Sturz beim Aussteigen aus S-Bahn – haftet der Betreiber?

Wie aufmerksam müssen Bahnreisende beim Aussteigen aus dem Zug sein? Können sie sich darauf verlassen, dass sie gewarnt werden, falls der Ausstieg anders ist als normal üblich?

Beim Aussteigen aus der S-Bahn stürzte eine Frau und brach sich den linken Oberarm. Sie verlangte 6.000 EUR Schadensersatz vom Bahnunternehmen, weil der Ausstieg in der Vergangenheit stets eben war. Eine Stufe, wie am Unfalltag, war für sie unvorhersehbar.

Gestürzte S-Bahn-Fahrerin: Bahnunternehmen hätte vor der Stufe warnen müssen

Die Frau war der Ansicht, dass das beklagte Bahnunternehmen vor der Stufe hätte warnen müssen. Für regelmäßige Fahrgäste der Verbindung sei die Stufe überraschend und nur ausnahmsweise vorhanden gewesen.

Das Landgericht Köln sah keinen Anspruch der Klägerin. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HPflG bei einem Unfall unmittelbar beim Aussteigen aus einem Zug vor, weil sich der Unfall an der Stufe zum Bahnsteig „beim Betrieb“ ereignet habe.

Gericht: Verschulden des Fahrgasts wegen mangelnder Sorgfalt

Dem Anspruch stehe jedoch ein Mitwirken des Verschuldens der Klägerin gemäß § 4 Satz 1 HPflG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB entgegen. Verunglückt ein Fahrgast beim Aussteigen aus einem stehenden Schienenfahrzeug, weil er nicht auf etwaige Höhenunterschiede achte, sei ihm als Verschulden anzurechnen, dass er sich auf die etwaigen Risiken beim Ausstieg nicht durch eigene Sorgfalt eingestellt habe.

Worauf Bahnreisende beim Aussteigen achten müssen

Ein Fahrgast handelt beim Ausstieg aus einem Zug ohne die gebotene Sorgfalt,

  • wenn er sich nicht erst vergewissert, wie die Verhältnisse beim Ausstieg sind;
  • sorgt er beim Aussteigen nicht für den notwendigen Halt, so kommt eine Haftung des Bahnunternehmens wegen des erheblichen Eigenverschuldens nicht in Betracht.

Es besteht auch kein schützenswertes Vertrauen der gestürzten Bahnfahrerin

  • weder durch die Tatsache, dass die Frau in der Vergangenheit nicht gestürzt war,
  • noch durch das Fehlen einer Stufe, so wie dies bei früheren Verbindungen anscheinend der Fall gewesen war.

Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt

Die Frau habe sich grundlos darauf verlassen, dass sie stufenlos den Bahnsteig erreichen werde, so das Gericht, das auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch das Bahnunternehmen sah. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimme sich grundsätzlich danach, was ein vernünftiger Mensch an Sicherheit erwarten dürfe.

Die gegebenen Verhältnisse müssten hingenommen werden, so wie sie sich erkennbar darstellten und man müsse sich diesen Verhältnissen entsprechend anpassen.

(LG Köln, Urteil v. 15.09.2022, 15 O 185/22)