Bei Unfallflucht nach Alkoholfahrt mit 3,27 ‰ hat die Versicherung Regressansprüche

Versicherungsschutz hat Grenzen. Mit 3,27 Promille hatte eine Fahrerin einen Unfall verursachte und sich unerlaubt vom Unfallort entfernte, ohne die nötigen Feststellungen zu ermöglichen. Ihre Haftpflichtversicherung regulierte erst einmal den Fremdschaden in Höhe von mehr als 10.000 EUR, nahm aber anschließend die Unfallverursacherin in Regress.
Haftpflichtversicherung wollte nicht auf dem Schaden sitzen bleiben
Die Versicherung berief sich auf ihre Verttragsbedingungen und begründete, sie sei gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG im Innenverhältnis zur Versicherten gemäß D. 3.3 AKB (Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung) bis zu einer Höhe von 5.000 EUR und gemäß E. 7.3 AKB bis zu einer Höhe von 2.500 Euro leistungsfrei geworden.
§ 28 Abs. 2 Satz 2 VVG besagt:
„Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.“
Unfallverursacherin sah wegen der 3,27 Promille kein Verschulden
Die Unfallverursacherin war der Auffassung, sie habe zum Zeitpunkt des Unfalls ohne Schuld gehandelt. Den erheblichen Alkoholkonsum rechtfertigte sie damit, dass es einen schlimmen Vorfall in ihrer Familie gegeben habe, den sie nicht verkraftet habe. Für die Unfähigkeit, das Unrecht ihrer Tathandlungen einzusehen, spreche nicht zuletzt ihre hohe Blutalkoholkonzentration von 3,27 Promille.
Keine Schuldunfähigkeit wegen Trunkenheit
Das LG Düsseldorf sah bei der Frau dagegen keine Schuldunfähigkeit wegen Trunkenheit.
Der Rückgriff der Versicherung wegen der Obliegenheitsverletzung, die sich durch das Fahren im alkoholisierten Zustand ergibt, ist nicht wegen Unzurechnungsfähigkeit der Beklagten ausgeschlossen. |
Das Gericht wies darauf hin, dass für einen Täter, solange er nicht den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB erreicht hat, ein Ausschluss der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung also noch nicht eingetreten ist, vorsätzliches Handeln möglich bleibe (BGH, Urteil v. 09.11.2005, IV ZR 146/04).
Auf alle Fälle grobe Fahrlässigkeit
Selbst wenn die Beklagte bei Antritt ihrer Trunkenheitsfahrt oder bei Eintritt des Versicherungsfalls unzurechnungsfähig im Sinne von § 827 Satz 1 BGB gewesen sein sollte, hätte sie jedenfalls grob fahrlässig gehandelt; in diesem Fall und der absoluten Fahruntüchtigkeit wäre auch bei grober Fahrlässigkeit eine Leistungskürzung der Versicherung auf Null gerechtfertigt gewesen.
Auch den Rückgriff der Versicherung wegen der Obliegenheitsverletzung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sah das Gericht als gerechtfertigt an. Die Frau könne sich nicht darauf berufen, sie sei schuldunfähig gewesen.
(LG Düsseldorf, Urteil v. 08.09.2017, 9 O 197/16).
Weitere News zum Thema:
Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung eines Versicherungsnehmers
Verlassen des Unfallorts bleibt folgenlos - Versicherung muss zahlen
Obliegenheiten im Versicherungsrecht
Es wird zwischen gesetzlichen und vertraglichen Obliegenheiten unterschieden. Die gesetzlichen Obliegenheiten sind im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Sie gelten für alle Versicherungssparten.
Gesetzlichen Obliegenheiten:
Die wichtigsten gesetzlichen Obliegenheiten sind die vorvertragliche Anzeigepflicht (§§ 16 bis 22 VVG), Unterlassungs- und Anzeigepflichten im Zusammenhang mit einer Gefahrenerhöhung (§§ 23-30 VVG), die Obliegenheit zur Anzeige eines Versicherungsfalls (§ 33 VVG) und die Auskunfts- und Belegpflicht (§ 34 VVG).
Vertragliche Obliegenheiten:
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) werden die vertraglichen Obliegenheiten vereinbart. § 28 Versicherungsvertragsgesetz regelt die Rechtsfolgen, die eintreten können, falls eine vertragliche Obliegenheit verletzt wird. Obliegenheiten müssen transparent formuliert sein (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer deutlich erkennen kann, was von ihm verlangt wird und unter welchen Umständen er seinen Versicherungsschutz verlieren kann. Zudem dürfen Obliegenheiten den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 2 BGB).
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7352
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.286
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.227
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.174
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.146
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.142
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.137
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.086
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
8841
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
816
-
E-Scooter-Fahrer sind ab 1,1 Promille absolut fahruntüchtig
11.03.2025
-
Abstandspflichten gelten auch für seitlich versetzt fahrende Motorradfahrer
26.02.2025
-
Mietwagen trotz abgelaufener TÜV-Plakette des Unfallfahrzeugs
25.02.2025
-
Schilderwald ist keine Ausrede für Geschwindigkeitsüberschreitung
18.02.2025
-
Warum Linksabbieger bei einem Unfall haften
30.01.2025
-
Wer haftet bei Unfällen zwischen Radfahrern und Fußgängern?
14.01.2025
-
Telefonieren am Steuer – auch bei automatisch abgeschaltetem Motor verboten
13.01.2025
-
Ein behördliches Radfahrverbot ist unzulässig
03.01.2025
-
Mitschuld für Polizisten, die einen Verkehrsunfall sicherten
27.12.2024
-
Kfz-Versicherer verweigert Zahlung wegen angeblich manipuliertem Unfall
29.11.2024