Reform des StVG

Die Reform des StVG soll künftig Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und städtebauliche Entwicklung als gleichberechtigte Ziele neben der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Straßenverkehrsrecht verankern.

Mehr Flexibilität für Länder und Kommunen bei der Regelung des Straßenverkehrs, unter anderem die flexiblere Anordnung von Bewohnerparkplätzen, die erleichterte Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienbusse und Elektroautos, mehr angemessene Flächen für den Fahrradverkehr, erleichterte Tempo-30-Regelungen bei besonderen Gefahrenlagen – das sind die mit der Reform des Straßenverkehrsrechts verfolgten Ziele der Bundesregierung. Kritikern gehen die Reformpläne nicht weit genug. Besonders die weiterhin ausgeschlossene Option der Städte, flächendeckende Tempo-30-Regelungen einzuführen, steht im Zentrum der Kritik.

Ermächtigungsrahmen für Länder und Kommunen wird erweitert

Zur Erreichung der Ziele wird mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz der Ermächtigungsrahmen des § 6 StVG zum Erlass straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften auf Verordnungsebene erweitert. Der künftige § 6 StVG räumt Ländern und Kommunen u. a. die Möglichkeit ein, Vorschriften zu erlassen zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Lärm und Immissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen und dabei die Belange einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu berücksichtigen.

Erweiterte Befugnisse der Straßenverkehrsbehörden

Auch die erforderlichen Änderungen der StVO hat das Kabinett bereits beschlossen. Mit der Reform des § 45 StVO werden die Befugnisse der Straßenverkehrsbehörden zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen erweitert. Bisher dürfen Radwege, Fußgängerüberwege, Geschwindigkeitsbeschränkungen nur unter den Voraussetzungen der Befugnistatbestände des § 45 angeordnet werden. Diese knüpfen sämtlich an die Voraussetzung der Förderung der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs an. Künftig sollen auch hier die mit der Reform in § 6 StVG eingefügten Ziele des Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes, der städtebaulichen Entwicklung als Verfügungsgründe berücksichtigt werden.

Größere Regelungsspielräume für Länder und Kommunen

Die vom Bundestag beschlossenen Ermächtigungsnormen werden im Ergebnis Ländern und Kommunen die Möglichkeit an der Hand geben, regionalspezifische Regelungen unter Berücksichtigung der neuen Ziele Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und Förderung der städtebaulichen Entwicklung bedarfsgerecht zu implementieren. Unter anderem werden

  • den Kommunen die Anordnung von Sonderfahrspuren für bestimmte klimafreundliche Mobilitätsformen wie Elektrofahrzeuge oder für mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge auf Erprobungsbasis sowie
  • eine bedarfsgerechtere Ausweisung von Bewohnerparkplätzen ermöglicht werden.
  • Die Anordnung von Tempo-30-Regelungen an Gefahrenschwerpunkten wie Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, Fußgängerüberwegen und Streckenabschnitten bis zu 500 m zwischen 2 Tempo-30-Strecken wird erleichtert.

Verkehrsrechtliche Ziele sind stets zu berücksichtigen

Die mit der Reform neu eingefügten Nachhaltigkeitsziele stehen in § 45 StVO allerdings weiterhin unter dem Vorbehalt der gleichzeitigen Berücksichtigung des verkehrsrechtlichen Ziels der Förderung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die vom Kabinett beschlossenen Änderungen des § 45 StVO ändern nicht die speziellen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsschildern. Diese dürfen weiterhin nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs angeordnet werden.

Kritiker sehen in der Reform nur ein Reförmchen

Die Reformpläne stoßen nicht nur bei Umweltverbänden auf Kritik. Ein Fokus der Kritik richtet sich dabei auf die Neuregelung der Einrichtung von Tempo-30-Zonen. Diese sollen auch künftig in Wohngebieten nur zulässig sein, wenn eine besondere Gefahrenlage dies erfordert. Auch nach der Reform wird in Städten grundsätzlich Tempo 50 bleiben. Auch die bei jeder Anordnung zu berücksichtigenden verkehrsrechtlichen Ziele der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs verhindern nach Meinung von Kritikern einen durchgreifenden Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik.

Reform soll spätestens zum Jahreswechsel in Kraft treten

Sowohl der vom Bundestag beschlossenen Reform des StVG als auch den vom Kabinett beschlossenen Änderungen der StVO muss der Bundesrat noch zustimmen. Die Abstimmung im Bundesrat ist für Ende November vorgesehen. Die Bundesregierung strebt eine Verabschiedung der Gesamtreform noch vor Jahresfrist an.


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Schlagworte zum Thema:  Reform, Gesetz, Verkehrsrecht