Flucht vor der Polizei  als verbotenes Kfz-Rennen gem. § 315d

Der neue Raserparagraf gilt nicht nur für klassische Autorennen. Die Flucht vor einem Polizeifahrzeug könne eine Art Wettbewerb darstellen, der unter § 315d StGB falle. Das hat das OLG Köln im Fall eines alkoholisiert vor einer Zivilstreife flüchtenden Fahrers entschieden.

Ein 28-Jähriger war um drei Uhr nachts mit seinem Auto auf dem Weg zu einem Club, als er einer zivilen Polizeistreife auffiel. Die setzte sich hinter das Fahrzeug des deutlich alkoholisierten Fahrers – mindestens 1,3 Promille wurden bei ihm nach dem Zwischenfall festgestellt – und verfolgte ihn.

Fahrer floh mit 1,3 Promille vor einer zivil Polizeistreife

Der Mann fühlte sich nach eigenen Angaben von dem Fahrzeug bedroht. Um dieser Bedrohung zu entkommen, gab er ordentlich Gas. Auf seiner Flucht fuhr er mindestens 140 Stundenkilometer schnell – erlaubt waren auf der Strecke 70 km/h. Die Flucht blieb letztlich erfolglos, der Mann konnte von der Zivilstreife gestellt werden.

Amts- und Landgericht sahen in der Flucht keinen Wettbewerbscharakter

Das Amtsgericht und das Landgericht Aachen hatten den Mann wegen Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe nebst Entzug der Fahrerlaubnis verurteilt. Ein Verstoß gegen den neuen „Raserparagrafen“ (§ 315d StGB) sahen die Gerichte allerdings nicht, weil der Wettbewerbscharakter eines Rennens nicht gegeben gewesen sei.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat das OLG Köln das Urteil insoweit aufgehoben und die Sache zurück an das Landgericht verwiesen. Eine Verurteilung wegen § 315d StGB komme durchaus in Betracht, so das OLG.

OLG: Gegner ist nicht nötig für den Renncharakter einer Fahrt

Die Vorschrift solle auch gerade die Fälle erfassen, in denen nur ein einziges Fahrzeug beteiligt sei, es bedürfe keines „Gegners“. Zwar würden bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht von § 315d StGB erfasst.

Für eine Strafbarkeit gelten folgende Voraussetzungen:

  • Der Täter muss grob verkehrswidrig und rücksichtslos fahren.
  • Er muss zudem in der Absicht handeln, die in der jeweiligen Situation höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
  • Es muss nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
  • Das Bestreben, möglichst schnell voranzukommen, könne auch von anderen Zielen begleitet sein – den Beifahrern zu imponieren, die Fahrzeugleistung zu testen oder verfolgende Fahrzeug abzuhängen. Auch in diesen Fällen gehe der Renncharakter nicht verloren.

Nach diesen dargestellten Maßstäben sei auch die Tat des Angeklagten von einem spezifischen Renncharakter geprägt gewesen mit besonderen Risiken für den Straßenverkehr und seine Teilnehmer, so das OLG.

Flucht statt Sieg erfüllt als gleichwertiges Wettbewerbsziel Tatbestand des § 315d

Ziel eines „Wettbewerbs“ in diesem Sinne sein nicht der Sieg, sondern die gelungene Flucht gewesen. Hinsichtlich des Risikos sei das Geschehen mit einem sportlichen Wettbewerb vergleichbar.

(OLG Köln, Urteil v. 05.05.2020, III-1 RVs 45/20).

Anmerkung:

Sowohl der Gesetzeswortlauf des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch die Begründung des Gesetzgebers sprächen dafür, auch die Polizeiflucht als tatbestandsmäßig anzusehen. Denn diese sei von einem spezifischen Renncharakter geprägt, in dem sich gerade die in den Gesetzesbegründung genannten besonderen Risiken wiederfänden. 

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Hintergrund zur strafrechtlichen Regelung zu verbotenen Autorennen

Durch die Neuregelung in § 315d StGB drohen Teilnehmern an Autorennen bis zu zwei Jahre Haft wenn niemand zu Schaden kommt. Kommt es zu Sachschäden, Verletzten oder gar Toten drohen bis zu zehn Jahre Haft. Vorreiter der seit 24.8.2017 geltenden Neuregelung waren rigorose Richter.

Illegale Autorennen haben Suchtpotenzial

Die Expertenmeinung lautet:

Auch mit erhöhten Strafdrohungen werden illegale Autorennen auch zukünftig zur Realität im Straßenverkehr gehören.

Nach Schätzungen von Verkehrsexperten existieren allein in Köln über 4.000 rennfertig aufgemotzte Autos. Das Problem wird auch künftig sein, diejenigen darunter auszumachen, die illegale Autorennen veranstalten. Psychologen gehen davon aus, dass es sich bei vielen potentiellen Teilnehmern um eine regelrechte Sucht handelt, die durch eine Gesetzesverschärfung nur begrenzt in den Griff zu kriegen ist. In der Szene ist es bereits üblich, sich bei organisierten Autorennen über Funk vor herannahenden Polizeistreifen zu warnen.

Auch Alltagsraser sind ein Problem

Der Kriminologe Prof. Dr. Henning Müller, der im Rechtsausschuss des Bundestages als Sachverständiger zur Anhörung im Rahmen der Gesetzesänderung geladen war, warnt davor, wegen einiger spektakulärer Rennunfälle die insgesamt äußerst erheblichen Unfallrisiken durch die ganz normalen Alltagsraser zu vernachlässigen. Das Rasen im Straßenverkehr stelle insgesamt ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar, dessen Ahndung durch Bußgelder aktuell in vielen Fällen deutlich zu milde sei.

Resolute Richter hatten die Reform provoziert

Resolute Richter hatten zuvor die Grenzen des Ordnungswidrigkeiten-Rechts und der Fahrlässigkeits-Straftaten gesprengt, um auf die zunehmend gefährlichen und folgenschweren Rennen zu reagieren. Allerdings waren die Entscheidungen uneinheitlich: Furore gemacht hatte ein Urteil der 34. Großen Strafkammer des LG Berlin gegen die 28-jährigen und 25-jährigen Spontanteilnehmer an einem Illegalen Autorennen, bei dem am 2.1.2016 in Berlin ein 69-jähriger unbeteiligter Fahrer eines Jeeps zu Tode gekommen war.

Das LG verurteilte die Rennteilnehmer wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Fahrerlaubnis wurde beiden Angeklagten lebenslang entzogen (LG Berlin, Urteil v. 27.2.2017, 535 Ks 8/16). Das Urteil, obwohl später vom BGH wegen Begründungsfehlern aufgehoben,  hatte Signalwirkung, auch für den Gesetzgeber.

Sowohl der Gesetzeswortlauf des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch die Begründung des Gesetzgebers sprächen dafür, auch die Polizeiflucht als tatbestandsmäßig anzusehen. Denn diese sei von einem spezifischen Renncharakter geprägt, in dem sich gerade die in den Gesetzesbegründung genannten besonderen Risiken wiederfänden.

Norm:

§ 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen (Auszug)

(1) Wer im Straßenverkehr
1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Schlagworte zum Thema:  Strafrecht, Verkehrsrecht