. Sie streifte mit dem Lenker ihres Fahrrads  ein entgegenkommendes Fahrzeug im Bereich der rechten Tür. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 790 Euro.

Die Halterin des Autos forderte von der Haftpflichtversicherung des Familienvaters, den Schaden zu übernehmen. Das Amtsgericht Düsseldorf bestätigte den Anspruch. Es sah eine Verletzung der Aufsichtspflicht des Vaters über seine sechsjährige Tochter aus §§ 832 Abs. 1 S. 1, 249 ff BGB.

Durfte die Sechsjährige den Radweg benutzen?

Seine Aufsichtspflicht habe der Vater verletzt, indem seine Tochter ihm entgegen § 2 Abs. 5 S.1, 2 StVO folgte und dazu den Fahrradweg benutzte, der nur auf der Fahrbahn markiert, aber baulich nicht von der Fahrbahn abgegrenzt war.

Unter Achtjährige dürfen nur Radwege benutzen, die baulich von der Fahrbahn getrennt sind

Laut § 2 Abs. 5 S.1, 2 StVO müssen Kinder, die nicht das achte Lebensjahr vollendet haben, auf dem Gehweg fahren. Einen Radweg dürfen sie nur benutzen, wenn dieser baulich von der Straße getrennt ist.

Die Regelung habe einerseits den Zweck, Gefahren von Kindern abzuwenden. Es fielen aber auch neben einem solchen Radweg verkehrende Fahrzeuge in den Schutzbereich, weil eine typische Folge einer unsicheren Fahrweise die Berührung parallel verkehrender Fahrzeuge und so mögliche Schäden seien.

Verletzung der Aufsichtspflicht: Vater hätte mit Kind auf Gehweg radeln müssen

Das Gericht wies darauf hin, dass es bei der Frage nach der Haftung des Vaters nicht darauf ankomme, ob der Vater über die Duldung der Nutzung des Radwegs durch seine Tochter hinausgehend durch seine konkrete Fahrweise seine Aufsichtspflicht weitergehend verletzt habe. Deshalb spiele es auch keine Rolle, ob der Vater sich anders hätte verhalten müssen, beispielsweise, ob er hinter seiner Tochter hätte fahren müssen oder ob er vor der Umfahrung des auf dem Radweg abgestellten Autos hätte warten müssen, um den Abstand zwischen sich und seiner Tochter zu verringern.

Der Vater könne sich auch nicht nach § 832 Abs. 1 S 2 BGB entlasten, weil der Unfall nicht in gleicher Art und Weise geschehen wäre, wenn er seine Aufsichtspflicht beachtet und dafür gesorgt hätte, dass seine Tochter auf dem Gehweg fährt.

Die Einhaltung der Aufsichtspflicht war dem Vater auch zumutbar, denn er wäre selbst nach § 2 Abs. 5 S.3 StVO berechtigt gewesen den Gehweg zu benutzen, um seine Tochter zu beaufsichtigen.

Dass seine Söhne dann ohne ihn selbstständig den Radweg hätten benutzen müssen, ist nicht unzumutbar, weil sie 11- und 15-jährig altersentsprechend in der Lage sind, ohne Beaufsichtigung und Vorausfahrt eines Erziehungsberechtigten Fahrrad zu fahren.

(AG Düsseldorf, Urteil v. 09.09.2021, 37 C 557/20).

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Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Haftung, Sorgerecht